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12.10.07  „Götter und Designer bleiben draußen“

Sehr selten kommt es hierzulande vor, dass zwischen zwei Buchdeckeln Beiträge Pro und Contra „Schöpfung“ / „Intelligent Design“ erscheinen. So geschehen dieses Jahr in der Zeitschrift „Religion • Staat • Gesellschaft – Zeitschrift für Glaubensformen und Weltanschauungen“ (erschienen im renommierten Verlag Duncker & Humblot, Berlin). Christoph Heilig stellte den ganzen Band auf seinem Blog „Evolution und Schöpfung" vor (http://evolution-schoepfung.blogspot.com/2007/09/religion-staat-gesellschaft-7jahrgang.html). Hier sollen die wichtigsten Inhalte des Eingangsbeitrags von Robert Schmidt zusammengefasst werden: „Götter und Designer bleiben draußen" - eine kritische Diskursanalyse der Medienberichterstattung zu Intelligent Design im deutschsprachigen Raum.“

Der Beitrag ist insofern von besonderem Interesse, als er nicht von einem Protagonisten der Kreationisten oder ID-Anhänger stammt, sondern die mediale Präsentation der neueren Debatte über Schöpfung und Evolution aus der Sicht eines Soziologen analysiert. Schmidt stellt im einleitenden Abschnitt fest, dass diese Debatte „auf dem niedrigen Niveau einer Kampagne geführt wird“ (S. 136). Evolution sei zu einem Denkmodell erhoben worden, „das mit dem Anspruch auf Erklärung des Ganzen der Wirklichkeit auftritt" (S. 135). Vor diesem Hintergrund müsse wohl verstanden werden, warum die Medienberichte über Intelligent Design „einen überwiegend negativen Charakter haben“ (S. 137). „Weshalb reagieren die Medien so ablehnend" ist denn eine der Fragestellungen, denen Schmidt nachgeht. Angesichts der Involvierung verschiedener Institutionen in die Kampagne wirft der Autor die weitere Frage auf, „nach welchen Mechanismen der Umgang mit Evolutionskritik in der Öffentlichkeit denn funktioniert und wie diese zu bewerten sind". Außerdem will er den Diskurs sozialwissenschaftlich analysieren.

Der 50-seitige Artikel von Schmidt ist dreigeteilt. Der umfangreiche erste Teil „Intelligent Design im Licht der Medien“ schildert und analysiert zahlreiche Beispiele der Medienberichterstattung, darunter die Berichte über die Sperrung der Website des Genetikers Dr. Wolf-Ekkehard Lönnig, über den Erfurter Dialog und über die Diskussionen um evolutionskritische Unterrichtsinhalte. Es folgen ein Abschnitt „Ergebnisse und Interpretationen“ und eine „Schlußbetrachtung“.

Eingangs stellt Schmidt fest, dass die Massenmedien heute Texte und Bilder erzeugen, „welche zur gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion beitragen“ (S. 138). Informationen werden spezifisch gefiltert; dadurch bestimmen sie mit, „was politisch denkbar ist“ und „wer zu den legitimen Akteuren des politischen Spiels zählt“ (S. 138; Zitate des französischen Soziologen Pierre Bourdieu). Dazu gehört die Analyse, mit welchen Strategien Emotionen geweckt, welche Vergleiche gezogen und welche „narrativen Muster" (Erzählungen, rote Fäden, „Story lines“) entfaltet werden, um öffentliche Aufmerksamkeit und und gesellschaftliche Wirkung zu erzielen.

„Wissenschaftsfeinde“ und Bedrohungsszenarien. Ein Großteil der von Schmidt untersuchten Artikel lässt sich auf wenige solcher narrativen Muster zurückführen, allen voran auf die Kennzeichung von ID-Anhängern als „Wissenschaftsfeinde“. Entsprechende Bedrohungsszenarien werden heraufbeschworen. Ein krasses Beispiel dieser Art bildete die Schlusssequenz der am 19. 9. 2006 auf Arte ausgestrahlen Films „Von Göttern und Designern“ (vgl. „Arte“ schürt Ängste durch Desinformation und Feindbilder). Dabei finden eine Reihe von Stilmitteln der Auseinandersetzung regelmäßig Anwendung (S. 142-147):

  • ein „ganzes Arsenal des Kriegsvokabulars“",
  • „einfache Polarisierung zwischen ‚objektiver Wissenschaft’ und ‚verkleideter Glaubenslehre’",
  • „verallgemeinernde wertbezogene Etikettierung evolutionskritischer Personenkreise als ‚wissenschaftsfeindlich’ und ‚antiaufklärerisch’“, was den Verlust der Errungenschaften der aufgeklärten Gesellschaft herbeiführen könnte,
  • Infragestellung der Kompetenz der zwar religiös motivierten, aber wissenschaftlich argumentierenden Akteure (S. 146),
  • Hinweis auf christliche Motive der Evolutionskritiker als Grund für Diskursverweigerung auf der Sachebene (das wird ausführlich dargelegt am Beispiel der Geschehnisse um den „Erfurter Dialog“, S. 157ff.),
  • fast keine Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Sachargumenten (das trifft insbesondere auf die Schulbuchdebatte oder die Auseinandersetzungen um die Website des Evolutionskritikers Lönnig zu, S. 156, S. 172),
  • redaktionelle Positionierung von „Helden und Anti-Helden“, Feindbildszenarien,
  • Unterstellung einer subtilen Unterwanderung (S. 147ff.) und Nutzung eines entsprechenden wertenden Vokabulars („versteckte christliche Mission“, „Missbrauch“ von Titeln, „Blenden“, „Umtriebe“ und dergleichen).

Die Evolutionstheorie wird zu den sicheren Grundlagen unserer Gesellschaft gerechnet: „wer diese kritisiert, raubt unserer Kultur somit die Basis“ (S. 145). Schmidt fragt kritisch zurück: „Doch stellt sich dieses ‘Problem’ überhaupt in Wirklichkeit?“ und weist nach, dass diese Gefahrenkonstruktion nur behauptet, nicht aber begründet wird. „In zahlreichen Artikeln wird nicht objektiv recherchiert, sondern das herrschende Paradigma als Tatsache deklariert und wissenschaftliche Evolutionskritik für hinfällig erklärt“ (S. 150)

Schule. Die Story line „Wissenschaftsfeinde“ wurde medial beim Thema „Schule und Evolutionstheorie“ ausgezogen in Richtung „Unterwanderung“ (S. 152ff.). Fachdidaktische und inhaltliche Probleme der Ursprungslehren werden genausowenig ausgewogen thematisiert wie das Wissenschaftsverständnis der betroffenen Lehrer, stattdessen wird mit Begriffen wie „unterminieren“, „einschüchternde Autorität" oder „wissenschaftlichem Anstrich“ über die Motive der kritischen Akteure gemutmaßt und damit Stimmungen erzeugt. Evolutionskritische Biologielehrer werden so zu „Anti-Helden“ gemacht. Schmidt geht auch auf die Debatte um „Evolution - ein kritisches Lehrbuch" ein, die u. a. durch die Verleihung des Deutschen Schulbuchpreises angeregt wurde. Nach dem bisher Gesagten kann folgende Feststellung nicht mehr überraschen: „In der ganzen Story line ‚Schulbuchdebatte’ bleibt der Inhalt des Buches völlig undiskutiert. Die überwiegende Anzahl der Medien scheinen sich für den Tiefensinn der Debatte gar nicht zu interessieren“ (S. 156).

Erfurter Dialog. Einige Seiten widmet Schmidt den Auseinandersetzungen um den „Erfurter Dialog“, zu welchem der Evolutionskritiker Siegfried Scherer eingeladen war und nach heftigen Protesten wieder ausgeladen wurde. Die Analyse der Aktionen von Wissenschaftlern und Politikern zur Verhinderung der Teilnahme von Scherer schließt Schmidt mit folgenden Feststellungen ab: „Die Begebenheiten um den ‚Erfurter Dialog’ machen deutlich, daß es sich vermutlich in Deutschland zurzeit keine öffentliche Person mehr leisten kann, eine publikumswirksame, fachlich-kritische Diskussion zur Evolutionstheorie zu organisieren, ohne dabei in die Dynamiken des beschriebenen Macht- und Mediendiskurses zu geraten und Schaden zu nehmen“ (S. 162).

Website von W.-E. Lönnig. Schließlich zeigt Schmidt am Beispiel der Aktivitäten zum Erreichen der Sperrung des Website des Evolutionskritikers und ID-Anhängers Lönnig, dass die Entfernung missliebiger Inhalte aus der wissenschaftlichen Diskussion durch Einsatz institutioneller Machtmittel erreicht wurde (S. 162ff.), beispielsweise durch den Appell an den guten Ruf von Einrichtungen, den es zu schützen gelte. „Die Durchsetzungsmacht der herrschenden Theorie wurde hier in unwissenschaftlicher Art und Weise mit der medialen Autorität eines Nature-Artikels öffentlich legitimiert“ (S. 168). „Mit der Instrumentalisierung des öffentlichen Ansehens einer renommierten Forschungseinrichtung vollzieht sich ein Novum in der Mittelwahl zur Verfolgung evolutionskritischer Standpunkte“ (S. 175) Das zeigten vor allem die machtvollen Auswirkungen eines Nature-Artikels auf die Handlungsoptionen des Präsidiums der Max-Planck-Gesellschaft, der offensichtlich als wirkungsvolles Druckmittel fungierte.

Im II. Abschnitt „Ergebnisse und Interpretationen“ stellt Schmidt zunächst fest, „daß die Medienberichterstattung zu Intelligent Design nahezu gänzlich ohne wissenschaftliche Argumente auskommt und dennoch viel von sich reden macht“ (S. 174). Es könne „mit relativer Sicherheit gesagt werden, daß die öffentlichen Kampagnen der Evolutionisten gegen ihre Kritiker im deutschsprachigen Raum mit ausschließlich unwissenschaftlichen Mitteln erfolgen“ (S. 174). Öffentliche Fachdiskurse zur Evolutionskritik seien aus politischen Gründen nicht gewünscht (S. 175).

Hinzu komme eine Politisierung der Evolutionskritik durch die „strategische Zusammenführung amerikanischer und deutscher Bedeutungsgehalte über wertbehaftete Impulsbegriffe, wie den des ‘Kreationismus’“ (S. 175). Und weiter: „Vor diesem Hintergrund werden auch die religiösen Motivationen politisiert und der wissenschaftliche Anspruch der Evolutionskritiker in der Vermengung von deren religiöser Motivation und politisch aufgeladener Begriffe entwertet mit dem Ergebnis, daß über wissenschaftliche Inhalte gar nicht mehr gesprochen wird“ (S. 175).

Im Unterabschnitt „Fachwissen oder Gesinnung – Wissenschaft oder Ideologie“ fordert Schmidt eine Offenlegung der Motive der Akteure. Denn die Evolutionsvertreter umgehen mit Verweis auf die vermeintlichen oder tatsächlichen Motive der ID-Anhänger selber die fachliche Diskussion; daher sei die Frage erlaubt, „unter welcher Mission denn eigentlich die intervenierenden Evolutionsbiologen agieren“ (S. 178). Schließlich finde sich auf der Website der atheistischen Giordano-Bruno-Stiftung unter „Organisationen mit ähnlichen Zielsetzungen" auch der Link der AG Evolutionsbiologie. Schmidt schreibt: „Vor dem Hintergrund unserer Analysen ist somit festzustellen, daß eine ganze Anzahl von Evolutionisten die eigentlichen Voraussetzungen ihres Denkens nicht wirklich offenlegen" (S. 179). Aus manchen Meldungen gehe hervor, dass es nicht um das „gesicherte Wissen unserer Zeit“, sondern um eine weltanschauliche Auseinandersetzung gehe. „Das ideologische Wissen des Evolutionismus könnte man in diesem Zusammenhang auch als ‘verschleierndes Wissen’ bezeichnen: die wahren Interessen der Ideenverbreiter, beispielsweise die Zielsetzungen des Evolutionären Humanismus, werden nicht offengelegt“ (S. 180).

Autor dieser News: Reinhard Junker

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