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04.07.16  Amphibische Fische: Mindestens 33-mal unabhängig entstanden

Eine detaillierte Untersuchung über das Vorkommen von Fischen, die zeitweise auch an Land gehen, zeigt, dass diese Fähigkeit mindestens 33-mal unabhängig entstanden sein muss. Aus evolutionstheoretischer Sicht war ein solcher Befund nicht erwartet worden. Die Erklärung, dass der Erwerb dieser Fähigkeit gar nicht so schwierig sei, beruht auf einem Zirkelschluss.

Bei Amphibien, also Tieren, die teils an Land und teils im Wasser leben, denkt man an Frösche, Kröten, Unken oder Salamander. Dass auch unter Fischen amphibisch lebende Arten vertreten sind, ist weniger bekannt; doch es gibt eine ganze Menge davon. Manche von ihnen verbringen nur einige Sekunden oder Minuten an Land, andere dagegen Stunden oder sogar Tage. Besonders bekannt unter Letzteren sind die Schlammspringer (Gattung Periophthalmus), die mehr Zeit an Land als im Wasser verbringen und dafür eine Reihe spezieller Bauplanbesonderheiten besitzen, oder die Aale, die längere Wanderungen auf Land durchführen können und dabei über die Haut atmen.

Wegen der besonderen Anforderungen für ein zeitweiliges Leben an Land könnte man denken, dass amphibische Fische auf evolutivem Wege eher selten entstanden sind; das bringt auch Terry Ord, der mit Georgina Cooke jüngst eine Studie über deren Vorkommen durchgeführt hat, explizit zum Ausdruck („Because of the challenges fish face in being able to breathe and move and reproduce on land, it had been thought this was a rare occurrence“, http://phys.org/news/2016-06-fish-common-thought.html). Doch schon Coates & Clack (1995, 301) erwähnen, dass unter den Strahlflosser-Fischen, die nicht eine Verbindung zum Landgang der Vierbeiner gebracht werden, 59 amphibisch lebende Arten aus 16 marinen (=im Meer lebenden) und limnischen (=in Süßwasserbereich vorkommenden) Familien bekannt seien, von denen keine tetrapodenartige (=vierbeinerartige) Beine entwickelt hat.

In einer jüngst veröffentlichten detaillierten phylogenetischen Studie wiesen Ord & Cooke (2016) insgesamt sogar 130 amphibisch lebende Fischarten nach. Diese sind auf 33 Familien verteilt, und die Autoren interpretieren diesen Befund so, dass damit auch die Mindestanzahl einer unabhängigen (konvergenten) Entstehung amphibischer Fische bei 33 liegt. Vermutlich ist diese Zahl noch deutlich höher, denn alleine bei der genauer untersuchten Familie der Blenniidae schließen die Autoren auf eine siebenmalige konvergente Entstehung eines „in hohem Maße amphibischen Lebensstils“. Die Fisch-Familien, bei denen es amphibische Arten gibt, sind ökologisch z. T. sehr unterschiedlich und kommen sowohl in Süß- als auch Salzwasser vor.

Aus diesem unerwarteten Befund schließen die Autoren, dass die evolutive Entstehung der amphibischen Lebensweise nicht so schwer sein könne wie bisher angenommen, da sie sich so häufig ereignet habe. Diese Schlussfolgerung ist unlogisch. Denn die Häufigkeit des Vorkommens dieser Lebensweise hat mit der Frage, wie schwierig die dafür nötigen Voraussetzungen zu erfüllen sind, nichts zu tun. Schließlich war es beispielsweise auch nicht deshalb leichter als gedacht, eine Mondrakete zu bauen, weil das sowohl Russen als auch Amerikaner unabhängig geschafft haben. Vielmehr handelt es sich hier um einen evolutionären Zirkelschluss; er funktioniert wie folgt: 1. Eigentlich ist es für einen Fisch schwierig, evolutiv eine amphibische Lebensweise zu entwickeln. 2. Daher ist zu erwarten, dass das nicht oft vorkommt. 3. Es kommt aber oft vor, daher kann es doch nicht so schwierig sein. Diese Logik funktioniert natürlich nur, wenn man Evolution schon voraussetzt. In Wirklichkeit ist der Befund des häufigen Vorkommens der amphibischen Lebensweise jedoch eine schwerwiegende Herausforderung für evolutionsbiologische Hypothesen, da auf der Basis zukunftsblinder Mechanismen ein vielfacher Übergang zu anspruchsvollen ähnlichen Fähigkeiten nicht zu erwarten ist.

Interessant sind die Ergebnisse von Ord & Cooke auch in einer weiteren Hinsicht. Die zahlreichen amphibischen Fischarten sind keine Vorstufen zu landlebenden Formen. Die amphibische Lebensweise von Fischen scheint also keinen Startvorteil für einen Übergang an ein dauerhaftes Landleben darzustellen, wie es bei den Landwirbeltieren verwirklich ist. Auf dieses Paradox weist auch Clack (2002, 103) in ihrer Monographie zum Ursprung der Landwirbeltiere hin: Es gibt Strahlflosser mit Anpassungen ans Landleben und solche, die fingerartige Strukturen von Flossenstrahlen ausgebildet haben. Diese zwei Gruppen überlappen sich nahezu nicht. Fische mit Fingern sollen – auch aus evolutionärer Sicht – nicht dauerhaft an Land gegangen sein, und solche, die es im evolutionären Verlauf geschafft haben sollen, zweitweise auf Land zu überleben, haben keine fingerartigen Strukturen an ihren Extremitäten.

Literatur

Clack JA (2002) Gaining Ground. The origin and evolution of Tetrapods. Bloomington and Indianapolis.

Coates MI & Clack JA (1995) Romer’s gap: tetrapod origins and terrestriality. In: Arsenault M, Lelièvre H & Janvier P (eds) Studies on early vertebrates (VIIth International Symposium, Miguasha Parc, Quebec). Paris: Bull. Mus. Natl. Hist. Nat. 17, 373-388.

Ord JJ & Cooke GM (2016) Repeated evolution of amphibious behavior in fish and its implications for the colonization of novel environments. Evolution, early view, DOI: 10.1111/evo.12971.


Autor dieser News: Reinhard Junker, 04.07.16

 
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