11.04.12 Bestätigung einer wichtigen Funktion des Wurmfortsatzes
Der Wurmfortsatz des menschlichen Blinddarms gilt als Paradebeispiel für ein rudimentäres, rückgebildetes, nutzloses Organ. Doch es gibt eine wachsende Anzahl von Hinweisen darauf, dass dies eine Fehlinterpretation ist. Die Hypothese, dass der Wurmfortsatz eine Art „Rettungsstation“ für wichtige Darmbakterien bildet, konnte kürzlich erfolgreich getestet werden.
Der Wurmfortsatz (Appendix) des menschlichen Blinddarms ist vielleicht das bekannteste Beispiel eines rudimentären Organs, das seine frühere Funktion verloren habe und daher oft als nutzloser und sogar gefährlicher Rest einer evolutiven Rückbildung angesehen wird. Solche (vermeintlich) rudimentären Organe werden oft auch als Belege gegen Schöpfung gewertet. Es gibt allerdings schon lange Hinweise auf eine Funktionalität des Wurmfortsatzes und es spricht auch manches dagegen, dass dieser bleistiftgroße Darmanhang überhaupt als rückgebildet gelten kann (zusammenfassend bei Junker 2008). Und vor einigen Jahren fanden Bollinger et al. (2007) heraus, dass der Wurmfortsatz des Menschen eine Art Zufluchtsort und Rettungsstation für symbiotische (=mit anderen Organismen zusammenlebend) Bakterien darstellt, die das Wachstum nützlicher Darmbakterien fördert und bei durchfallbedingten Darmentleerungen die Wiederbesiedlung mit diesen Bakterien ermöglicht bzw. erleichtert. Diesen Bakterien fällt die Aufgabe zu, die Ausbreitung gefährlicher Krankheitserreger im menschlichen Verdauungstrakt zu verhindern, was besonders nach Durchfallerkrankungen sehr wichtig ist. Die Forscher schlussfolgerten, dass der Wurmfortsatz für eine bedeutsame Funktion offensichtlich optimal eingerichtet ist (vgl. Der Wurmfortsatz als Rettungsstation).
Die Hypothese vom Wurmfortsatz als Zufluchtsort konnte inzwischen getestet werden. Es wurde untersucht, ob Patienten, die eine schwere Darminfektion hatten, sich besser erholten, wenn sie noch im Besitz des Wurmfortsatzes waren, als solche Patienten, bei denen das nicht der Fall war und die dieselbe Infektion hatten. James Grendell vom Winthrop University-Hospital und Kollegen untersuchten die Folgen von Infektionen mit dem Krankheitserreger Clostridium difficile (Im et al. 2011). C. difficile ist besonders gefährlich, wenn die natürliche Darmflora, die den Erreger normalerweise in Schach hält, zu stark dezimiert ist (z. B. nach einer Antibiotikatherapie). Patienten mit dem Wurmfortsatz sollten daher einen messbar größeren Schutz vor einer Wiederholungsinfektion nach erfolgreicher Ersttherapie einer bakteriellen Darminfektion mit C. difficile besitzen.
Grendells Team konnte 254 geeignete Patienten entsprechend untersuchen. Dabei zeigte sich tatsächlich, dass Personen ohne Wurmfortsatz viermal häufiger von einem Wiederauftreten von C. difficile betroffen waren, genau wie aufgrund der Hypothese vom Wurmfortsatz als Zufluchtsort für schützende Darmbakterien vorhergesagt wurde.
Diese Hypothese ist damit noch nicht endgültig bewiesen, da die festgestellten Unterschiede auch andere Ursachen haben könnten oder gar nicht typisch sind (vgl. Dunn 2012). Zur endgültigen Klärung sind weitere Studien erforderlich.
Literatur
Bollinger RR, Barbas AS, Bush EL, Lin SS & Parker W (2007) Biofilms in the large bowel suggest an apparent function of the human vermiform appendix. J. Theor. Biol. 249, 826-831.
Dunn R (2012) Your Appendix Could Save Your Life. http://blogs.scientificamerican.com/guest-blog/2012/01/02/your-appendix-could-save-your-life.
Im GY, Modayil RJ, Lin CT, Geier SJ Katz DS, Feuerman M & Grendell JH (2011) The appendix may protect against Clostridium difficile recurrence. Clin. Gastroenterol. Hepatol. 9, 1072–1077.
Junker R (2008) Der Wurmfortsatz als Rettungsstation Stud. Int. J. 15, 31-32. Autor dieser News: Reinhard Junker Informationen über den Autor
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