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10.04.07  Artikel über Chiralität: Wurde wichtige neuere Literatur unterschlagen?

Im Internet erschien vor kurzem eine Kritik an der Interessierten-Version des Artikels „Die fehlenden Spiegelbilder“ von Peter Imming. Die Kritik lautete:

„So werden neuere Erklärungsansätze bezüglich des ‘Chiralitätsproblems’ (wie etwa die bevorzugte Anreicherung eines bestimmten Stereoisomers an Mineralien oder die Möglichkeit eines auf ‘enantiomerreine’ Proteine oder homochirale Nucleinsäuren zusteuernden Selektionsprozesses, der aus Stabilitätsgründen alle ‘Mischvarianten’ aus dem Rennen wirft) in dem Artikel von Imming (Die fehlenden Spiegelbilder) gar nicht erwähnt, und die am Textende allen Ernstes angebotene ‘Erklärung’, irgendein Schöpfer habe das Enantiomerengemisch irgendwie ‘manipuliert’ (!), ist unter wissenschaftslogischen Gesichtspunkten geradezu haarsträubend.“ (Dr. A. Beyer auf http://www.evolutionsbiologen.de/loennig_witten2.html, Stand: 27. 3. 2007)

Dazu ist zu sagen:

1. Die Anreicherung von Stereoisomeren an Mineralien ist kein „neuerer“ Erklärungsansatz, sondern wurde bereits 1975 diskutiert (z.B. Bonner WA et al. (1975) Asymmetric adsorption by quartz: A model for the prebiotic origin of optical activity. Origin Life 6, 367-376). Der Kritiker hat offenbar die Expertenversion des Artikels nicht oder zu flüchtig gelesen: Im Abschnitt „Spontaner Symmetriebruch“ wird genau darauf eingegangen (siehe „Bevorzugte Adsorption eines Enantiomers an eine chirale Oberfläche (z.B. an Calcit- oder Quarzkristalle)“ usw.).

2. Genausowenig „neu“ ist der Gedanke eines „Selektions“prozesses bei Proteinen und Nukleinsäuren (z.B. für Peptide: Blair NE & Bonner WA (1981) A model for the enantiomeric enrichment of polypeptides on the primitive Earth. Origins Life 11, 331-335). In der Expertenversion von „Die fehlenden Spiegelbilder“ (Die fehlenden Spiegelbilder) wird mit der folgenden Passage darauf eingegangen: „Präbiotisch besteht keine Konkurrenz von Molekülen, und in einer achiralen Umgebung hat kein Enantiomer einen Vorteil gegenüber einem anderen. Das auf biologischer Ebene wichtige Konkurrenz-Konzept gilt hier nicht. Wenn zum Beispiel behauptet wird, die alpha-Helix eines enantiomerenreinen Proteins habe den Vorteil, weniger leicht hydrolysiert zu werden, so gilt dasselbe für das ebenso existenzfähige Spiegelbild dieser alpha-Helix, die aus den spiegelbildlichen Aminosäuren zusammengesetzt ist.“ Wie unter 1. in dieser Replik ist das Phänomen der Homochiralität in seinem Ursprung nicht erklärt, sondern auf ein anderes Beispiel verschoben.

3. Auch neueste Fachliteratur sagt klar, dass es einen akzeptierten Mechanismus für die Entstehung der Homochiralität nicht gibt. Beispiel: „Warum benutzen Organismen nur L-Aminosäuren, um Proteine herzustellen? Das ist gegenwärtig eins der größten Rätsel der Naturwissenschaft“ (DiGregorio BE (2006) Microbe 10, 471-475). Alte Mechanismen als neu auszugeben und so implizit zu unterstellen, das Phänomen sei naturalistisch erklärt, hilft nicht weiter.

4. Als plausible Erklärungsmöglichkeit für das Phänomen der Homochiralität bleibt ein absichtliches Vorgehen seitens eines Schöpfers, so wie man auch heute durch gezieltes geplantes Vorgehen im Labor reine Enantiomere herstellen oder Racemate in Enantiomere trennen kann. Ein solches Vorgehen oder Eingriff kann man als „Manipulation“ bezeichnen. Wer „manipulierte“ und welcher Methodik er sich bediente, ist der Untersuchung natürlich nicht zugänglich. (Man beachte, dass „manipuliert“ bereits im kritisierten Artikel mit Bedacht in Anführungszeichen gesetzt wurde.) Eine „Wissenschaftslogik“, die Eingriffe von außen und planmäßiges Vorgehen von vornherein ausschließt, ist innerhalb ihrer Begrenzung ein sehr nützliches methodisches Werkzeug. Verabsolutiert wird sie zur Weltanschauung des Naturalismus, den sie nur im Sinne eines Zirkelschlusses „beweisen“ kann, weil sie von ihm definitionsmäßig gesetzt wurde. Damit aber würden die Grenzen der Methodik zur Grenze dessen, was wirklich sein kann.

Nachtrag vom 11. 4. 2007

5. Inzwischen wurde ich darauf hingewiesen, dass der genannte Text von Dr. Beyer verändert wurde. Mit der Angabe „Last update: 30.03.07“ lautet er nun: „So werden neuere Erklärungsansätze bezüglich des ‘Chiralitätsproblems’ (wie etwa die bevorzugte Anreicherung eines bestimmten Stereoisomers an bestimmten Mineralien) nur unzureichend diskutiert und die Möglichkeit einer enzymatischen Razematspaltung oder eines auf ‚enantiomerreine’ Proteine oder homochirale Nucleinsäuren zusteuernden Selektionsprozesses, der z.B. aus Stabilitätsgründen alle ‚Mischvarianten’ aus dem Rennen wirft (enantioselektive Replikation), in dem Artikel von Imming gar nicht erst erwähnt. (Zur Frage der Entstehung von Chiralität siehe auch Plankensteiner K.; Reiner, H.; Rode, BM. (2004): From earth’s primitive atmosphere to chiral peptides – the origin of precursors for life. Chem Biodivers. 1(9), pp. 1308-15.).“

a. Es ist erfreulich, dass die Kritik sehr rasch aktualisiert wurde und sich nun vorsichtiger gibt. Natürlich gibt es immer Artikel und Aspekte, die man nicht erwähnen kann, wenn man ein Thema zusammenfassend behandelt. So hätte Dr. Beyer auch den aktuellen Review der Rode-Gruppe nennen können (Fitz D et al. Curr. Chem. Biol. 2007, 1, 41-52).

b. Die stichwortartige Aufzählung unterschiedlicher Versuche, Homochiralität naturalistisch zu erklären, könnte suggerieren, es gäbe viele Erklärungsmöglichkeiten. Das Gegenteil ist der Fall: Weil es bisher kein akzeptiertes Modell gibt, werden regelmäßig eine Reihe mindestens bisher gescheiterter Ansätze aufgezählt.

c. Die Paritätsverletzung auf atomarer Ebene als Erklärung für die natürliche Homochiralität ist in Die fehlenden Spiegelbilder behandelt und vor allem Bonners relevanter Review aus dem Jahr 2000 zitiert worden einschließlich seiner negativen Schlussfolgerung. Neuerdings wird die Paritätsverletzungs-Hypothese von der Arbeitsgruppe um B.M. Rode wieder aufgegriffen: Schwerere Atomkerne, z.B. Kupfer, führen zu größeren Energiedifferenzen aufgrund der Paritätsverletzung als leichtere Atome wie Kohlenstoff. Bei der Synthese von Dipeptiden in Gegenwart von Kupfer-Ionen durch wiederholtes Eindampfen und Wiederaufnehmen einer wässrigen Lösung entstand z.B. aus rac-Alanin ein Überschuss von ca. 10% des L-L-Dipeptids. Die Autoren postulieren, dieses Resultat sei möglicherweise auf Energieunterschiede durch Paritätsverletzung zurückzuführen. Jedenfalls sind auch diese Experimente sehr weit weg von einer Erklärung der natürlichen Homochiralität. Es seien nur einige wenige Schritte – eigentlich Sprünge – angedeutet, die gegangen werden müssten, um einer Erklärung näherzukommen:

– Wie verhalten sich Gemische von Aminosäuren? Lösungen reiner Aminosäuren sind äußerst artifiziell, so artifiziell, dass solche Experimente keineswegs auf den realeren Fall einer Mischung von Aminosäuren, Carbonsäuren und vielen anderen Molekülen extrapoliert werden können.

– Die Experimente führen nicht zu einem „Verschwinden“ der D-Aminosäuren, sondern dazu, dass etwas mehr L-Form am Kupfer-Ion komplexiert ist oder als Dimer vorliegt. (Die Ausbeute an Dipeptiden betrug nur ca. 2%.) Der „Rest“ ist nicht etwa „wegselektiert“ worden, sondern liegt in Lösung vor. Wie soll aus einer Mischung von monomeren und dimeren Aminosäuren erstens eine echte Kompartimentierung resultieren und zweitens ein Verschwinden der D-Isomere? Die „Möglichkeit einer enzymatischen Razematspaltung oder eines auf ’enantiomerreine’ Proteine oder homochirale Nucleinsäuren zusteuernden
Selektionsprozesses“ (A. Beyer) ist mehr als spekulativ.

Die Fragen könnten fortgesetzt werden. Weitere Forschungen sind also unbedingt nötig. Aber man sollte nicht kategorisch vertreten, dass der naturalistische Ansatz genügt, und nicht ausschließen, dass dieser Ansatz durch einen planenden Einfluss mindestens ergänzt werden muss.


Autor dieser News: Peter Imming, 10.04.07

 
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