09.07.08 Evolutionäre Entstehung von Holinen
Sind verschobene Leseraster ein Design-Signal?
Auf der Internetseite von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ wurde kürzlich ein ausführlicher Artikel über „Hypothesen zur Evolution von Bakteriophagen-Holinen“ von Siegfried Scherer veröffentlicht (http://evolutionslehrbuch.wort-und-wissen.de/teil-7/kapitel-16-06/kapitel_16_6_2_zusatz.pdf; 23 Seiten, 15 Abb., 615 KB). Darin geht es unter anderem um die Frage, wie das Vorkommen verschiedener Leseraster im selben DNA-Abschnitt evolutionär entstanden sein könnte. In „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ wird eine solche Doppel- oder gar Mehrfachnutzung als mögliches „Design-Signal“ vorgestellt und behauptet, die evolutive Entstehung überlappender Gene sei unbekannt. In dem nun veröffentlichten ausführlichen Artikel zeigt Scherer, dass und warum diese Behauptung nach wie vor dem Stand des Wissens entspricht. Nachfolgend wird an dieser Stelle die Zusammenfassung wiedergegeben.
Zu diesem Beitrag wurde auch ein Interview mit dem Autor unter http://evolution-schoepfung.blogspot.com/2008/07/interview-von-christoph-heilig-mit.html veröffentlicht. Darin erklärt Scherer zunächst, worum es in dem Holine-Artikel geht, und geht dann auf schwerwiegende Anschuldigungen ein, die im Zusammenhang mit Abschnitt 16.6.2 „Überlappende Gene“ von „Evolution – ein kritisches Lehrbuch (http://www.wort-und-wissen.de/lehrbuch.html) an seine Adresse gerichtet wurden. Leser, die den Wissenschafts- und Publikationsbetrieb nicht kennen, erhalten durch dieses Interview wichtige Informationen, um selbst die Stichhaltigkeit dieser Vorwürfe einschätzen zu können. Auch als Einleitung zum Holine-Artikel ist die Lektüre dieses Interviews sehr zu empfehlen.
Zusammenfassung des Holine-Artikels: Bakteriophagen sind Viren, welche Bakterienzellen befallen und sich auf Kosten dieser Wirtszellen vermehren. Die Zelle wird am Ende des Infektionszyklus lysiert und die Bakteriophagen-Nachkommen werden freigesetzt. Die Lyse der Wirtszelle hängt häufig von einem Holinprotein ab, welches Läsionen in der Cytoplasma-Membran erzeugt. Durch diese „Löcher“ können zellwandlytische Endolysine des Bakteriophagen die Zellwand erreichen und zerstören, was dann zur schnellen Zelllyse führt. Holine sind eine diverse Gruppe von Membranproteinen mit mehr als 50 Familien, was als Beleg für eine einfache Evolvierbarkeit angesehen wurde. Allerdings sind Bakteriophagen auch hinsichtlich der anderen Proteine die diverseste Gruppe aller „Lebewesen“.
Sind natürliche Prozesse bekannt, welche eine Entstehung von Holinen plausibel erscheinen lassen? Und wie könnte man sich die Entstehung eines Holingens erklären, welches komplett in das Gen eines zellwandlytischen Proteins eingebettet ist, aber in einem anderen Leseraster („out-of-frame“) abgelesen wird? Am Beispiel bekannter Holinstrukturen wird eine phantasievolle evolutionäre Geschichte zur Entstehung dieser Proteine erzählt. Diese Geschichte wird dann anhand verfügbarer experimenteller Daten zur Struktur-Funktionsbeziehung von Holinen einem „reality check“ unterworfen. Dabei ergibt sich, dass die Wahrscheinlichkeit der Entstehung von Holinen durch bekannte biologische Prozesse sehr klein ist. Aufgrund von Datenmangel ist aber selbst eine semi-quantitative Abschätzung der Entstehungswahrscheinlichkeit nicht sinnvoll möglich. Deshalb kann derzeit nur festgestellt werden, dass man nicht weiß, wie ein Holin-Gen de novo entstanden sein könnte. Diese Schlussfolgerung gilt auch für das Holin-ähnliche Protein Hol187 des Staphylococcus aureus Phagen 187, das in einem anderen Leseraster innerhalb eines Gens völlig verschiedener Funktion codiert wird.
Die Erzählung einer evolutionären Geschichte zur Holin-Entstehung ist ein wichtiger Teil des wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses, weil sie zur Konzeption von Experimenten führen kann, welche die Geschichte bestätigen oder zum Widerspruch führen. Die experimentelle Prüfung steht bezüglich der Holine noch weitgehend aus. Es liegt eine Wissenslücke der Evolutionsbiologie vor. Wissenslücken sind jedoch nicht geeignet, um die „Unmöglichkeit“ eines postulierten Evolutionsprozesses zu beweisen. Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen Informationen über den Autor
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