21.02.18 Caihong – ein Konkurrent für den „Urvogel“?
Erstmals wurde ein gefiederter Dinosaurier entdeckt, der nicht nur älter datiert wird als der „Urvogel“ Archaeopteryx, sondern auch asymmetrische Flugfedern besaß. Damit hat Archaeopteryx den Status als ältestes Fossil auch in Bezug auf dieses Merkmal verloren. Die Merkmalskombination der neu beschriebenen Gattung Caihong ist dennoch evolutionstheoretisch – einmal mehr – unerwartet, füllt keine evolutionäre Lücke und vergrößert die im Oberjura überlieferte Vielfalt gefiederter Formen.
Die Serie interessanter Fossilfunde von gefiederten Formen – seien es Vögel oder Dinosaurier mit Federn – reißt nicht ab. Erneut wurde über einen Fund mit unerwarteten Mosaikmerkmalen berichtet. Bisher war der berühmte Archaeopteryx das stratigraphisch älteste Fossil, bei dem asymmetrische, flugtaugliche Federn nachgewiesen worden waren. Nachdem schon seit einigen Jahren ältere Formen mit symmetrischen Federn bekannt sind (Anchiornis, Eosinopteryx), wurde mit der Gattung Caihong nun erstmals eine Gattung entdeckt, die auch bezüglich der Asymmetrie flächiger Federn den bisherigen Altersrekord überbietet (Hu et al. 2018). Aus evolutionstheoretischer Sicht sollte man unter den Fossilien, die stratigraphisch älter sind als Archaeopteryx, Formen mit einfacheren Federtypen finden. Solche sind auch bekannt: Einfache haar- oder flaumartige Köperanhänge, die als Federn interpretiert werden, sind bei zahlreichen Theropoden-Dinosauriern überliefert – doch diese Gattungen sind fast durchweg jünger als die echt gefiederten Formen aus dem Oberjura und selten etwa gleich alt. Viele Gattungen mit Flaumbesatz sind sogar deutlich jünger (Unter- oder Oberkreide). Daher eignen sich alle diese Formen aufgrund ihrer stratigraphischen Position nicht als Vorstufen von Formen mit echter Fiederung.
Caihong juji – „Regenbogen mit großem Kamm“ – wurde in den Yanliao-Biota des unteren Oberjura Nordostchinas (Oxfordium, 161 Millionen radiometrische Jahre) gefunden und erhielt seinen Namen wegen mutmaßlich schillernder Federn und auffälligen Kammstrukturen (vermutlich Ornamente) auf den Tränenbeinen (Ossa lacrimales; diese liegen bei Theropoden-Dinosauriern direkt vor und über den Augenhöhlen). Es handelt sich um einen zweibeinigen Räuber mit scharfen Zähnen. Sein Wadenbein ist kurz – eine Besonderheit, die Caihong von verwandten Formen der Paraves (mit den Vögeln nächstverwandte Formen) unterscheidet. Mit ca. 40 cm Länge war das Tier etwa so groß wie eine Ente. Die Vorderextremitäten sind relativ zu den Hinterextremitäten kurz (deutlich kürzer als bei verwandten Formen), während das Längenverhältnis Unter-/Oberarm typisch für heutige Vögel ist (Hu et al. 2018, 2). Der längliche, schmale Schädel weist einige sogenannte autapomorphe (abgeleitete, spezielle) Merkmale auf wie z. B. einige Schädelöffnungen und die erwähnten Knochenkämme. Caihong unterscheidet sich somit insgesamt deutlich von nächstverwandten Formen.
Die Arm- und Fußfedern sowie Deckfedern und Schwanzfedern sind ungewöhnlich lang und länger als beim gleich alten Anchiornis. Die Schwanzfedern haben asymmetrische Federfahnen und bilden eine größere Schwanzfläche als die Federn von Archaeopteryx. Möglicherweise bildeten Federn am Daumen eine Art Alula (Daumenfittich), ein aerodynamisch wichtiges „modernes“ Merkmal. Die recht vielfältige Kombination von Federmerkmalen bei Caihong war bisher nicht bekannt und könnte auf einen besonderen Flugstil hinweisen. Die mögliche Ausbildung einer Alula würde aufgrund der unsystematischen Verteilung dieses Merkmals unter den Paraves eine konvergente (mehrfach unabhängige) Entstehung erfordern (Hu et al. 2018, 8).
In den Federresten wurden als Melanosomen interpretierte, unterschiedlich ausgeprägte Nanostrukturen gefunden. Sie gleichen solchen Strukturen in heutigen Federn, die dunkle und helle schillernde Farben hervorrufen; teilweise erinnern sie an Strukturen, wie sie bei hell schillernden Federn von Kolibris bekannt sind; es fehlen ihnen aber die Luftbläschen, mit denen die Melanosomen der Kolibri-Federn ausgestattet sind.1
Diskussion. Den ungewöhnlichen Merkmalsmix vom Caihong interpretieren Hu et al. (2018) als Folge einer schnellen Merkmalsevolution mit einer erheblichen Vielfalt in Signalgebung und Fortbewegungsstrategien in der Nähe des Ursprungs der Vögel.2 Die Evolution der Federn und besonderer Merkmale der Federn sei schneller verlaufen als die Evolution anatomischer Merkmale. Dabei handelt es sich um eine typische Formulierung zur Deutung eines Befundes, der evolutionstheoretisch unerwartet ist. Denn „schnelle Merkmalsevolution“ entspricht weder evolutionstheoretischen Vorstellungen noch sind dafür plausible Mechanismen bekannt. Der Befund ist: Formen mit unterschiedlichen Merkmalsmosaiken tauchen relativ plötzlich auf; es gibt überraschend viele verschiedene Gefiederausprägungen und anstelle einfacherer Federtypen im Vergleich zu Archaeopteryx mit dessen unbestritten „moderner“ Federform tauchen unter den Formen, die stratigraphisch älter sind als Archaeopteryx, neue Mosaike auf. Caihong füllt keine evolutionstheoretische Lücke, sondern vergrößert die Formenvielfalt der im Oberjura fossil überlieferten gefiederten Gattungen. Die äußert sich in recht großen Unsicherheiten der rekonstruierten Verwandtschaftsverhältnisse und je nach Untersuchung unterschiedlichen Cladogrammen der basalen Paraves.
Hu et al. (2018, 9) äußern die Idee, dass die schillernden Federn knöcherne Ornamente in der Signalgebung abgelöst haben könnten3, doch ist Caihong dafür kein passender Kronzeuge, da diese Gattung beide Optionen in sich vereinigt. Solche Knochenornamente sind sonst bei vielen Dinosauriern bekannt, nicht aber in der näheren Verwandtschaft von Caihong, was den Mosaikcharakter dieser Gattung weiter unterstreicht.
Anmerkungen
1„Although Caihong’s platelet-like structures are most similar in shape to hummingbird melanosomes of the included taxa (…), the interior of hummingbird melanosomes is pitted with air bubbles (…) while the fossilized structures show no evidence of hollowness“ (Hu et al. 2018, 9).
2 The new species indicates the presence of bony ornaments, feather colour and flight-related features consistent with proposed rapid character evolution and significant diversity in signaling and locomotor strategies near bird origins“ (Hu et al. 2018, 1).
3 Integumentary structures may largely replace the signalling role of bony features close to the origin of aerial locomotion“ (Hu et al. 2018, 9).
Literatur
Hu D, Clarke JA, Eliason CM, Qiu R, Li Q, Shawkey MD, Zhao C, D’Alba L, Jiang J & Xu X (2018) A bony-crested Jurassic dinosaur with evidence of iridescent plumage highlights complexity in early paravian evolution. Nat. Comm. 9:217. Autor dieser News: Reinhard Junker Informationen über den Autor
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