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02.07.07  „Schöpfung und Evolution“ beim „Forum Grenzfragen“

Am 26. Juni 2007 fand im Tagungszentrum Hohenheim der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart eine halbtägige Veranstaltung des „Forums Grenzfragen“ zum Thema „Schöpfung und Evolution“ statt (www.forum-grenzfragen.de/grenzfragen/ open/webtodate/aktuelles/veranstaltungen/schoepfungundevolution/index.html).

Zunächst sprach Peter Schuster, Professor für Theoretische Chemie an der Universität Wien, zum Thema „Evolution und Design. Versuch einer Bestandsaufnahme der Evolutionstheorie“. Es folgte Robert Spaemann, emeritierter Professor für Philosophie, mit einem Vortrag über „Deszendenz und Intelligent Design“. Diese beiden Vorträge entsprachen weitgehend den Inhalten zweier Kapitel des Buches „Schöpfung und Evolution. Eine Tagung mit Papst Benedikt XVI. in Castel Gandolfo“, hgg. von S. O. Horn und S. Wiedenhöfer, Augsburg 2007 (www.sankt-ulrich-verlag.de/index.php/shop/buecher/titel_von_a_bis_z/s/schoepfung_und_evolution) und können unter dem oben angegebenen Link (Forum Grenzfragen) als mp3 heruntergeladen werden.

Nach einer Kaffeepause folgten kurze Statements von drei Theologen (Wolfgang Beiner, emeritierter Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte, Ulrich Lüke, Professor für Systematische Theologie an der TH Aachen, und Privatdozent Dr. Dirk Evers, Forschungs- und Studieninspektor am Forum Scientiarum der Universität Tübingen). Abschließend hatte das Publikum (schätzungsweise 70 Besucher) die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Viel Raum für eine kritische Diskussion blieb leider nicht, zumal sich die Referenten in ihren Antworten auf die ihnen gestellten Fragen nicht gerade kurz fassten.

Der Tagungsleiter, Dr. Peitz, stellte anfangs die angekündigten Fragen in den Raum:

• Stellt der Papst die Evolutionstheorie in Frage?

• Legt sich die Kirche auf die umstrittene Theorie vom „intelligenten Design" fest?

• Ist es für ein Bündnis zwischen Theologie und Evolutionstheorie noch zu früh?

Um diese interessanten Fragen ging es während der ganzen Veranstaltung insgesamt jedoch nur am Rande.

Zum Vortrag von Peter Schuster. Im folgenden sollen einzelne Aspekte aus dem Vortrag von Professor Schuster wiedergegeben und kommentiert werden (es war der einzige naturwissenschaftliche Beitrag sowohl auf der Veranstaltung als auch im oben erwähnten Buch). Sein Vortrag thematisierte die Plausibilität der Evolutionstheorie und nur er ging – wenn auch nur kurz – auf „Intelligent Design“ ein (abgesehen von einigen Randbemerkungen der anderen Referenten und der Diskussionsrunde am Schluss, siehe unten).

Peter Schuster hat in Wien Chemie und Physik studiert und nach einem Aufenthalt beim Chemie-Nobelpreisträger Manfred Eigen in Göttingen als Postdoc (1968-1969) ebenfalls in Wien in Theoretischer Chemie habilitiert. 1977/78 hat er gemeinsam mit Eigen das Modell des Hyperzyklus publiziert (vgl. Was versteht man unter einem Hyperzyklus? Welche Bedeutung hat er im Zusammenhang mit der Entstehung des Lebens?). Darüber hinaus hat er eine Reihe von Publikationen über Modelle zur molekularen Evolution, zur Replikation (=Verdopplung) von Nukleinsäuren, sowie zu Bioinformatik und RNA-Strukturen veröffentlicht. In seinem Vortrag (bzw. Artikel) fällt zunächst einmal auf, dass Schuster nichts aus seinem eigenen Fachgebiet thematisiert.

Vergleichend-biologische Argumente. Zu Beginn seines Vortrags trug er seine Sicht der geschichtlichen Entwicklung des Evolutionskonzepts in seinen unterschiedlichen Ausprägungen vor. Dabei bezeichnete er es als „kühne Spekulation“, zur Zeit Darwins aus morphologischen Vergleichen auf Evolution zu schließen, aber diese Vorstellung habe sich im molekularen Zeitalter bewahrheitet, da die Basisprozesse bei allen Organismen gleich seien, diese „ganz neuen Stützen“ wären der „stärkste Befund“ für die Evolutionstheorie. Hier ist kritisch anzumerken, dass es sich bei der Betrachtung von molekularen Strukturen prinzipiell genauso um Vergleiche von Ähnlichkeiten handelt wie auf morphologischer Ebene. Von der Struktur des Argumentes her ist das also nicht wirklich neu. Ähnlichkeiten können zwar auf gemeinsame Abstammung zurückgeführt werden, sind aber auch zu erwarten, wenn die Lebewesen erschaffen wurden (vgl. Ähnlichkeiten in der Morphologie und Anatomie).

Doch das Argument wurde weitergeführt: Zwischen den alten morphologischen Stammbäumen und den heutigen molekularen Stammbäumen, die unabhängig voneinander entwickelt würden, gebe es „vollkommene Übereinstimmung“. Diese Aussage erscheint sehr kühn und bei Kenntnis der entsprechenden Fachliteratur muss man sich über diese Behauptung wundern. So liefern die für den Vergleich von Sequenzdaten angewendeten Algorithmen keine eindeutigen 2-dimensional darstellbaren Stammbäume, sondern eine Vielzahl mathematisch gleichwertiger Bäume. Aus diesen müssen unter Hinzuziehung weiterer Informationen (z.B. morphologische Stammbäume) die „richtigen“ Stammbäume ausgewählt werden. Je mehr molekulare Sequenzdaten bekannt und zur Bestimmung für Verwandtschaftsverhältnisse eingesetzt werden, um so komplexer und zumindest teilweise widersprüchlicher werden die Resultate (vgl. Molekularbiologie). Dies sei mit einem Zitat aus dem einleitenden Artikel eines Sammelbandes über phylogenetische Systematik von Richter & Sudhaus belegt: „Molekular-systematische und morphologische Analysen kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen oder aber die molekularen Analysen widersprechen einander genauso, wie das auch bei unterschiedlichen morphologischen Analysen der Fall ist. Auch die Kombination morphologischer und molekularer Daten in einen einheitlichen Datensatz hat in den meisten Fällen noch nicht zu wirklich überzeugenden Verwandtschaftshypothesen geführt“ (Stefan Richter & Walter Sudhaus (Hg, 2004) Kontroversen in der Phylogenetischen Systematik der Metazoa. Sitzungsbericht der Gesellschaft Naturforschender Freunde zu Berlin. N. F. 43, 1-221; Zitat S. 5f.). Leider war es später nicht möglich, im Plenum darauf einzugehen, da Schuster zu Beginn der allgemeinen Publikums-Fragerunde abreisen musste.

Wahrscheinlichkeitsrechnungen und „Game of Life“. Im folgenden Teil befasste sich Schuster mit Wahrscheinlichkeitsberechnungen. In Anlehnung an das von Fred Hoyle popularisierte Beispiel legte er dar, dass es verfehlt ist, die Entstehung von Lebewesen mit der spontanen Entstehung eines Flugzeuges durch die Wirkung eines Tornados auf einen Schrottplatz zu vergleichen. Das andere Extrem, dass positive Änderungen Schritt für Schritt letztlich zum Leben führen, sei aber auch unrealistisch. Die Realität liege dazwischen. Eine Antwort, ob es zwischen diesen Extremen einen nachvollziehbaren Weg gebe, vermittelte Schuster durch seine Ausführungen jedoch nicht, wenn sie auch durch den Vergleich mit einer Fitnesslandschaft dem Publikum nahegelegt wurde.

Weiterhin stellte Schuster das „Game of Life"-Programm von John H. Conway vor, das zeige, dass unter Anwendung einfacher Regeln komplexe Strukturen und scheinbar zweckvolle Vorgänge im Computer simuliert werden können. In einer kurzen Verständnisfragen-Runde wurde die Frage aufgeworfen, ob diese Game of Life-Simulationen überhaupt realistisch in Bezug auf Evolutionsprozesse in der Biologie seien. Das verneinte der Referent eindeutig. Die darauf folgende Frage, ob solche Simulationen folglich überhaupt Relevanz für die Einschätzung der Plausibilität evolutiver Prozesse hätten, blieb unbeantwortet; Schuster wiederholte nur das im Vortrag Gesagte. Die Antwort ist aber klar: Solche Simulationen sind irrelevant für Fragen über Evolutionsmechanismen und beeindrucken nur das methodisch nicht geschulte Publikum. Der Transfer solcher Simulationen auf die Biologie benötigte eine eigene Rechtfertigung; dies wurde aber nicht angesprochen.

„Evolutionäres Basteln statt intelligentem Design? Schließlich ging Schuster auf das Konzept des „evolutionären Bastelns" ein. Die Natur „designt nicht, sondern verwendet, was sie hat“. Einmal mehr wurde die inverse Lage der Netzhaut unseres Linsenauges als Beleg für das evolutionäre Basteln bemüht: „Man würde das so nicht designen“; es handle sich um das nicht optimale Ergebnis eines irreversiblen evolutiven Bastelprozesses. Dieses Beispiel wurde im Gespräch der Theologen später weiter aufgegriffen unter der Frage, ob denn alles so intelligent sei, wie wir designt sind. „Spricht das evolutive Basteln gegen Intelligent Design?“ Diese Frage ist jedoch hypothetisch, weil ein evolutives Basteln experimentell nicht nachgewiesen wurde, sondern allenfalls vergleichend-biologisch erschlossen wird (Gene tinkering). Zudem setzt auch der Begriff des Bastelns und das „Verwenden derselben Moleküle für andere Zwecke“ einen zielorientierten Akteur voraus. Dem Gedanken des „Intelligent Design" entkommt man auf diese Weise nicht. Behauptete Mängel der Organe, etwa des Auges, sind zudem nie nachgewiesen, sondern nur behauptet, und vielfach widerlegt worden (http://www.wort-und-wissen.de/sij/sij131/sij131-1.html). Schuster erwähnte selber in seinem Vortrag an anderer Stelle, dass sich die Vorstellung einer funktionslosen „Junk-DNA“ („Abfall-DNA“) nicht bewahrheitet habe. Gerade dieses Beispiel war bis vor kurzem ebenfalls häufig gegen die Vorstellung eines intelligenten Designs zitiert worden; nun scheint es selber im Mülleimer unbrauchbarer Argumente zu landen.

Außerdem hat noch niemand durch einen Vergleich verschiedener Konstruktionen demonstriert, dass man die betreffenden Organe tatsächlich besser bauen könnte als sie in der Realität konstruiert sind. In den kurzen Antworten, die zwei der Referenten gaben, wurden diese Einwände nicht entkräftet; vielmehr kam die Entgegnung, dass man sich Gott nicht als Ingenieur vorstellen dürfe; auch Ingenieure würden viel basteln und man wolle nicht einfach von Gott nur „konstruiert“ sein. Wenn aber auch Ingenieure basteln, wie steht es dann mit dem Basteln in der Evolution? Das war ja gerade der Einwand, dass hier durch die verwendete Begrifflichkeit eine Steuerinstanz eingeführt wird, die evolutionstheoretisch ausgeschlossen wird.

Der Zeitplan der Tagung erlaubte eine weitere Diskussion nicht; es wäre wünschenswert, dass dies bei einer anderen Gelegenheit nachgeholt werden kann. Eine solche Diskussion muss auch eine realistische Bestandsaufnahme der Belegsituation für Makroevolution zugrundelegen. Es stellt sich nicht nur die Frage, ob Gott in der Evolution irgendwie wirkt, sondern ob er überhaupt durch Evolution geschaffen hat. Auch die damit verbundenen grundlegenden theologischen Fragen wären dann zu diskutieren (vgl. Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament und Evolutionsmechanismen als Schöpfungsmethode?).


Autor dieser News: Reinhard Junker, 02.07.07

 
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