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08.06.10  Ist „Intelligent Design“ schlechte Theologie?

Dieser Frage widmete sich Anfang Mai der Philosoph Michael Ruse in der britischen Zeitung „The Guardian“.1 Ruse ist in den Kontroversen um Schöpfung, Intelligent Design (ID) und Evolution kein Unbekannter; er ist unter anderem Mitherausgeber eines kontroversen Sammelbandes über ID.2 Er muss die Diskussion und die beiderseits vorgetragenen Argumente also kennen, und von einem Philosophen darf man eine differenzierte Argumentation erwarten. Umso enttäuschender sind seine  im Guardian veröffentlichten Ausführungen. Sie eignen sich aber gut, um einige grundsätzliche Dinge zum Design-Ansatz in der Biologie klarzustellen, wie nachfolgend geschehen soll.

Ruse schreibt: „Wissenschaft erlaubt Gott einfach nicht als ursächlichen Faktor.“ Auch Christen unter den Wissenschaftlern wie der berühmte Evolutionsbiologe Theodosius Dobzhansky hätten niemals Gott in ihre wissenschaftliche Arbeit eingeführt; wie alle anderen Wissenschaftler waren sie „methodologische Atheisten“. – Beim Design-Ansatz geht es jedoch um eine historische Frage, nämlich um die erstmalige Entstehung z. B. einer biologischen Struktur oder des Lebens schlechthin. Das Ausblenden des Wirkens Gottes ist im experimentellen Rahmen methodisch sinnvoll; kein Befürworter von ID ist je auf den Gedanken gekommen, Gottes Wirken als Faktor bei der Erklärung eines Experiments einzuführen. Experimentelle Forschung ist im Rahmen von ID unstrittig. Wenn aber in Ursprungsfragen die Möglichkeit einer absichtsvollen Verursachung von vornherein ausgeschlossen wird, wird eine möglicherweise richtige Antwort ausgeschlossen. Wissenschaft hat dann aber nichts mehr mit Wahrheitssuche zu tun. Der atheistische Philosoph Bradley Monton schreibt in diesem Zusammenhang: „Wenn Wissenschaft wirklich dem methodologischen Naturalismus verpflichtet ist, dann folgt daraus, dass das Ziel der Wissenschaft nicht darin besteht, wahre Theorien zu bilden.“ Wenn Wissenschaft nicht die Suche nach Wahrheit ist, drohe sie zu einer Randerscheinung und zu einer „irrelevanten sozialen Praxis“ zu werden.3 (Wie man in Ursprungsfragen methodologisch vorgehen kann, wird hier beschrieben: http://www.wort-und-wissen.de/fachgruppen/wt/fadenkreuz-wissenschaftstheorie.pdf. Die naturwissenschaftliche Methode der Erkenntnisgewinnung ist dabei unverzichtbar.)

Ruse weiter: „Angesichts von Enttäuschungen gibt man nicht auf, sondern versucht es erneut. Man stelle sich vor, Watson und Crick hätten die Flinte ins Korn geworfen, nachdem sich ihr erstes Modell des DNS-Moleküls als fehlerhaft erwiesen hatte.“4 – Dieses Zitat offenbart ein grundlegendes Missverständnis des Design-Ansatzes. In seinem Rahmen wird experimentelle Forschung nicht anders betrieben als im Rahmen eines naturalistischen Weltbildes – und schon gar nicht wird die die Forschung eingestellt. Im Gegenteil: Der Design-Ansatz braucht Forschung. Denn zum einen wird im Design-Ansatz mit Grenzen natürlicher Prozesse bei der Veränderlichkeit der Lebewesen gerechnet, zum anderen wird nach definierten Design-Kennzeichen gesucht. Für beides ist Forschung unabdingbar. Um mögliche Grenzen natürlicher Prozesse nachweisen oder wenigstens wahrscheinlich machen zu können, müssen biologische Systeme detailliert erforscht werden, ebenso die Variationsmechanismen der Lebewesen. Nur durch den Fortschritt der Forschung können sich Grenzen natürlicher Vorgänge abzeichnen – oder auch nicht! Und nur auf dem Wege der Forschung kann man Design-Kennzeichen entdecken, was schon oft geschehen ist, selbst wenn man gar nicht damit gerechnet hatte (vgl. http://www.wort-und-wissen.de/si/bio/spurengottes.html).

Ruse fährt fort: „Das bakterielle Flagellum ist komplex. Flüchte zu Gott!“ – Als ob jemals so argumentiert worden wäre. Die Anweisung müsste hier korrekterweise lauten: Untersuche das bakterielle Flagellum möglichst genau! Erforsche die Variationsmechanismen der Lebewesen detailliert! Findet man Designer-typische Kennzeichen? Zeichnen sich Grenzen für die Variationsmechanismen ab? Kann das Flagellum über Zwischenschritte mittels der bekannten Variationsmechanismen entstehen, ohne dabei eine Zielvorgabe zu machen? Je nachdem, wie diese Fragen beantwortet werden, wird sich zeigen, ob es wahrscheinlicher ist, dass das Flagellum schöpferischen oder natürlichen Ursprungs ist.

Auf diese verkehrten Ausführungen zum Design-Ansatz baut Ruse schließlich seine theologische Kritik auf: „ID ist Theologie – sehr schlechte Theologie.“ Sobald man Gott in das Tagesgeschäft einführe, erhebe das Theodizee-Problem – das Problem des Bösen – sein hässliches Haupt. Wenn Gott wunderhaft handelt, um sehr Komplexes zu erschaffen, warum verhindert er dann nicht mit vergleichsweise einfachen Mitteln Krankheiten?5

Das Problem des Leids in der Welt ist ohne Frage schwerwiegend und allemal wert, ernsthaft bedacht zu werden (vgl. dazu Das Theodizee-Problem). Aber mit dem Design-Ansatz hat das nichts zu tun. Wie Gott im täglichen Leben (im „Tagesgeschäft“) wirkt, ist kein Gegenstand des Design-Ansatzes, ebenso wenig wie die Frage, wie Gott in den regelmäßigen Abläufen der Welt wirkt. Dieses Wirken Gottes ist verborgen und wird nur durch sein Wort dem Glaubenden ein Stück weit erschlossen. Und dass Gott beständig auf verborgene Weise in der Welt wirkt, auch in den für uns unverständlichen Dingen, ist Aussage der Heiligen Schrift. Doch das liegt nicht auf der Ebene des Design-Ansatzes. In Wirklichkeit ist ID bzw. der Design-Ansatz selbst überhaupt keine Theologie, wenn er auch mit Vorstellungen über Gottes Wirken verbunden werden kann und davon inspiriert ist. Die Bibel bezeugt an vielen Stellen, dass Gott ein souveräner Schöpfer ist, der durch sein Wort augenblicklich Dinge ins Dasein bringen kann – sie bezeugt beides: Gottes beständiges und Gottes besondere Wirken. Nur auf Gottes besonderes Wirken in der Schöpfung bezieht sich der Design-Ansatz, indem er danach fragt, wie Spuren der Schöpfung erkannt werden können.

Anmerkungen

1 http://www.guardian.co.uk/commentisfree/belief/2010/may/03/religion-atheism

2 Dembski WA & Ruse M (eds) Debating Design. From Darwin to DNA. Cambridge University Press, 2004. Zu seiner Person siehe http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Ruse.

3 „If science really is permanently committed to methodological naturalism, it follows that the aim of science is not generation true theories. … But if science is not a pursuit of truth, science has the potential to be marginalized, as an irrelevant social practice“ (Monton B (2009) Seeking God in Science. An Atheist Defends Intelligent Design. Toronto: Broadview Press, S. 58).

4 „You don't give up in the face of disappointments. You try again. Imagine if Watson and Crick had thrown in the towel when their first model of the DNA molecule proved fallacious.“

5 „As soon as you bring God into the world on a daily creative basis, then the theodicy problem – the problem of evil – rears its ugly head. If God works away miraculously to do the very complex, presumably in the name of goodness, then why on earth does God not occasionally get involved miraculously to prevent the very simple with horrendous consequences? Some very, very minor genetic changes have truly dreadful effects, causing people life-long pain and despair. If God thought it worth His time to make the blood clot, then why was it not worth His time to prevent Huntingdon's Chorea?“


Autor dieser News: Reinhard Junker, 08.06.10

 
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