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22.03.17  Mosaikform der Gegenvögel passt erneut nicht ins evolutionäre Bild

Erneut wurde eine fossile Vogelgattung mit einem ungewöhnlichen Merkmalsmosaik entdeckt. Die zu den Gegenvögeln (Enantiornithes) gestellte Art Cruralispennia multidonta besitzt auch Merkmale, die typisch sind für die andere große Vogelgruppe aus der Kreide, den Ornithurae („Vogelschwänze“). Obwohl Cruralispennia eine abgeleitete Stellung unter den Gegenvögeln einnimmt und nicht als Übergangsform deutbar ist, gehört diese Gattung nach Archaeopteryx zu den ältesten Vögeln – eine „stratigraphisch-phylogenetische Diskrepanz“ (Wang et al. 2017).

Einleitung. In den letzten 30 Jahren wurden ungewöhnlich viele fossile Gattungen von Vögeln in den geologischen Schichten der Unterkreide entdeckt. Nach dem berühmten oberjurassischen Urvogel Archaeopteryx gehören diese Formen zu den stratigraphisch ältesten Gattungen. Die meisten von ihnen lassen sich zwei deutlich unterscheidbaren Gruppen zuordnen, den sogenannten Gegenvögeln (Enantiornithes) und den „Vogelschwänzen“ (Ornithurae). Letztere haben ihren Namen daher, dass sie wie heutige Vögel eine kurze Schwanzwirbelsäule mit einem Pygostyl besaßen (das sind mehrere verschmolzene Schwanzwirbel), an dem ein Fächerschwanz ansetzt. Dagegen besaßen Archaeopteryx und einige andere Gattungen von „Urvögeln“ eine lange Schwanzwirbelsäule und entsprechend einen Fiederschwanz.

Wie so oft zeigt sich auch bei den Vögeln der Unterkreide, dass mit der Zunahme von Funden mögliche Abstammungsverhältnisse nicht klarer werden, sondern immer schwieriger zu rekonstruieren sind. Die Anzahl der evolutionstheoretisch anzunehmenden Konvergenzen von wichtigen Merkmalen nimmt zu, so dass sich Merkmalswidersprüche häufen. Das heißt es muss mehrfache Entstehung weitgehend baugleicher Merkmale angenommen werden – evolutionstheoretisch problematisch.

Der neue Fund. Ein jüngst beschriebener Fund aus der Huajiying-Formation Nordwestchinas (Unterkreide, 131 Millionen radiometrische Jahre), der aufgrund zahlreicher anatomischer Merkmale zu den Gegenvögeln gestellt wurde (Wang et al. 2017, 6), trägt weiter zu diesen Merkmalswidersprüchen bei. Die Huajiying-Formation ist die geologisch älteste Schicht, in der fossile Vögel geborgen wurden, nur übertroffen vom fränkischen Oberjura mit seinen Archaeopteryx-Fossilien. Der neue Fund wurde aufgrund seiner ungewöhnlich befiederten Beine Cruralispennia genannt (crus = Schenkel, pennae = Federn). Außerdem handelt es sich trotz seines geologischen Alters um eine abgeleitete („höherentwickelte“) Form. Das heißt: Sie steht gemäß phylogenetischer Analysen nicht im Bereich der Basis der Gruppe, sondern tief eingeschachtelt weiter oben im Dendrogramm (Ähnlichkeitsbaum). Nach Auffassung der Bearbeiter ist dies „unerwartet“ (Wang et al. 2017, 1), weil evolutionär an der Basis einer Gruppe natürlich mit „primitiven“ Formen gerechnet wird. Die Autoren sprechen von einer „stratigraphisch-phylogenetischen Diskrepanz“ (Wang et al. 2017, 7).

Besonders überraschend ist der Besitz eines pflugförmigen Pygostyls, dessen Form für Ornithurae typisch ist (Gegenvögel haben sonst ein längliches Pygostyl).1 Wang et al. nehmen an, dass es konvergent zu den Ornithurae entstanden ist, was die homoplastische Natur der frühen Vogelevolution aufzeige. (Homoplasie ist ein Sammelbegriff für Konvergenzen, Parallelismus und Rückentwicklungen.) Ebenfalls bisher nicht bekannt unter den Gegenvögeln der Unterkreide war die Ausbildung eines extrem schlanken Coracoids (Rabenbein) bei Cruralispennia; bisher war diese Form des Coracoids nur bei Formen aus der Oberkreide bekannt. Übergangsformen zwischen Formen mit Fiederschwanz und den Pygostylia sind nicht bekannt (Wang et al. 2017, 8).2

Ungewöhnlich sind auch die bereits erwähnten Federn an den Schenkeln, die im körpernahen Bereich drahtartig sind und distal fädige Spitzen besitzen. Diese Federform war bisher unbekannt und erweitert das ohnehin bereits reichhaltige Spektrum von Federformen bei frühen Vögeln, das die Vielfalt heutiger Federtypen noch übersteigt.  Wang et al. bezeichnen sie als als „PWFDTs“ – „proximally wire-like part with a short filamentous distal tip“. Ansonsten ist fast das ganze Skelett von verkohlten Federresten umgeben, neben haarartigen Körperfedern sind auch flächige asymmetrische Schwungfedern erhalten.

Auffällig ist schließlich der Besitz von 14 Zähnen auf dem Dentale, was den Artnamen C. multidonta motiviert hat. Fast alle Gegenvögel besitzen weniger Zähne (einzige Ausnahme ist Eopengornis mit 12-14 Zähnen). Interdentalplatten (dreieckige Zwischenzahnwände), wie sie bei Archaeopteryx und theropoden Dinosauriern und z. T. auch bei anderen Sauriern  bekannt sind, wurden nicht nachgewiesen. Histologische Befunde an den Knochen deuten darauf hin, dass Cruralispennia schnell wuchs und vermutlich binnen eines Jahres ausgewachsen war; für die Gegenvögel ein weiteres ungewöhnliches, als abgeleitet interpretiertes Merkmal.

Der neue Fund trägt zum Bild eines plötzlichen fossilen Erscheinens einer erheblichen Formenvielfalt in der Unterkreide bei. Auch unter den Ornithurae (ebenfalls Unterkreide) findet sich eine abgeleitete Gattung – Archaeornithura – ausgerechnet unter den geologisch ältesten Formen (vgl. Wang et al. 2015; Der älteste „echte“ Vogel: überraschend modern).

Literatur

Wang M (2015) et al. The oldest record of ornithuromorpha from the early cretaceous of China. Nat. Comm. 6:6987, doi: 10.1038/ncomms7987

Wang M, O’Connor JK, Pan Y & Zhou Z (2017) A bizarre Early Cretaceous enantiornithine bird with unique crural feathers and an ornithuromorph plough-shaped pygostyle. Nat. Comm. 8:14141, doi: 10.1038/ncomms14141

Anmerkungen

1„Although detailed features are obscured by compression and two-dimensional preservation, the general shape of the pygostyle of Cruralispennia is indistinguishable from that of ornithuromorphs, particularly with regards to the upturned distal end“ (Wang et al. 2017, 8).

2 „Unfortunately, little is known about this dramatic transition, and it is unclear when this feature evolved.“

Autor dieser News: Reinhard Junker

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