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23.08.19  Totes Meer: Neuer Mechanismus zur Entstehung von Salzablagerungen beschrieben

Die Bedingungen und Prozesse, die zur Entstehung mächtiger Salzlager wie des Norddeutschen Beckens (< 1000 m mächtig, Zechstein) oder der Mittelmeer-Region (> 1000 m mächtig, Miozän) führten, sind nicht hinreichend bekannt. Als modernes Analogon für hypersaline (=Salzgehalt größer 50 g/l; die Definition ist allerdings nicht einheitlich) Ablagerungsbereiche, die mächtige Salzlager hervorbrachten, schlagen Arnon et al. (2016) und Ouillon et al. (2019) den aktuellen Salzbildungsprozess im Toten Meer vor. Dort werden die Salzausfällungen dynamischen kleinskaligen Vermischungsprozessen im Grenzbereich von Oberflächenwasser zu Tiefenwasser zugeschrieben.

Von Michael Kotulla

Beobachtung und Mechanismus

Das Tote Meer (Nordteil) ist ein einzigartiges Seebecken auf der Erde: es ist hypersalin (etwa 277 g/kg; Salz zu Salzwasser), tief (bis 280 m), relativ groß (Oberfläche > 600 km2) und weist aktuell eine Salz-Produktions- bzw. -akkumulationsrate von etwa 10 cm/Jahr auf (errechnet, entspricht etwa 220 kg/m2/Jahr) (Lensky et al. 2005, Sirota et al. 2018).

Seit den 1980er-Jahren – verbunden mit einer Abnahme des Frischwasserzuflusses – haben sich die Zustände im Toten Meer verändert. Reihenmessungen der Jahre 2013 bis 2015 in Tiefen von 10 und 50 m haben ergeben, dass sich periodisch – d. h. im Sommer – eine thermohaline Schichtung einstellt. Dabei liegt ein wärmeres und salzigeres Oberflächenwasser (Epilimnion) mittelbar (über eine Sprungschicht, Metalimnion; etwa in 20-30 m Tiefe) einem relativ kühleren und salzärmeren Tiefenwasser (Hypolimnion) auf  (Arnon et al. 2016). Da das Tiefenwasser eine höhere Dichte hat, dürfte – statisch betrachtet – kein Austausch zwischen Oberflächenwasser und Tiefenwasser geschehen. Allerdings ist zu beobachten, dass sich im obersten Teil des Tiefenwassers und darunter Salzkristalle (Präzipitate) bilden, die in größerer Menge wie Schnee zu Boden sinken (Video 1; s. u.).

Arnon et al. (2016) schlugen folgenden Austausch- und Ausfällungsmechanismus vor: „Finger“ aus Salz-gesättigtem Oberflächenwasser, die in das Tiefenwasser absinken, kühlen ab und fällen dabei Salzkristalle aus. „Finger“ aus dem Tiefenwasser, die in das Oberflächenwasser aufsteigen, nehmen Wärme auf, werden dadurch Salz-untersättigt und haben dann das Potential, Steinsalz aufzulösen. Dieser Vermischungsprozess wird als diapyknischer (=Transport senkrecht zu den Flächen konstanter Dichte (Isopyknen)) doppeldiffusiver Fluss (double diffusion diapycnal flux) bezeichnet, eine „Salzfingerkonvektion“. Mit einer Simulation konnten Ouillon et al. (2019) nun die Diffusionsprozesse bestätigen (Video 2, s. u.). Es sind wohl geringste Turbulenzen im See, die durch Wellen oder andere Bewegungen verursacht werden, die zu einer Instabilität des Grenzbereiches (Metalimnion) führen und die Diffusionsprozesse in Gang setzen bzw. halten (AGU 2019). Physisch sind die mutmaßlich millimeter- bis zentimetergroßen Salzfinger allerdings noch nicht registriert worden, z. B. mit einer optischen Sonde.

Bildung mächtiger Salzlager

Das dokumentierte „Herabschneien“ der Salzkristalle ist beeindruckend (Video 1). Ob der beschriebene Mechanismus, der einem periodischen, sensiblen Gleichgewichtszustand zu Grunde liegt, für eine großskalige Steinsalz-Produktion und -Sedimentation infrage kommt, ist sehr fraglich. Im Falle des mittelmeerischen Salzgiganten handelt es sich um eine Fläche von etwa 1 Million km2 und einem Volumen von > 1 Million km3. Die aktuelle Tote-Meer-Situation basiert auf Entzug von Wasser (Evaporation). Bei einer großskaligen Produktion bedarf es aber wohl hauptsächlich einer (externen) Zufuhr von hochkonzentriertem Salzwasser (Salzsolen), z. B. durch hydrothermale Wasser. Dabei ist vorstellbar, dass in hochproduktiven Phasen die durchschnittliche Sedimentationsrate in der Größenordnung von Zentimetern pro Stunde gelegen haben könnte – vergleichbar mit Schneeakkumulationen extrem starker und anhaltender Schneefallereignisse (Kotulla 2017).

Literatur

AGU (2019) New study solves mystery of salt buildup on bottom of Dead Sea. Pressemitteilung vom 1. Juli 2019. https://news.agu.org/press-release/new-study-solves-mystery-of-salt-buildup-on-bottom-of-dead-sea/

Arnon A, Selker JS & Lensky NG (2016) Thermohaline stratification and double diffusion diapycnal fluxes in the hypersaline Dead Sea. Limnology and Oceanography 61, 1214-1231.

Kotulla M (2017) Salzlagerstätten: War das Mittelmeer einst ausgetrocknet? Studium Integrale Journal 24, 22-30. http://www.wort-und-wissen.de/sij/sij241/sij241-3.pdf

Lensky NG, Dvorkin Y, Lyakhovsky V, Gertman I & Gavrieli I (2005) Water, salt, and energy balances of the Dead Sea. Water Resources Research 41, 1-13.

Ouillon R, Lensky NG, Lyakhovsky V, Arnon A & Meiburg E (2019) Halite precipitation from double-diffusive salt fingers in the Dead Sea: Numerical simulations. Water Resources Research 55, 4252-4265.

Sirota I, Enzel Y & Lensky NG (2018). Halite focusing and amplification of salt layer thickness: From the Dead Sea to deep hypersaline basins. Geology 46, 851-854.

Video

Video 1: „Halite settling along the Dead Sea water column“ (0:52 Min., mit englischer Bildbeschiftung) unter https://www.youtube.com/watch?v=LYw4FjduZFo&feature=youtu.be

Video 2: „Why is the Dead Sea so salty?“ (2:27 Min., in Englisch) unter https://www.youtube.com/watch?v=qIipINltwUk

Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen

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