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21.06.16  Birkenspanner, Melanismus und springende Gene

Durch Analyse des Erbguts des berühmten Birkenspanners (Biston betularia) und den Vergleich mit dem Genom des Seidenspinners (Bombyx mori) kann das Lehrbuchbeispiel des Melanismus besser verstanden werden. Die dunklen und hellen Erscheinungsformen des Spanners werden durch sogenannte „springende Gene“ verursacht. Die Untersuchungen deuten darauf hin, dass sich die genetische Veränderung erst kurz vor dem auffällig häufigen Vorkommen der dunklen Varianten ereignet hat.

Der Birkenspanner (Biston betularia) ist ein häufig verwendetes Lehrbuchbeispiel dafür, wie aufgrund von Umweltbedingungen unterschiedliche Erscheinungsformen von Lebewesen (Morphen oder Phänotypen) selektiert werden können. Die hellen und dunklen Morphen von B. betularia können z.B. von Fressfeinden auf hellem bzw. dunklem Untergrund unterschiedlich gut wahrgenommen und erbeutet werden. Obwohl der Einfluss und die Reichweite von Selektionsfaktoren bis in die Gegenwart kontrovers diskutiert werden, ist hinreichend belegt, dass Vögel als Fressfeinde die Häufigkeitsverteilung der Birkenspanner in Abhängigkeit des entsprechenden Untergrundes beeinflussen.  

Die genetischen Grundlagen für das Auftreten verschiedener Phänotypen von B. betularia sind bisher  allerdings erst in Ansätzen bekannt. Van´t Hof et al. (2011) konnten den Ort der genetischen Ursache für das Auftreten der dunklen Morphe durch einen Vergleich mit dem Seidenspinner (Bombyx  mori) anhand von genetischen Markern auf dem Chromosom 17 auf einen Bereich von 200 Kilobasen (kb) eingrenzen. Die Autoren interpretierten die empirischen Befunde als Beleg dafür, dass  ein Allel (Genvariante), das vor nicht langer Zeit („recent“) erstmals aufgetreten ist, für die dunklen Birkenspanner verantwortlich ist. Sie konnten damals zwar die Korrelation des Bereichs im Genom mit der farblichen Veränderung belegen, aber es war kein genetischer  Zusammenhang mit der Melaninproduktion, also der Erzeugung des dunklen Pigments, erkennbar.

In einer neuen Untersuchung (Van´t Hof et al. 2016) konnte nun nachgewiesen werden, dass die dunklen B. betularia-Formen durch ein springendes Gen (Transposon) verursacht werden. In diesem Fall haben die Autoren ein Transposon der Klasse II identifiziert, also einen mobilen DNA-Abschnitt, der seine Position im Genom selbständig verändern kann. In der Arbeit wird gezeigt, dass dieses Transposon sich in dem zuvor beschriebenen Bereich des Chromosoms 17 in das erste Intron eines Gens mit der Bezeichnung cortex integriert. Das Transposon umfasst einen DNA-Strang mit 22 kb, der sich in einen Abschnitt des cortex-Gens einbaut, der vor der Übersetzung (Translation) in das entsprechende Protein herausgeschnitten wird. Vom Protein Cortex ist aber nicht bekannt, dass es in irgendeinem Zusammenhang mit der Biosynthese des dunklen Pigments Melanin steht. Das cortex-Gen wird in bestimmten Larvenstadien in den embryonalen Flügelanlagen stark ausgeprägt (exprimiert). Das entsprechende Protein Cortex reguliert den Zellzyklus während der Entwicklung der Flügel in der Larve. Die genauen Details, wie diese Regulation die Pigmentierung beeinflusst, sind bisher jedoch nur wenig verstanden und werden weiter erforscht. In einem gleichzeitig erschienenen Artikel bestätigen Nadeau et al. (2016) jedoch, dass cortex in Schmetterlingen die Musterung der Flügel kontrolliert.

Aufgrund statistischer Untersuchungen von cortex in Birkenspannern kommen Van´t Hof et al. (2016) zu dem Schluss, dass der Zeitpunkt, an dem das springende Gen sich an der neuen Position integriert hat, um das Jahr 1819 liegen soll. Sollte sich das bestätigen, dann hätte sich diese genetische Veränderung sehr rasch in der Population der Birkenspanner in der Gegend von Birmingham bemerkbar gemacht, denn Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die dunklen Morphen dort beobachtet und  beschrieben.

Wenn sich die hier vorgestellten Untersuchungsergebnisse und deren Interpretation durch weitere Forschung bestätigen sollten, dann würde dieser Fall von Industriemelanismus zeigen, dass die verschiedenen Erscheinungsformen des Birkenspanners quasi vorprogrammiert sind und sich in einer Population rasch etablieren können.    

Literatur

Van´t Hof AE, Edmonds N, Dalikova M, Marec F & Saccheri IJ (2011) Peppered moths has a singular and recent mutational origin. Science 332, 958-960.

Van´t Hof AE, Campagne P et al. (2016) The industrial melanism mutation in British peppered moths is a transposable element. Nature 534, 102-105.

Nadeau NJ, Pardo-Diaz C et al. (2016) The gene cortex controls mimicry and crypsis in butterfly and moths. Nature 534, 106-110.

Autor dieser News: Harald Binder

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