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02.03.20  Rätselhafte Verteilung der Wurzelknöllchensymbiose

Die Wurzelknöllchensymbiose bei Leguminosen (z. B. Bohnen oder Erbsen) ist eine fein ausbalancierte Symbiose zwischen Pflanze und Bakterien zur Fixierung von Luftstickstoff und von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Überraschenderweise muss in evolutionstheoretischen Modellierungen eine mehrfache Entstehung und ein mehrfacher Verlust angekommen werden.

Ein wichtiger „Rohstoff“ für das Pflanzenwachstum ist Stickstoff, er wird z. B. für die Synthese der Proteine und Nukleinsäuren benötigt. Elementarer, zweiatomiger Stickstoff (N2) ist mit 78 % Anteil zwar reichlich in der Luft vorhanden, kann aber von den Pflanzen nicht direkt genutzt werden, sondern nur in Form von Ammonium (NH4+) oder Nitrat (NO3-). Nur einige Bodenbakterien sind in der Lage, Luftstickstoff durch Reduktion in eine für Pflanzen verfügbare Form zu überführen; das von ihnen produzierte Nitrat kann von den Pflanzen über die Wurzeln aufgenommen werden. Diesen Vorgang nennt man Stickstoffbindung (Nitrifizierung).

Es gibt jedoch vier Pflanzenordnungen, in denen einige Arten in bestimmten Bereichen der Wurzeln eine Symbiose mit stickstoffbindenden Bakterien der Gattungen Rhizobium oder Frankia eingehen können. Diese Symbiose findet in sogenannten Wurzelknöllchen statt. Die Bakterien in den Wurzelknöllchen sind als Bakterioide ausgebildet, das heißt, sie besitzen keine Zellwände. Die Bakterioide werden von den infizierten Pflanzenzellen in Membranen eingehüllt und bilden dadurch gleichsam Zellorganellen; sie besitzen die für die Stickstoffbindung erforderlichen Enzyme. Das wichtigste darunter ist die Nitrogenase. Dieses Enzym wird allerdings bei Anwesenheit einer bereits geringen Menge an Sauerstoff geschädigt, andererseits kommen die Bakterioiden nicht ohne Sauerstoff aus. Die Sauerstoffkonzentration in den Wurzelknöllchen muss daher genau ausbalanciert sein. Dafür sorgt die Pflanze, indem sie ein eisenhaltiges Protein, das Leghämoglobin, in den Knöllchen bildet, das überschüssigen Sauerstoff bindet, dessen Niveau konstant hält und somit eine Sauerstoffpuffer-Funktion erfüllt. Außerdem sorgt es für einen optimalen Sauerstofffluss zu den Bakterioiden. Das stickstofffixierende System benötigt also sehr anspruchsvolle Rahmenbedingungen. Das Leghämoglobin ähnelt übrigens in seinem Aufbau stark dem Hämoglobin des Blutes der Wirbeltiere, dessen Funktion ebenfalls darin besteht, Sauerstoff zu binden.

Beide Partner profitieren von dieser Symbiose, denn während die Pflanze mit Stickstoff versorgt wird, erhalten die Bakterien Kohlenhydrate und andere organische Verbindungen von der Pflanze. Die Symbiose in den Wurzelknöllchen ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung, da überschüssige Ammonium-Ionen ausgeschieden werden und dadurch der Stickstoffgehalt des Bodens zunimmt, was den Ertrag verbessert. Daher werden wurzelknöllchenbildende Leguminosen angebaut und untergepflügt, um dadurch die Stickstoffdüngung zu verbessern.

Die stickstofffixierenden Wurzelknöllchen (nitrogen fixing root nodule, NFN) sind bei Arten von vier Pflanzenordnungen nachgewiesen, die als NFN-Klade zusammengefasst werden (Fabales, Fagales, Cucurbitales und Rosales), darunter sind viele landwirtschaftlich wichtige Arten wie Bohnen, Erbsen und Soja. Die meisten Arten dieser vier Ordnungen besitzen allerdings keine NFN; die Arten mit NFN sind vielmehr sporadisch verteilt und auch innerhalb der vier NFN-Ordnungen meist nicht näher verwandt. Nur bei zehn der 28 Familien des NFN-Klades kommen Arten mit NFN vor, und bei neun von diesen Familien haben die meisten Arten wiederum kein NFN (Griesmann 2018, 1f.). Die NFN zeigen dabei in ihrer Ausprägung große Vielfalt. Diese unsystematische Verteilung erfordert in evolutionstheoretischer Deutung eine mindestens vierfach unabhängige Entstehung von NFN. Das an sich ist angesichts der Komplexität und anspruchsvollen Ausbalanciertheit des Systems erstaunlich und eines von mittlerweile ungezählten Beispielen einer Konvergenz von Komplexmerkmalen, wie man sie auf der Basis ungerichteter Evolutionsmechanismen nicht erwarten kann (zur Problematik von Konvergenzen siehe den Grundsatzartikel von Braun 2012). Nagy (2018) bezeichnet diese Konvergenz als „uraltes Mysterium“ („an age-old mystery“).

Überraschende Ergebnisse einer neuen Studie. Eine neuere genetische Studie offenbarte nun dazu noch weitere Überraschungen. Griesmann et al. (2018) sequenzierten die Genome von zehn Pflanzenarten mit unterschiedlichen Knöllchentypen und bakteriellen Symbionten und bezogen sie anschließend in einen genomweiten Vergleich mit insgesamt 37 Pflanzenspezies ein.

Es stellte sich heraus, dass den Symbiosen der nicht näher verwandten Arten ähnliche Gen-Garnituren zugrunde liegen. Neben zwei Symbiose-Schlüsselgenen (NIN und RPG) werden weitere 290 gemeinsame Gene in den Knöllchen von Medicago truncatula (Ordnung Fabales) und Parasponia andersonii (Ordnung Rosales) hochreguliert, obwohl sie die Fähigkeit zur Knöllchenbildung unabhängig erworben hätten und nach evolutionstheoretischen Modellierungen seit über 100 Millionen Jahren getrennte Wege gehen sollen (Nagy 2018). „Wie kann dieses Ausmaß genetischer Ähnlichkeit mit der phylogenetischen Unregelmäßigkeit der Knöllchenbildung in Einklang gebracht werden?“ fragt Nagy verständlicherweise. Neue Modelle zur Erklärung konvergenter Evolution seien erforderlich, so Nagy (2018). Es müsse ein Szenario zwischen den beiden Extremen „16 malige unabhängige Entstehung“ und „einmalige Entstehung mit vielfachem Verlust geben. Plausibel ist keines dieser Szenarien, sie sind nur logische Schlussfolgerungen bei Voraussetzung von Evolution.

Die Forscher vermuten für die mehrfache Entstehung des NFN-Komplexes eine Prädisposition bei dem gemeinsamen Vorfahren des NFN-Klades, die die weitere unabhängige Evolution der NFN-Symbiose ermöglicht habe. Diese gemeinsame Prädisposition ist aber eine bloße ad-hoc-Mutmaßung, und die weiteren anzunehmenden unabhängigen Schritte zu den NFN sind komplex. Dasselbe gilt für die Annahme einer Co-option (Einbau, Übernahme) passender vorhandener Gene (Griesmann et al. 2019, 5). Für komplexere Konstellationen ist ein solcher Vorgang experimentell nicht nachgewiesen und theoretisch unplausibel außer beim Vorliegen einer programmierten Situation.

Rätselhafter Verlust. Die Daten über die Verteilung von Arten mit NFN legen überraschenderweise nahe, dass die Fähigkeit zur Stickstofffixierung öfter verlorengegangen sei. Dass es zu mehrfachen Verlusten der Symbiose gekommen sein soll, ist angesichts des großen Nutzens dieser Fähigkeit überraschend und recht unverständlich – auch Kulturpflanzen wie Erdbeeren, Brombeeren oder Äpfel sind davon betroffen. Die Forscher stellten fest, dass das für die Wurzelknöllchensymbiose essenzielle NIN-Gen in verschiedenen Linien mehrfach unabhängig voneinander mutiert ist. Die Gründe für den Verlust sind unklar und es können nur Mutmaßungen über mögliche Selektionsdrücke zuungunsten der Symbiose getroffen werden. Diskutiert werden Befall mit parasitischen Bakterien, ein dauerndes Überangebot an Stickstoff oder eine begrenzte Verfügbarkeit von Wasser oder Phosphat für das Pflanzenwachstum.

Fazit. Insgesamt erscheint die Verteilung der Pflanzen mit dem NHN-Komplex für jedes Ursprungsmodell rätselhaft. Die anscheinend unsystematische Verteilung dieses Komplexmerkmals im System der Blütenpflanzen ist für alle Ursprungsmodelle eine Herausforderung. Angesichts der komplexen Abhängigkeiten von Wirt und Symbiont ist eine Entstehung durch ungerichtete evolutionäre Prozesse unplausibel. Das gilt erst recht bei mehrmaliger unabhängiger Entstehung.

Literatur

Braun HB (2012) Warten auf einen neuen Einstein.

Griesmann M, Chang Y, et al. (2018) Phylogenomics reveals multiple losses of nitrogen-fixing root nodule symbiosis. Science 361, eaat1743; doi:10.1126/science.aat1743.

Nagy LG (2018) Many roads to convergence. Science 361, 125-126.

Autor dieser News: Reinhard Junker

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