02.02.17 Urvogel Confuciusornis unerwartet „modern“
Der „Konfuzius-Vogel“ – Confuciusornis sanctus – gehört aufgrund zahlreicher fossiler Funde zu den am besten bekannten Vögeln der Unterkreide und nach Archaeopteryx auch zu den stratigraphisch ältesten. Neue Untersuchungstechniken brachten neue Einsichten in die Weichteilanatomie des Flugapparats. Confuciusornis war demnach ein besserer Flieger als bisher gedacht – angesichts der zahlreichen Anforderungen an aktiven Flug ist das letztlich nicht überraschend.
Die Vogelgattung Confuciusornis gehört nach dem berühmten oberjurassichen „Urvogel“ Archaeopteryx zu den stratigraphisch (=die geologische Schichtenfolge betreffend) ältesten Vögeln. Im Jahr 1995 wurden gut erhaltene fossile Exemplare dieser Gattung in großer Zahl in Süßwasserablagerungen der unteren Kreide im Nordosten Chinas gefunden. Während manche Merkmale (z. B. Becken, Finger, Schädel mit zwei Schläfenfenstern) als „ursprünglich“ eingestuft werden, besaß Confuciusornis – anders als Archaeopteryx und viele andere „Urvögel“ – einen Hornschnabel und eine Reihe weiterer „fortschrittlicher“ Merkmale. So hatte er keinen langen, reptilienähnlichen Schwanz, sondern wie heutige Vögel ein Pygostyl (mehrere verschmolzene Schwanzwirbel), an dem die Schwanzfedern fächerförmig ansitzen. Bei einigen Exemplaren ist auf dem Brustbein ein niedriger Kiel in der hinteren Hälfte zu erkennen; das Rabenbein ist ähnlich wie bei heutigen Vögeln lang und strebenförmig. Wie bei heutigen Vögeln dürften Ellbogen- und Handwurzelgelenk mechanisch gekoppelt gewesen sein, was ebenso wie das gut ausgebildete Federkleid mit asymmetrischen Flugfedern für eine Fähigkeit zu aktivem Flug spricht.
Die Lebensweise und die Art der Flugfähigkeit von Confuciusornis wurden dennoch kontrovers diskutiert (Wang et al. 2011, 1229). Peters & Ji (1998) hielten den Konfuzius-Vogel wegen der großen Schwingen für einen ausdauernden Segler; ob Confuciusornis klettern konnte, war bisher ebenfalls umstritten (z. B. Feduccia 2001, 143; Chiappe et al. 1999, 1). Nudds & Dyke (2010) hatten eine Studie veröffentlicht, wonach die Schäfte der Federn von Confuciusornis zu schwach für eine Tauglichkeit zu aktivem Flug gewesen seien, doch ihre Schlussfolgerungen wurden wegen methodischer Fehler zurückgewiesen (Paul 2010; Longrich et al. 2012; Lingham-Soliar 2015).
Neue Einsichten zu diesen Fragen und weitere Erkenntnisse über die Flug- und Kletterfähigkeit brachten nun Untersuchungen mit Laser-unterstützter Fluoreszenzmikroskopie (Falk et al. 2016). Damit konnten bisher unbekannte Details der Weichteilanatomie (Bänder, Muskeln, Sehnen) gewonnen werden. Sie zeigen, dass Confuciusornis „moderner“ gebaut war als bisher angenommen. Die Autoren stellen fest, dass Confuciusornis „eine Reihe relativ moderner Weichgewebe-Strukturen besaß, die fortschrittlicher waren als erwartet werden konnte“ (Falk et al. 2016, 6).1 Außerdem konnten gut entwickelte und widerstandsfähige Flughäute (Pro- und Postpatagium an Innen- und Außenseite der Flügel) nachgewiesen werden, was laut Falk et al. enormen Auftrieb ermöglicht haben müsse und zusammen mit den robusten Federschäften für die Fähigkeit zum aktiven Flug spreche. Die Autoren schließen unter evolutionstheoretischen Voraussetzungen, dass das Flughautsystem früh entstand und ein gemeinsames Merkmal (Synapomorphie) aller Vögel sein könnte (Falk et al. 2016, 8).2
Auch zur Flügelform konnten neue Erkenntnisse gewonnen werden; diese sei einzigartig gewesen, folgern Falk et al. aus dem erhaltenen Federkleid. Die Breite des Flügels unterstreiche einen anderen Flugstil als bisher angenommen und sei typisch für Vögel, die in einem dicht bewachsenen Lebensraum vorkommen und daher ein hohes Maß an Manövrierbarkeit benötigen, oder auch für Segler. Sie schließen aus der Flügelstreckung (aspect ratio), dass Confuciusornis in seinem Lebensraum eher Manövrierbarkeit als Geschwindigkeit benötigte.3
Netzförmige Schuppen auf den Beinen, kräftige Fingerpolster und stark gebogene Klauen an den Zehen unterstützen nach Falk et al. nachhaltig die Rekonstruktion als baumlebender Vogel. Die netzförmigen Schuppen sind mehr abgerundet als schildförmig, was die Flexibilität der Zehen verbessert.
Aus den neuen Befunden schließen die Forscher insgesamt, dass Confuciusornis Kurzstrecken gut fliegen konnte und dass dieser Urvogel viele relativ „fortschrittliche“ („advanced“) vogeltypische anatomische Merkmale besaß. Insgesamt war der Konfuzius-Vogel also keinesfalls primitiv, weshalb die Autoren evolutionstheoretisch mutmaßen, dass seine modernen Merkmale viel früher als bisher angenommen entstanden sein müssten; ältere Gesteinsschichten könnten vielleicht entsprechende Antworten über Vorstufen bringen.4
Erst kürzlich waren bei einem anderen Vogel aus Schichten der Unterkreide ebenfalls Weichteilmerkmale identifiziert worden, die als überraschend modern charakterisiert wurden und für eine sehr gute Flugfähigkeit sprechen (Navalón et al. 2015), so dass auch in diesem Fall eine Revision bezüglich der Flugfähigkeit vorgenommen wurde: Die Gegenvögel, zu welchen der Fund gerechnet wird, werden nun als gute Flieger angesehen. (Vgl. Alte Vögel mit moderner Flugkunst)
Diese Befunde und Interpretationen sind letztlich aber nicht überraschend. Der Besitz asymmetrischer Federn wie bei Confuciusornis und anderen Vögeln aus Kreideschichten macht nur Sinn, wenn die betreffenden Arten flugfähig wären; dafür aber benötigen sie zugleich auch eine ausgefeilte passende Weichteilanatomie. Flugfähigkeit erfordert einen Komplex an Merkmalen und Fähigkeiten – vom geeigneten „Baummaterial“ für die Federn bis zum Verhalten mit den dafür erforderlichen Gehirnleistungen und Rückkopplungsmechanismen. Eine schrittweise Entstehung einer Grundausstattung ist hier kaum denkbar. Die neuen Daten zu Confuciusornis bestätigen diese Sicht.
Literatur
Chiappe LM, Ji SA, Ji Q & Norell MA (1999) Anatomy and systematics of the Confuciusornithidae (Theropoda, Aves) from the late Mesozoic of northeastern China. Bull. Amer. Mus. Nat. Hist. 242, 1-89.
Falk AR, Kaye TG, Zhou Z & Burnham DA (2016) Laser fluorescence illuminates the soft tissue and life habits of the Early Cretaceous bird Confuciusornis. PLoS ONE 11(12): e0167284. doi:10.1371/journal.pone.0167284
Feduccia A (2001) The problem of bird origins and early avian evolution. J. Ornithol. 142 Sonderheft 1, 139-147.
Hou, L, Zhou Z, Gu Y & Zhang H (1995a) Confusiusornis sanctus, a new late Jurassic sauriurine bird from China. Chinese Sci. Bull. 40, 1545-1551.
Hou L, Zhou Z, Martin, LD & Feduccia A (1995b) A beaked bird from the Jurassic of China. Nature 377, 616-618.
Lingham-Soliar T (2014) Feather structure, biomechanics and biomimetics: the incredible lightness of being. J. Ornithol. 155, 323-336.
Longrich NR, Vinther J, Meng Q, Li Q & Russell AP (2012) Primitive wing feather arrangement in Archaeopteryx lithographica and Anchiornis huxleyi. Curr. Biol. 22, 2262-2267.
Navalón G, Marugán-Lobón J, Chiappe LM, Sanz JL & Buscalioni A (2015) Soft-tissue and dermal arrangement in the wing of an Early Cretaceous bird: Implications for the evolution of avian flight. Sci. Rep. 5:14864.
Paul GS (2010) Comment on „Narrow Primary Feather Rachises in Confuciusornis and Archaeopteryx Suggest Poor Flight Ability“. Science 330, 320b.
Peters D & Ji Q (1998) The diapsid temporal construction of the Chinese fossil bird Confuciusornis. Senckenbergiana lethaea 78, 153-155.
Wang X, Nudds RL & Dyke GJ (2011) The primary feather lengths of early birds with respect to avian wing shape evolution. J . Evol. Biol. 24, 1226-1231
Originalzitate
1 „This new information indicates that Confuciusornis has a suite of relatively modern soft tissue structures that are more advanced than may be expected.“
2 „This suggests that the patagial system in birds developed early in their evolution and, when available for study, may be a uniting synapomorphy. … The extensive and robust propatagium in Confuciusornis would have generated a large amount of lift.“
3 The wider, broader wing in Confuciusornis confirms a flight style different than previously suggested (see [6]) (Fig 6). Wide, broad wings are found in 1) birds that live in a densely vegetated area requiring high maneuverability and 2) broad-winged soaring birds such as hawks and vultures. … implies Confuciusornis required more maneuverability and stability than speed in flight“ (FALK et al. 2016, 6). „The aspect ratio of Confuciusornis is between 6.4 (including tertial feathers) and 7.7 (excluding tertial feathers), indicates that it was not a dynamic soarer (e.g., seabirds), long-distance migrant (e.g., shorebirds), or a long-duration fast flyer (FALK et al. 2016, 6f.).
4 „If Confuciusornis, a primitive bird quite basal on the avian tree (e.g. see [39]), possessed a suite of characters so modern, it suggests that these features arose much earlier than perhaps previously implied. If that is so, then earlier rocks may contain the answers to many questions about the origin and early evolution of birds“ (FALK et al. 2016, 13). Autor dieser News: Reinhard Junker Informationen über den Autor
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