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04.12.13  Frühe Verschiedenartigkeit

Eine systematische Studie über die Fossilabfolgen verschiedener Organismengruppen zeigt – entgegen evolutionstheoretischen Erwartungen – einen klaren Trend: Das größte Ausmaß der Verschiedenartigkeit1 der untersuchten Gruppen wird frühzeitig erreicht und nimmt im Laufe der Fossilüberlieferung ab.

In Charles Darwins Hauptwerk On the origin of species ist eine einzige Abbildung abgedruckt: Ein Baum mit allmählich zunehmender Verzweigung und zunehmender Verschiedenartigkeit1. Die aufgezweigten Formen werden also im Laufe der Zeit allmählich unterschiedlicher. Am Anfang sind die Unterschiede zwischen den aufgespaltenen Formen noch gering, doch mit der Zeit nimmt die Verschiedenartigkeit immer mehr zu. Diese Darstellung ist folgerichtig, wenn die Lebewesen durch graduelle Evolution entstanden sind. Die experimentelle Forschung der Evolutionsmechanismen unterstützt die Erwartung gradueller Veränderungen. Größere sprunghafte Änderungen (wie z. B. vier- statt zweiflügelige Taufliegen) kommen zwar auch vor, ihre Träger sind aber weniger konkurrenzfähig, falls sie überhaupt lebensfähig sind. Neuere Hypothesen, wonach selbst morphologische (=die Gestalt, den Bau betreffend) Evolution sprunghaft durch Änderungen in der Verschaltung von (Regulations-)Genen ablaufen könne, sind weitgehend spekulativ, da nicht durch experimentelle Daten gedeckt.

Dementsprechend könnte man erwarten, dass die Fossilüberlieferung von Tier- und Pflanzengruppen einem sich allmählich verzweigenden Baum ähnelt. Doch wie die paläontologische Fachliteratur schon lange zeigt, trifft das nicht zu. Vielmehr scheinen die Stammbäume in gewisser Hinsicht auf dem Kopf zu stehen. Besonders ausgeprägt ist das bei der sogenannten „kambrischen Explosion“ der Fall (Valentine 2004, Erwin & Valentine 2013, vgl. Kambrische Explosion: Darwins Dilemma gelöst?). Nun haben Hughes et al. (2013) diesen Befund durch eine umfangreiche Studie bestätigt.

Die Autoren führten eine Meta-Analyse von 98 Vielzellergruppen durch und ermittelten das Ausmaß an Verschiedenartigkeit der Gruppen im Laufe der Zeit. Sie stellten fest, dass eine früh etablierte große Verschiedenartigkeit das vorherrschende Muster während des gesamten Phanerozoikums2 ist, d. h. seit Beginn der fossilen Vielzeller-Überlieferung (kambrische Explosion) bis zur Gegenwart. Dabei nimmt die Verschiedenartigkeit nach einem frühen Maximum im Laufe der Zeit wieder ab. Es sei auch kein Trend in den Verschiedenartigkeitsprofilen während dieser gesamten Zeitspanne erkennbar. Ausnahmen von diesem Befund gebe es nur bei Massenaussterbeereignissen sowie bei Formengruppen, die sich erst in jüngerer erdgeschichtlicher Zeit entfaltet haben und gegenwärtig noch existieren.

Dieser Befund steht den evolutionstheoretischen Erwartungen entgegen. Als Erklärung schlagen die Autoren vor, die schnell etablierte große Verschiedenartigkeit sei Folge der Evolution von Schlüsselneuheiten. Weniger wahrscheinlich seien dagegen Änderungen, die Umweltbedingungen als Ursache hatten, oder die durch katastrophische Umweltveränderungen eingetreten seien.

Kommentar. Alle genannten Erklärungsversuche sind jedoch ungeeignet, da sie nur als Begleiterscheinungen und nicht als Ursachen gelten können. Mit dem Nachweis von Begleitumständen ist aber niemals eine kausale Begründung gegeben. Wenn z. B. das Auftreten evolutionärer Neuheiten mit großer Verschiedenartigkeit am Beginn der Entfaltung einhergeht, resultiert daraus keine Erklärung, woher diese Neuheiten kommen und wie sie entstanden sind. Vielmehr wird das Ausmaß an Verschiedenartigkeit gerade an der Zahl unterschiedlicher Baupläne gemessen, die in evolutionstheoretischer Perspektive natürlich mit dem Auftreten von Neuheiten korreliert. Darin eine Ursache für das Phänomen der schnell etablierten Verschiedenartigkeit zu sehen, wäre ein Zirkelschluss.

Dass die Verschiedenartigkeit im Laufe der Zeit tendenziell eher abnimmt, könnte – so die Autoren – mit wachsenden Entwicklungszwängen (developmental constraints) zusammenhängen. Das heißt, je mehr die verschiedenen Organe der Lebewesen im Laufe der Zeit miteinander in Wechselwirkung treten, desto weniger konnte das Gesamtgefüge geändert werden. Auch diese Vorstellung ist spekulativ, darüber hinaus wenig plausibel, denn evolutionstheoretisch gesehen müssten vielfach Konstruktionszwänge wieder aufgebrochen worden sein. Wie dies funktioniert und wie anschließend auf diese Weise immer wieder vergleichsweise schnell eine große Verschiedenartigkeit relativ frühzeitig in der (Fossil-)Geschichte von Organismengruppen etabliert wurde, ist unbekannt. Zudem ist unbekannt, wie komplexere Lebewesen mit deutlich geringeren Konstruktionszwängen. existieren könnten.

Anmerkungen

1 Mit Verschiedenartigkeit (disparity) wird die morphologische Variation, also die Unterschiedlichkeit von Bauplänen innerhalb einer größeren Formengruppe bezeichnet, im Gegensatz zur Vielfalt (diversity) innerhalb eines engen Verwandtschaftskreises. Beispielsweise würde man zehn Hunderassen als vielfältig bezeichnen, dagegen zehn sehr verschiedene Säugetierarten (etwa von Fledermaus bis Blauwal) als verschiedenartig.

2 Das Phanerozoikum umfasst alle geologischen Systeme, die in nennenswertem Umfang Vielzeller-Fossilien bergen, das sind alle Systeme vom Kambrium bis heute. „Phanerozoikum“ bedeutet „das Leben erscheint“ (in fossil erhaltener Form). Mittlerweile sind auch im jüngeren Präkambrium eine Reihe von Vielzellergruppen entdeckt worden; diese zeigen im Großen und Ganzen jedoch wenige Ähnlichkeiten mit den Fossilien seit dem Kambrium.

Literatur

Erwin D & Valentine JW (2013) The Cambrian explosion. The construction of animal biodiversity. Greenwood Village, Colorado.

Hughes M, Gerber S & Wills  MA (2013) Clades reach highest morphological disparity early in their evolution. Proc. Natl. Acad. Sci. 110, 13875-13879.

Valentine JW (2004) On the origin of phyla. Chicago and London.


Autor dieser News: Reinhard Junker, 04.12.13

 
© 2013


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