News auf genesisnet

 

28.05.25  Quittung von Nebu-Sar-Sechim aus Jer 39,3?

Was eine 2500 Jahre alte Quittung uns heute bestätigt

Pieter Gert van der Veen und Andreas Späth (dieser Artikel wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von: DIAKRISIS 4/2022, https://www.ikbg.net/diakrisis/)

Zehntausende Tontafeln mit mesopotamischen Schriftzeichen lagern in den Magazinen des British Museum, wie auch sonst wo in anderen großen Museen.1 Nur wenige Forscher sind in der Lage, sie zu lesen. So sind zahlreiche Funde nach über hundert Jahren noch nicht übersetzt und es warten sicher noch zahlreiche Überraschungsfunde auf uns. Wegen der gewaltigen Bürokratie der mesopotamischen Herrscher sind Tontafeln mit vergleichsweise banalen Inhalten, Steuerbescheide, Schreibübungen – Schulhefte2 sozusagen –, Rationslisten, aber auch Quittungen, in unglaublichem Umfang erhalten. Um eine solche Tontafel soll es hier gehen.

Bei diesen Tafeln des British Museum befindet sich unter der Inventarnummer BM 1147893 eine höchst bemerkenswerte Urkunde über den Transfer einer gewissen Menge Gold im Jahre 594 v. Chr. 1,5 Minen, also ziemlich genau 750g Gold, wurden treuhänderisch transportiert.4 Transporteur (Arad-Bānītu), Verbringungsort (Esangila) und einige Nebenzeugen (Bēl-usāti, Sohn des Aplāja, des königlichen Leibgardisten, und Nādin, der Sohn des Marduk-zēru-ibni) für die korrekte Übergabe werden genannt.5 Als Eigentümer wird ein Beamter am Hofe Nebukadnezars II. von Babylon genannt, Nebu-Sar-Sechim.6

Nebu-Sar-Sechim ist nicht irgendwer. Er ist der rab ša-rēši, der Rabsaris, also der Oberste der Höflinge des Königs. Es gab nur einen Amtsinhaber, der diese Position innehatte.7 Er war eine Art erster Minister, multifunktional einsetzbar, mitunter Vertreter des Königs auf nationalem und internationalem Parkett. 750g Gold waren für ihn wohl keine Unsumme, und doch war der Vorgang wichtig genug, dass er nicht nur aufwändig dokumentiert wurde, sondern sogar – neben einer Reihe weiterer Hofbeamten als Zeugen, von keinem geringeren als dem König Nebukadnazar II. selbst als Hauptzeugen mitbeurkundet wurde.

Doch nicht nur das Amt war „selten“, sondern auch der Name des Rabsaris. Nebu-Sar-Sechim war in Babylon ein außerordentlich seltener Name.8

Was macht diese Transportquittung so besonders? Freilich, es geht um Gold, den obersten Beamten und den König von Babylon. Tatsächlich geht es um mehr. Der Rabsaris war als oberster Beamter des Reiches in der Regel mit von der Partie, wenn es um größere Kriegszüge ging. Sieben Jahre nach dem Goldtransport ging es um ganz andere Reichtümer. Nebukadnezar hatte beschlossen, Jerusalem zu vernichten. Gott hatte beschlossen, es zuzulassen.

Durch seinen Propheten Jeremia hatte er den König Judas, Zedekia, vielfach warnen lassen.9 Zedekia war schwach und sein Hof Jeremia feindlich gesonnen, von Gott abtrünnig geworden. Doch Gott ließ Zedekia ein ums andere Mal durch Jeremia ansprechen.

Es half alles nichts. Obwohl der König Jeremia gerade noch aus den Händen der Hofschranzen befreit, um ihm heimlich10 letzten Rat abzulauschen,11 Gottes Wort zu hören, kann er sich letztendlich nicht entschließen, dem Wort Gottes auch zu folgen. Und so nahm das Unheil seinen Lauf.12

Am 23. Juni des Jahres 587 v.Chr. standen die obersten Heerführer Nebukadnezars plötzlich im Mitteltor Jerusalems.13 Die Schlacht war entschieden. Das Buch Jeremia berichtet es detailliert – so detailliert, dass es uns – entgegen dem biblischen Brauch an anderen Stellen – nicht nur die Positionen und Ämter der Angreifer nennt, sondern sogar ihre – ins Hebräische transkribierten – Namen. Einer von ihnen war niemand anders als der Rabsaris Nebukadnezars II., Nebu-Sar-Sechim (Jer 39,3), der Besitzer des transportierten Goldes, den wir bis zur Entdeckung der Tafel BM 114789 nur aus der Bibel kannten.

Für das Buch Jeremia sind die Obersten des Nebukadnezar keine namenlosen, anonymen Gestalten. Die Nennung der Namen der Obersten Nebukadnezars könnte ihren Grund darin haben, dass Jeremia auf Befehl ihres Königs aus seinem letzten Gefängnis, dem „Wachhof“14, befreit wurde. „Aber Nebukadnezar, der König von Babel, hatte Nebusaradan, dem Obersten der Leibwache, Befehl gegeben wegen Jeremia und gesagt: Nimm ihn und lass ihn dir befohlen sein und tu ihm kein Leid, sondern wie er’s von dir begehrt, so mach’s mit ihm.“15

Jeremia steckte also in einer wirklich besonderen Situation. Er war gefangen in einer Festungsanlage, die von außen bestürmt wurde. Ob Luther an ihn gedacht hat, als er in seiner Predigt zu Lk 21,25–36 sagte: „Gleich als wenn du auf einem Schloß gefangen lägst, in einem Thurm, und hörtest, wie man hinein schösse und stürmte, du würdest dich vor solchem schießen und stürmen gar nicht fürchten, sondern derselben noch wohl froh sein, wenn du wüßtest, daß es um deinetwillen wäre angefangen, dich also ledig zu machen.“16?

Tatsächlich handeln die Feinde Judas an Gottes Propheten letztlich wie Befreier.

Anmerkungen

1) Vgl. M. Jursa, Neo-Babylonian Legal and Administrative Documents. Typology, Contents and Archives (Guides to the Mesopotamian Textual Record 1), Münster 2005.

2) Man erkennt solche Schreibübungen daran, dass sie meist aus so viel Ton bestehen, dass ein Schüler damit seine Hand füllen konnte. Das Stück ist so geformt, dass es in eine hohle Hand passt. Oft sind noch die Fingerabdrücke von Lehrer und / oder Schüler gut sichtbar. Am Text erkennt man, dass jemand mit professionellem Schriftbild eine Textzeile geschrieben hat, die dann mit weniger elaborierter Schrift darunter nachgeschrieben wurde.

3) Vgl. M. Jursa, Nabû-šarrūssu-ukīn, rab ša-rēši und „Nebusarsekim“ (Jer 39,3), in: Nouvelles Assyrioulogiques Breves et Utilitaires (N.A.B.U.) Heft 1/2008, S. 9.

4) Vgl. ebd.

5) Vgl. ebd.

6) Vgl. ebd.

7) Vgl. ebd.

8) Vgl. ebd.

9) Vgl. Jer 37,6–10.

10) Vgl. Jer 37,17–19.

11) Vgl. Jer 38, 14–24.

12) Vgl. Jer 39, 1–10.

13) Vgl. Jer 39,3.

14) Vgl. Jer 38,28.

15) Vgl. Jer 39,11f.

16) Luthers Predigt am zweiten Advent zu Lk 21,25–36. Hier zitiert nach Köstlin & Kawerau, Luthers Werke für das christliche Haus, Band V, Braunschweig 1891, S. 137f

Diese News kann man auch auf der neuen Website Genesis-net.de lesen (dort auch mit Bildern): https://genesis-net.de/n/359-0/

Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen

Informationen über den Autor

E-Mail an den Autor


Druckerfreundliche Version dieser Seite anzeigen   

 
© 2025, http://www.genesisnet.info/schoepfung_evolution/n359.php


Über unseren Newsletter-Service werden Ihnen neue Nachrichten auch automatisch per E-Mail zugesandt.

 
News-Übersicht