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28.11.19  Parmastega – neuer erster Vierbeiner?

Der neu entdeckte fossil erhaltene Vierbeiner (Tetrapode) Parmastega weist ein unerwartetes Merkmalsmosaik auf. Unter den gut erhaltenen Tetrapoden ist Parmastega zwar die geologisch älteste Gattung und steht gemäß einer cladistischen Analyse (Stammbaum-Rekonstruktion) an der Basis der Tetrapoden, weist aber mehrere markante Merkmale auf, die einer basalen Position deutlich widersprechen, allen voran ein weitgehend knorpeliges Skelett und ungewöhnlich hochstehende Augen. Das gesamte Merkmalsmosaik passt nicht in bestehende evolutionstheoretische Modellierungen, ist jedoch leichter verständlich, wenn man wie im Rahmen von Schöpfungsmodellen von einer freien Kombinierbarkeit von Merkmalen ausgeht.

Wenn fossile Arten neu entdeckt werden, wird häufig behauptet, sie würden immer wieder die Evolutionstheorie bestätigen oder füllten Lücken im evolutionären Stammbaum. Diese Aussage ist fast trivial, denn wenn man von einem gemeinsamen Stammbaum aller Arten ausgeht, wird jeder Fund automatisch eine Lücke füllen. Die interessantere Frage ist aber, ob neue Fossilien an zuvor erwarteten Stellen im bis dato geltenden Stammbaum eingeordnet werden können. Diese Frage muss bei neuen Funden sehr oft verneint werden. Vielmehr erfordern sie häufig die Hinzunahme eines neuen Astes im hypothetischen Stammbaum. Und nicht selten muss angenommen werden, dass bestimmte Merkmale konvergent entstanden sind, also zwei- oder mehrfach unabhängig, weil das gesamte Merkmalsmosaik der betreffenden Art nicht an eine Stelle des bisherigen Stammbaumes passt, oder es muss eine Rückentwicklung (Reversion) postuliert werden. Solche Fälle, in denen Ähnlichkeiten nicht auf gemeinsame Vorfahren zurückgeführt werden (können), werden unter „Homoplasien“ zusammengefasst. Sowohl das Auftreten von Homoplasien als auch die Notwendigkeit, eine zusätzliche evolutionäre Linie annehmen zu müssen, kann jedoch nicht als „Bestätigung der Evolutionstheorie“ gelten (wenn man umgekehrt auch nicht von Widerlegung sprechen kann).

Man kann immer, egal welche Merkmalsmosaike neue Funde liefern, Cladogramme erstellen; das sind Ähnlichkeitsbäume, die nach bestimmten Vorschriften bzw. Verfahren auf der Basis einer Merkmalsanalyse und der Verteilung von Merkmalen und Merkmalsausprägungen erstellt werden. Bestehende Cladogramme werden durch neue Funde oft umorganisiert. Eine Infragestellung der zugrunde liegenden Evolutionsanschauung ist auf diese Weise methodisch aber nicht möglich. Man kann nur eine Art Gütekriterium anwenden: Je mehr Homoplasien in einem Cladogramm auftreten, desto problematischer ist eine solche Situation für evolutionstheoretische Modellierungen.1

Parmastega. Die geschilderte Situation trifft beispielhaft auf einen neuen Fund eines geologisch alten Vierbeiners (Tetrapoden) zu: den auf 372 Millionen radiometrische Jahre (MrJ) datierten Parmastega aelidae aus dem Oberdevon (unteres Famennium) Russlands (Beznosov et al. 2019). (Bild einer Rekonstruktion hier: https://www.scinexx.de/news/geowissen/aeltester-gut-erhaltener-tetrapode-entdeckt/) Der Fund gilt als das älteste gut erhaltene Fossil eines frühen Tetrapoden; es wurden allerdings deutlich ältere Vierbeiner-Fußspuren (s. u.) und einige geringfügig ältere kleinere Knochenfragmente mutmaßlicher Tetrapoden gefunden, die jedoch keine Rekonstruktionen des Körperbaus ermöglichen. Zu den bisher geologisch ältesten gut erhaltenen Tetrapoden-Fossilien gehören das berühmte Ichthyostega und Acanthostega, die auf 360 MrJ datiert werden.

Von Parmastega wurden mehr als 100 gut erhaltene Knochen vor allem des Schädels und des Schultergürtels gefunden, die von vielen Individuen stammen und aus denen sich ein ca. ein Meter langes Tier rekonstruieren lässt, das wesentliche Merkmale der Tetrapoden im Bereich des Schädels aufwies. Allerdings fällt ein Merkmal des Schädels ziemlich aus dem Rahmen: Auf der Oberseite des Kopfes saßen größere Augen in einer Position, wie man sie bei Krokodilen kennt. Daher vermuten die Forscher, dass Parmastega an der Wasseroberfläche schwamm, ähnlich wie heute die Krokodile, und dort vermutlich auf Beute lauerte. Für seine räuberische Lebensweise spricht sein großes Maul mit spitzen, langen Zähnen.

Anders als bei heutigen Krokodilen war die Position der Nasenöffnung jedoch tief in der Nähe der Kiefer und somit im Wasser, woraus eine Kiemenatmung erschlossen wird. Parmastega besaß in seinem Schädel aber auch ein großes Atemloch (Spiraculum, Spritzloch), was eine Luftatmung ermöglicht haben könnte.

Beine anstelle paariger Flossen wurden allerdings nicht gefunden; ihre Existenz wurde vielmehr aus dem Bau der erhaltenen Teile des Schultergürtels erschlossen (Beznosov et al. 2019). Da die Schultern nur teilweise und Wirbel gar nicht verknöchert waren, glauben die Wissenschaftler, dass Parmastega trotz Besitz von Beinen nicht an Land gehen konnte. Auffällig sei außer der Abwesenheit von Beinknochen auch das Fehlen von Rippen, Wirbeln oder Hüftknochen trotz augenscheinlich guter Erhaltungsbedingungen. Wären diese Skeletteile verknöchert gewesen, wären also auch fossile Reste davon zu erwarten. Die fossile Abwesenheit dieser Skelettteile spreche daher dafür, dass auch diese Skelettelemente nicht verknöchert, sondern knorpelig waren. Wenn Parmastega aufgrund eines relativ weichen Skeletts nicht auf Land gehen konnte, stellt sich allerdings die Frage, wozu unter diesen Umständen Tetrapodenbeine ausgebildet waren. Für ein Leben im Wasser spricht, dass im Bereich des Schädels das Seitenlinienorgan gut ausgebildet war; dieses Organ enthält Sensoren, mit denen Wasserströmungen wahrgenommen werden können.

Insgesamt ist die Lebensweise von Parmastega etwas rätselhaft: Die hochstehenden Augen machen nur Sinn, wenn der Blick über die Wasseroberfläche ging und es eine Interaktion mit der Umgebung auf dem Land gab (Beznosov et al. 2019, 530). Aber was soll Parmastega dort gesucht haben? Da das Tier vermutlich nicht landgangtauglich war, mutmaßen die Forscher, dass es im Wasser gelauert und am Ufer trinkende oder ruhende Beute ins Wasser gezogen haben könnte – ähnlich wie Krokodile das heute tun. Nach gängigen evolutionstheoretischen Vorstellungen gab es aber noch keine größeren Landlebewesen als geeignete Beute (Fröbisch & Witzmann 2019, 494). Die Ausstattung mit großen Reißzähnen spricht jedenfalls klar dafür, dass größere Tiere erbeutet wurden; vielleicht auch am Ufer liegende Kadaver. Hier gibt es offensichtlich noch ein Rätsel zu lösen: Wie war die Fortbewegungsweise von Parmastega wirklich, und gab es wirklich noch keine größeren landlebenden Tiere? Immerhin sind eindeutige Vierbeinerspuren bekannt, die auf bis zu 390 Millionen radiometrische Jahre und somit 18 Millionen Jahre älter als Parmastega datiert werden (Niedzwiedzki et al. 2010; Ahlberg 2018; vgl. Junker 2019).

Evolutionstheoretische Betrachtungen. In der von Beznosov et al. (2019) durchgeführten cladistischen Analyse wird Parmastega an der Basis aller anderen Tetrapoden platziert, allerdings ist diese Position nicht sonderlich stabil und die Auflösung des Cladogramms schwach. Die Position von Parmastega im Cladogrammen wird auf der Basis des gesamten vorliegenden Merkmalsspektrums ermittelt und auf dieser Basis passt sie zu den gegenwärtigen evolutionstheoretischen Vorstellungen. Nimmt man jedoch einzelne Merkmale in Augenschein, ergibt sich ein deutlich anderes Bild: Einen teilweise krokodilartigen Kopf hätte man bei einem frühen Tetrapoden evolutionstheoretisch sicher nicht erwartet. Fröbisch & Witzmann (2019, 494) kommentieren überrascht: „This eye shape and position is surprising because it indicates that this water dweller was looking above the surface of the water.“ Noch rätselhafter finden Beznosov et al. (2019, 530), dass ein größerer Teil des Skeletts knorpelig ausgebildet ist, denn alle näher verwandten Formen – mutmaßliche Vor- und Nachfahren – haben ein gut verknöchertes Skelett2, so dass Parmastega in dieser Hinsicht völlig aus dem phylogenetischen Rahmen fällt.

Der Hirnschädel von Parmastega ist morphologisch zwischen dem von Ichthyostega, von Acanthostega und Ventastega angesiedelt und könnte als hypothetische Ausprägung eines Vorfahren dieser recht verschiedenen Gattungen interpretiert werden, doch eine darauf aufgebaute Phylogenie führt zu einer „nicht-trivialen Homoplasie“ entweder beim Hirnschädel oder bei anderen Teilen des Skeletts (Beznosov et al. 2019, 530), d. h. zu Merkmalswidersprüchen. Beznosov et al. (2019, 530) kommen daher zum Schluss, dass Parmastega phylogenetisch zwar am ehesten an der Basis der gut erhaltenen Tetrapoden steht, jedoch nicht unbedingt charakteristisch für die primitiven Bedingungen für die Gruppe sei.3 Und sie sprechen von „erheblichen morphologischen Homoplasien unter devonischen Tetrapoden“ (S. 530f.).

Damit erweist sich Parmastega als ausgeprägte Mosaikform, die keineswegs eine bisher bestehende Lücke im Stammbaum füllt, sondern eher neue Lücken aufreißt und evolutionstheoretisch als weitere Seitenlinie angesehen werden muss. Das gilt auch, weil wie oben erwähnt viel älter datiere eindeutige Tetrapoden-Fußspuren bekannt sind. Auch daher scheidet Parmastega genauso wie andere frühe Tetrapoden als evolutionäre Übergangsform aus. Allem Anschein nach war Parmastega  adaptiv für eine bestimmte Lebensweise optimiert und nicht „auf dem Weg zu irgendetwas“ (eine Formulierung von Ahlberg 2018, der dies über die den Tetrapoden nahe stehenden Elpistostegiden sagt). Fröbisch & Witzmann (2019, 495) kommentieren: „Diese Entdeckung erinnert uns auch daran, dass im nächsten spannenden Kapitel dieser Detektivgeschichte noch viel zu lernen bleibt.“4

Das Merkmalsmosaik von Parmastega passt besser zur Vorstellung einer freien Kombinierbarkeit von Merkmalen bzw. Merkmalskomplexen und zu netzförmigen Ähnlichkeitsbeziehungen, die aus einer Schöpfungsperspektive leichter verständlich sind. Dagegen haben stammesgeschichtliche Rekonstruktionen mit Parmastega mit weiteren teils schwerwiegenden Homoplasien zu kämpfen, was nicht den evolutionstheoretischen Erwartungen entspricht (vgl. Anmerkung 1).

Literatur

Ahlberg PE (2018) Early Vertebrate Evolution. Follow the footprints and mind the gaps: a new look at the origin of tetrapods. Earth Environ. Sci. Trans. R. Soc. Edinb., 1–23. doi:10.1017/S1755691018000695

Beznosov PA, Clack JA, Lukševičs E, Ruta M & Ahlberg PD (2019) Morphology of the earliest reconstructable tetrapod Parmastega aelidae. Nature 574, 527-531.

Fröbisch NB & Witzmann F (2019) Early tetrapods had an eye on the land. Nature 574, 494-495.

Junker R (2019) Entstehung der Vierbeiner – doch kein glatter Übergang. Stud. Integr. J. 26, 106-108.

Niedzwiedzki G, Szrek P, Narkiewicz K, Narkiewicz M & Ahlberg PE (2010)  Tetrapod trackways from the early Middle Devonian period of Poland. Nature 463, 43-48.

Anmerkungen

1 Der Grund dafür ist: Bei der Erstellung von Cladogrammen soll die Anzahl der anzunehmenden Konvergenzen bzw. Homoplasien minimiert werden, weil Homoplasien als evolutionstheoretisch unwahrscheinlich gelten. Cladogramme werden auf der Basis gemeinsamer abgeleiteter („höherentwickelter“)  Merkmale erstellt, die als Marker für gemeinsame Vorfahren verwendet werden. Dese werden als Synapomorphien bezeichnet. Wenn Synapomorphien genauso wahrscheinlich wären wie Homoplasien, könnten cladistische Analysen gar nicht stammesgeschichtlich interpretiert werden.

2 „Even more puzzling is the fact that this poorly ossified postcranial skeleton is apomorphic: elpistostegids are well-ossified, as are the majority of tetrapodomorph fishes.“

3Parmastega is phylogenetically the least-crownward of all of the non-fragmentary tetrapods, but it is not necessarily representative of the primitive conditions for the group.“

4 „This discovery also reminds us that much still remains to be learnt in the next gripping chapter of this detective story.“

Autor dieser News: Reinhard Junker

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