Schöpfung: Theologie, Biblische Apologetik |
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Experten: Die biblische Urgeschichte im Neuen Testament |
In diesem Artikel wird gezeigt, welche Folgen die Akzeptanz einer evolutiven Abstammung des Menschen aus dem Tierreich für das Verständnis des Neuen Testaments und seiner Botschaft von Jesus Christus hat.
Unverzichtbare Inhalte aller Evolutionstheorien
Adam und das „Tier-Mensch-Übergangsfeld“
Wenn der Mensch einem evolutionären Tier-Mensch-Übergangsfeld entstammt, gab es keinen Sündenfall
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Im Artikel Biblische Gründe für eine theistische Evolution? werden Argumente besprochen, die als Begründung für eine Harmonisierung des evolutionären Weltbildes und des biblischen Schöpfungszeugnisses angeführt werden. Solche Harmonisierungsversuche werden auch als „theistische Evolution" (von Gott ermöglichte bzw. gesteuerte Evolution) bezeichnet. Es wird dort gezeigt, dass diese Argumente nicht stichhaltig sind. Im folgenden werden biblische Zusammenhänge aufgezeigt, die deutlich gegen eine Zusammenschau von allgemeiner Evolution und Schöpfung im biblischen Sinne sprechen. Es soll gezeigt werden, dass und weshalb die Interpretation von Evolution als Schöpfungsvorgang biblisch gesehen nicht tragfähig ist. Der entscheidende Zusammenhang ist: Die biblische Urgeschichte steckt – als tatsächliches Geschehnis in der Menschheit – fest verwoben im Neuen Testament.
Um beurteilen zu können, ob Evolution als Schöpfungsmethode Gottes (= „theistische Evolution") interpretiert werden könnte, ist es erforderlich, eine geeignete „Bezugsgröße" herzustellen. Angesichts unterschiedlicher Evolutionsvorstellungen soll der „kleinste gemeinsame Nenner" aller Evolutionsvorstellungen zusammengestellt und zugrundegelegt werden. Es handelt sich dabei um Theoriebestandteile aller Evolutionsauffassungen – auch theistisch verstandener –, ohne welche eine Evolution, welcher Art auch immer, schlechterdings unmöglich wäre. Die nachfolgende (nicht vollständige) Aufzählung fasst in Kürze einige wichtige Aussagen zusammen.
1. Im Laufe der Zeit erfolgt eine Komplexitätszunahme (Atome – Moleküle – Makromoleküle – Einzeller – Vielzeller usw.).
2. Die Evolutionsgeschichte umfasst einige Milliarden Jahre; die Menschheit ist mindestens zwei Millionen Jahre alt.
3. Alle Arten von Lebewesen, die heute lebenden und die ausgestorbenen, sind durch gemeinsame Abstammung von einem ersten einzelligen Urlebewesen miteinander verbunden.
4. Für den Menschen bedeutet dies eine Abstammung aus dem Tierreich; der Mensch ist ein umgewandeltes Tier (vgl. Abb. 138). Wie immer das Szenario vom Tier zum Menschen gedacht wird, es liegt in der Natur evolutionärer Vorgänge, dass nicht nur die körperlichen Eigenschaften, sondern auch die Verhaltensmerkmale des Menschen – seien es günstige oder ungünstige – aus den Gesetzmäßigkeiten der Evolution abzuleiten sind (vgl. Abb. 140). Zu den Erklärungszielen der Evolutionsforschung gehört auch eine vollständig naturgesetzliche Ableitung des menschlichen Verhaltens.
5. Evolution läuft in Populationen ab, nicht von Individuum zu Individuum. Populationen (= durch Kreuzung miteinander verbundene Individuen einer Art) sind die Grundeinheit der Evolution.
6. Eine der notwendigen Voraussetzungen für eine evolutive Entstehung der Artenvielfalt einschließlich des Menschen ist eine Überproduktion von Nachkommen und in deren Folge eine Auslese (Selektion) der am besten Angepassten auf Kosten der schlechter Angepassten (Natürliche Selektion. Mutationen (Änderungen des Erbguts) sind die einzige bekannte Quelle für neue Varianten von Lebewesen (Mutation). Diese Quelle der Mutation bringt in großem Ausmaß (in über 99% der Fälle) verminderte Vitalität, Erbdefekte, Krankheiten und Missbildungen hervor, die durch Selektion wieder ausgemerzt werden müssen (vgl. Abb. 139).
7. Evolution kann nur ablaufen, wenn es den individuellen Tod und den Artentod (Aussterben) in großem Maße gibt. Ohne Tod keine Evolution. Die Menschheit ist auf den Tod ungezählter Individuen und das Aussterben einer immensen Zahl von Arten gebaut.
Was folgt nun aus diesen Inhalten der Evolutionstheorie? Inwieweit betreffen sie biblische Inhalte? Nachfolgend werden einige Punkte zusammengestellt.
Wenn der Mensch von Gott durch Evolution erschaffen wurde, betrifft dies das Menschenbild. Im evolutionären Rahmen stellt sich die Frage, an welcher Stelle des Stammbaums der Evolutionslehre Adam (sei es als Individuum oder als Repräsentant einer Evolutionsstufe) einzusetzen sei. Wo beginnt die Menschheit? Im Rahmen der Evolutionslehre wird ein Tier-Mensch-Übergangsfeld angenommen. Die Schwammigkeit dieses Begriffes ist der Kleinschrittigkeit des evolutionären Prozesses durchaus angemessen. Denn ein eindeutig definierbares bzw. auszumachendes erstes Menschenpaar bzw. eine von Tieren klar abgrenzbare erste Menschenpopulation kann es im Evolutionsgeschehen nicht geben, da sich der Formenwandel in Populationen vollzieht (s.o.). Es ist also letztlich nicht möglich, das Menschsein vom Tiersein abzugrenzen, wenn man von Evolution ausgeht.
Konrad Lorenz bezeichnet den heutigen Menschen als Bindeglied zwischen Affe und Mensch. Diesem Gedanken hat sich auch Carsten Bresch verschrieben: Das dunkle Tal auf dem Weg vom Tier zum Menschen haben wir noch nicht ganz durchschritten: das wahre, eigentliche Menschsein wird erst in der Zukunft verwirklicht. Ähnlich meint Hoimar von Ditfurth, der Mensch habe das Tier-Mensch-Übergangsfeld noch nicht völlig durchschritten und sich als wahrer Mensch noch nicht vollständig verwirklicht. Konsequenterweise werden Fehlbarkeit und Sünde des Menschen als Folgen des evolutionären Prozesses angesehen (s. u.).
Evolutionär gesehen gibt es also den Menschen an sich nicht, sondern nur verschiedene Stadien eines Prozesses, die sich nicht qualitativ unterscheiden.
Nach dem biblischen Schöpfungsbericht ist der Mensch dagegen zum Bilde Gottes geschaffen und wurde als Verwalter über die Schöpfung eingesetzt (1 Mose 1,28). Der Mensch ist sozusagen Gottes Stellvertreter. Diese Aufgabe ist zweifellos höchst anspruchsvoll und von einem primitiven „Urmenschen", der sich – evolutionär interpretiert – in einer allmählichen Entwicklung aus dem Tierreich entwickelt hätte, nicht im entferntesten zu bewältigen. Vor einem evolutionären Hintergrund macht die im biblischen Schöpfungsbericht genannte Beauftragung des Menschen keinen Sinn.
Jesus Christus selber bestätigt indirekt die Erschaffung des Menschen, wie sie in den ersten beiden Kapiteln der Bibel (1. Mose 1 und 2) geschildert wird. In einer seiner Auseinandersetzungen mit den religiösen Führern seiner Zeit geht es um die Frage der Ehe und Ehescheidung. Bemerkenswerterweise begründet Jesus seine Antwort damit, dass er auf den Ursprung verweist, wie Gott den Menschen am Anfang gemacht hat. Im Matthäusevangelium ist dieses Gespräch überliefert:
„Da traten Pharisäer an ihn heran, die ihn auf die Probe stellen wollten, und legten ihm die Frage vor: Darf man seine Frau aus jedem beliebigen Grund entlassen (oder: sich von seiner Frau scheiden)? Er gab ihnen zur Antwort: Habt ihr nicht gelesen (1. Mos. 1,27), dass der Schöpfer die Menschen von Anfang an als Mann und Frau geschaffen und gesagt hat (1. Mos. 2,24): 'Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und an seiner Frau hangen, und die beiden werden e i n Fleisch sein'? Also sind sie nicht mehr zwei, sondern e i n Fleisch. Was somit Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.
Sie entgegneten ihm: Warum hat denn Mose geboten (5. Mos. 24,1), der Frau einen Scheidebrief auszustellen und sie dann zu entlassen? Er antwortete ihnen: Mose hat euch (nur) mit Rücksicht auf eure Herzenshärte gestattet, eure Frauen zu entlassen (oder: euch von euren Frauen zu scheiden); aber von Anfang an ist es nicht so gewesen" (Mt. 19,3-8).
Im Gespräch Jesu mit den Pharisäern können wir zwei Beobachtungen machen, die unser Thema betreffen:
1. Als Orientierung für die ihm gestellte Frage zur Ehescheidung gilt für Jesus das, was in den ersten Kapiteln der Heiligen Schrift über die Erschaffung des Menschen und die Erschaffung von Mann und Frau gesagt wird. Das ist für ihn maßgeblich. Was in 1. Mose 1 und 2 gesagt wird, versteht Jesus selber als tatsächliches Geschehnis am Anfang der Menschheit, das in keiner Weise relativiert oder neu gedeutet wird. Die Ehe ist eine Einrichtung des Schöpfers und soll vom Menschen nicht geschieden werden.
2. Die Pharisäer wenden dann aber ein, dass im mosaischen Gesetz doch die Möglichkeit einer Scheidung angesprochen sei. Jesu Antwort darauf ist besonders interessant. Er stellt nämlich zum einen fest, dass Scheidung eine Erlaubnis wegen der Hartherzigkeit des Menschen ist, und zum anderen, dass dies ursprünglich anders war: „Von Anfang an ist es nicht so gewesen." Anfangs gab es keine Scheidebriefregelegung. Warum nicht? Es gibt nur einen plausiblen Grund: Es gab keine Notwendigkeit dazu, weil das menschliche Herz am Anfang noch nicht „hart" war. Damit wird deutlich, dass Jesus einen Unterschied zwischen dem Anfang und dem späteren Zustand des Menschen sieht. Der Mensch war nicht von Anfang an hartherzig, wurde es aber später.
Für die Frage nach der Vereinbarkeit von Schöpfung und Evolution ist dieses Gespräch Jesu mit den Pharisäern sehr aufschlussreich. Denn durch das Zitieren aus 1. Mose 1 und 2 bestätigt Jesus, dass es ein erstes Menschenpaar gab. Dies ist in einem evolutionären Kontext jedoch nicht möglich. Außerdem macht Jesus deutlich, dass es einen Bruch in der Menschheitsgeschichte gab, durch den der Mensch hartherzig wurde. Auch dies ist in einem evolutionären Szenario nicht denkbar, denn wenn der Mensch ein „umgewandelter Affe" ist, hat er dessen Verhalten evolutiv erworben, einschließlich solcher Verhaltensweisen, die beim Menschen als „hartherzig" zu charakterisieren sind.
In der Sache gibt es hier also nur ein Entweder – Oder: Entweder die biblische Schilderung und die Auffassung Jesu geben den wirklichen Anfang des Menschengeschlechts wieder oder das evolutionäre Szenario eines Tier-Mensch-Übergangsfeldes.
Der Bruch, den Jesus in seiner Antwort andeutet, wird ausdrücklich und ausführlich im 5. Kapitel des Römerbriefs thematisiert. Deutliche Anklänge daran sind auch in Römer 8 zu hören. Damit kommen wir zum nächsten Punkt.
Wenn es – evolutionär gesehen – keinen ersten Menschen und kein erstes Menschenpaar gab, kann sich auch kein Sündenfall ereignet haben, wie er in 1. Mose 3 geschildert wird und im Neuen Testament häufig zugrundegelegt wird. Ein Umbruch von der von Sünde unverdorbenen Welt in die Welt der Sünde kann evolutionstheoretisch nicht gedacht werden. Dieses Geschehen wird an vielen Stellen der Bibel aber vorausgesetzt, besonders deutlich im fünften Kapitel des Römerbriefs. Daraus zitieren wir hier einige Verse:
„Darum, gleichwie durch einen Menschen die Sünde in die Welt hineingekommen ist, und durch die Sünde der Tod, und so der Tod zu allen Menschen hindurchgedrungen ist, weil sie ja alle gesündigt haben -. . .
Also: Wie es durch eine einzige Übertretung für alle Menschen zum Verdammungsurteil gekommen ist, so kommt es auch durch eine einzige Rechttat für alle Menschen zur lebenwirkenden Rechtfertigung. Wie nämlich durch den Ungehorsam des einen Menschen die Vielen als Sünder hingestellt worden sind, ebenso werden auch durch den Gehorsam des Einen die Vielen als Gerechte hingestellt werden." (Röm 5,12.18.19)
In diesem Text wird der eine Adam, durch den die Sünde in die Welt kam, dem einen, Jesus Christus, gegenübergestellt, durch den Rechtfertigung und Leben gewährt wird (Abb. 141). Die Person und das Wirken Jesu werden der Person und der Tat Adams gegenübergestellt. Beide sind insofern vergleichbar, als ihre Taten Folgen für die gesamte Menschheit hatten: Durch Adam kamen die Sünde und als Folge der Tod in die Welt, durch Jesus Christus die Rechtfertigung und das Leben (V. 18: „lebenwirkende Rechtfertigung"). „Rechtfertigung" bedeutet, dass der Mensch, obwohl er als Sünder verloren ist, durch Jesu Stellvertretung dennoch vor Gott als gerecht dastehen kann und daher gerettet ist – wenn er dieses Angebot persönlich für sein Leben annimmt (wie am Ende von V. 17 anklingt). Sünde und Rechtfertigung stehen also einander gegenüber und ebenso ihre jeweiligen Folgen: der Tod (als Folge der Sünde) und das Leben (als Folge der Rechtfertigung) (V. 18f.).
Die Gegenüberstellung Adam – Jesus Christus macht deutlich, dass Adam eine historische Persönlichkeit ist, wie es auch bei Jesus der Fall ist. Die Gegenüberstellung dieser beiden Personen lässt keinen anderen Schluss zu. Adam war das Einfallstor für die Sünde und den Tod. Damit ist klar: Zentrale Themen des Neuen Testaments wie die Rechtfertigung und Sündenvergebung und damit verbunden der Zugang zum ewigen Leben sind eng verknüpft mit dem Einbruch der Sünde in die Welt; er bildet den Hintergrund der Erlösungsbedürftigkeit des Menschen. Existiert dieser Hintergrund (im Rahmen der Evolutionslehre) aber nicht, macht auch die Erlösung durch Jesu Sterben und Auferstehung keinen Sinn. Wenn die Sünde des Menschen nämlich Folge des von Gott gesteuerten evolutionären Prozesses wäre (eine Konsequenz einer theistisch gedeuteten Evolution, s. u.), könnte der Mensch auch nicht zur Rechenschaft dafür gezogen werden. Damit wäre aber unverständlich, weshalb Jesus Christus stellvertretend für die Menschen am Kreuz sterben musste, was das Neue Testament betont bezeugt.
In Röm 5,12ff. wird auch ausdrücklich gesagt, dass die Sünde durch einen einzigen Menschen in die Welt einbrach. Diesen einzigen gibt es im Rahmen einer vom Tier zum Menschen verlaufenden Evolution nicht. Der in Röm 5,12-19 dargelegte Zusammenhang zwischen Adam und Jesus passt also nicht zu einem evolutiven Ursprung des Menschen, auch und gerade dann nicht, wenn er von Gott gelenkt worden wäre.
In Röm 5,12ff. ist der leibliche Tod gemeint, da der Tod als Folge der Sünde verstanden wird. Der geistliche Tod (die Trennung des Menschen von Gott) kann hier nicht gemeint sein, da „Sünde" mit „geistlichem Tod" gleichzusetzen ist. Röm 5,12 sagt daher, dass der geistliche Tod (= Sünde) den (leiblichen) Tod zur Folge hat. Im Zusammenhang des Textes vor und nach Röm 5,12 kann der Tod ebenfalls nur leiblich verstanden werden (es ist vom Sterben Jesu die Rede und vom Sterben der Väter nach Adam).
Das Seufzen der Schöpfung. Aufschlussreiche Auskunft über die Situation der gegenwärtigen Schöpfung gibt eine Passage aus dem 8. Kapitel des Römerbriefs. In den Versen 19-22 wird von einer Knechtschaft der Vergänglichkeit und einem Seufzen der Schöpfung gesprochen, sowie von einem sehnsüchtigen, gespannten Warten („Harren") auf Befreiung von dieser Situation. Der jetzige Zustand der gesamten Schöpfung entspricht nicht dem ursprünglichen: die Schöpfung (auch die außermenschliche) wurde der Nichtigkeit bzw. der Vergänglichkeit unterworfen; sie war also früher anders. Damit wird unausgesprochen ein früherer Zustand der Schöpfung vorausgesetzt, der das Kennzeichen der Vergänglichkeit und des Seufzens noch nicht besaß. (Nähere Erläuterungen hierzu finden sich im Artikel Biblische Aussagen zur Existenzweise der Lebewesen.)
Dieses Verhängnis des Unterworfenseins unter die Knechtschaft der Vergänglichkeit war nicht von von Anfang an verwirklicht (und wird auch nicht immer bleiben); es gehört nicht zur ursprünglichen Schöpfung (Gott hat keine seufzende, geknechtete Schöpfung geschaffen). Die Unterwerfung ist um des Menschen willen geschehen (V. 20). Das verweist auf die Tat Adams als Auslöser für den Zustand des Unterworfenseins und des Seufzens. Der Unterwerfer selber kann jedoch nur Gott sein, denn nur er kann auf Hoffnung hin unterwerfen. Auch die Verwendung des sog. „göttlichen Passivs" („wurde unterworfen") weist in diese Richtung. (Der „göttliche Passiv" wird im biblischen Sprachgebrauch häufig verwendet, um das Handeln Gottes zu umschreiben.)
Aus Röm 8,18ff. folgt, dass die Schöpfung ursprünglich wesensmäßig anders beschaffen war als heute. Sie wurde der Vergänglichkeit unterworfen und besaß somit ursprünglich dieses Merkmal nicht.
Auch diese Schilderung der durch eine Unterwerfung geknechteten und der Vergänglichkeit anheimgestellten Schöpfung passt nicht zu einem evolutionären Weltbild. Denn dort ist die Schöpfung schon immer der Vergänglichkeit unterworfen; etwas anders gibt es nicht und wird es nicht geben. Und diese Situation ist im Rahmen der Evolutionslehre unabhängig vom Fall des Menschen – wieder entgegen Römer 8,19ff.
Dass es ursprünglich eine anders geartete Schöpfung gab, wird auch durch die Nahrungszuweisung im Schöpfungsbericht (1. Mose 1,29-30) unterstrichen: Den Tieren und dem Menschen wurde ursprünglich ausschließlich pflanzliche Nahrung zugewiesen. „Und es geschah so" (1. Mose 1,30) – im evolutionären Werdegang ist dies dagegen zu keinem Zeitpunkt so verwirklicht gewesen.
Das biblische Verständnis des Geknechtetseins der Schöpfung, ihres „Gleichgewichts des Schreckens" des Fressens und Gefressenwerdens ist also grundverschieden und unvereinbar mit einem evolutiven Naturverständnis. Dort ist dieses Gleichgewicht Motor der Entwicklung, hier dagegen ein Ausdruck dessen, dass die Schöpfung ihren ursprünglichen Frieden verloren hat (Abb. 142).
„Schöpfung durch Evolution" bedeutet das Unterfangen, beides harmonisieren zu wollen. Wie soll das möglich sein? Schöpfung durch Evolution hieße Schöpfung durch Überproduktion, Auslese der Bestangepassten, Konkurrenz und Tod – das passt nicht zu dem, was die Bibel über Gottes Schöpfungshandeln sagt (vgl. Evolutionsmechanismen als Schöpfungsvorgang).
Wie kann „Sünde" im Rahmen der Evolutionslehre verstanden werden? Wie bereits angesprochen, kann eine Verhaltensevolution nicht von der Evolution von Körperstrukturen abgekoppelt werden. Das bedeutet: Wenn Gott die körperliche Evolution ermöglicht oder gelenkt hat, so muss dies konsequenterweise auch für das Verhalten gelten. Sündiges Verhalten bzw. Sünde schlechthin ist damit Folge der Evolution, deren notwendige Begleiterscheinung. Denn im Rahmen der Evolutionslehre gilt: In Existenz ist alles, was sich evolutiv bewährt hat, was zum Überleben dienlich war. So muss beispielsweise die Aggressivität des Menschen durch seine evolutionäre Vergangenheit verstanden werden. Aber nicht nur ungünstige Verhaltensweisen, sondern auch positive Seiten menschlichen Zusammenlebens, kurz seine Natur insgesamt, stellen sich als Ergebnis evolutionärer Prozesse dar. Alles, was den Menschen ausmacht, hat sich evolutionstheoretisch gesehen unter den Lebensbedingungen unserer Vorfahren als zweckmäßig herausgestellt, sonst hätten sich entsprechende Merkmale des Verhaltens nicht durchsetzen können. Diese Situation hat K. Lorenz prägnant auf den Punkt gebracht, als er die Menschheitssituation wie folgt diagnostizierte: „In der Hand die Atombombe und im Herzen noch immer die archaischen Instinkte unserer prähistorischen Ahnen" (vgl. Abb. 140). Das Übel in der Welt gab es – evolutionär gesehen – also schon vor dem Menschen und unabhängig von seinem Tun. Indem der Mensch evolutiv entstand, wurde er notwendigerweise, ungewollt, gleichzeitig zum Sünder. Theistische Evolution heißt: Gott schuf den Menschen als Sünder. Gibt es eine Möglichkeit, im Deutungsrahmen der Evolutionslehre diese Schlussfolgerung zu vermeiden? Überlegungen dazu werden im Artikel Evolution des Leibes, aber Erschaffung der Seele? diskutiert. Evolution konsequent zu Ende gedacht, lässt aber keinen Ausweg aus dieser Konsequenz erkennen: Sünde ist nicht durch das Tun des Menschen bedingt; der Wille des Menschen war nicht beteiligt. Der Mensch ist Sünder, genauso wie er Geschöpf ist oder genauso wie er (biologisch) Säugetier ist.
Vielleicht der schwerwiegendste theologische Einwand gegen die Evolutionsanschauung resultiert aus der Rolle und Bedeutung des Todes in der Schöpfung. Während in evolutionärer Perspektive der Tod letztlich als kreativer Faktor zu werten ist (ohne Tod keine Evolution und damit keine Schöpfung, wenn Evolution als Schöpfungsmethode Gottes verstanden wird), ist der Tod in biblischer Sicht die Verneinung des Lebens. Der Tod ist Folge der Sünde und gerade nicht ein Ausdruck des schöpferischen Handeln Gottes. Aus Röm 5,12-14 geht hervor, dass der körperliche Tod als Sündenfolge eingeschlossen und nicht nur der geistliche Tod gemeint ist. Die Heilige Schrift geht noch weiter und bezeichnet den Tod als „Feind Gottes", der besiegt wird (1 Kor 15,26). Durch Jesu Tod und Auferstehung ist er bereits besiegt. Die Auferstehung Jesu ist der Sieg über den Tod. Es ist nicht ersichtlich, wie der Tod einerseits (in evolutionärer Perspektive) Mittel der Schöpfung und Ausdruck der guten Schöpfung Gottes sein kann, andererseits in biblischer Sicht zugleich eine besiegenswerte Macht ist.
Tod in der Fossilüberlieferung. Weiter oben wurde erläutert, dass in biblischer Sicht das Seufzen und die Vergänglichkeit in der Natur nicht zur ursprünglichen Schöpfung gehören, sondern die Schöpfung infolge einer „Unterwerfung" in diesen Zustand versetzt wurde – in Mitleidenschaft mit dem Menschen. Dies hat gewaltige Konsequenzen für die Deutung der Fossilüberlieferung, denn Fossilien sind nicht nur Zeugnisse vergangenen Lebens, sondern auch Zeugnisse des Todes in der Schöpfung. Der Tod kam erst durch den Menschen in die Welt – nach Römer 8,19ff. ausdrücklich in die gesamte außermenschliche Schöpfung (vgl. Artikel Biblische Aussagen zur Existenzweise der Lebewesen und Die Bindung der Erdgeschichte an den Sündenfall des Menschen). Daher ist die Fossilüberlieferung und die Entstehung der betreffenden fossilführenden Gesteine an die Menschheitsgeschichte gekoppelt. Es ist biblisch geurteilt folglich nicht möglich, die Fossilüberlieferung sozusagen in die Schöpfungswoche hinein zu verlegen. Denn als Gott „sprach" (1. Mose 1) und aufgrund seines schöpferischen Wortes die Werke der Schöpfung ins Dasein kamen, war das Ergebnis nicht eine seufzende, dem Tod verfallene und geknechtete Welt, die sich in unzähligen, meist gewaltsam verschütteten Fossilien widerspiegelt. Die Fossilüberlieferung passt nicht zum Schöpfungsbericht der Bibel.
Da die Menschheitsgeschichte nach der Bibel nur Jahrtausende zählt (siehe Der kurze Zeitrahmen der Urgeschichte: Nur einige Jahrtausende, gilt dies aufgrund des eben erläuterten Zusammenhangs der Menschheitsgeschichte mit der Geschichte des Lebens auch für alle anderen Lebewesen. Die geologischen Schichten, die Fossilien bergen, müssen daher ebenfalls im Rahmen einer kurzen Erdgeschichte interpretiert werden. Auch wenn die biblische Urgeschichte das Menschheitsalter oder das Alter der Erde nicht ausdrücklich angeben, so folgt doch aufgrund des Zusammenhangs der Geschichte der ganzen Schöpfung mit dem Schicksal des Menschen eine ungefähre Größenordnung von einigen Jahrtausenden.
Daraus resultieren zweifellos große Herausforderungen für eine biblisch-urgeschichtliche Geologie. Denn die ältesten fossilführenden Schichten mit tierischen Fossilien werden von der Historischen Geologie auf ca. 550-600 Millionen Jahre datiert, und die Erde selbst soll ca. 4,6 Milliarden Jahre alt sein. Eine der biblischen Urgeschichte verpflichtete Wissenschaft muss also die zugrundeliegenden Befunde aus den Geowissenschaften völlig neu in einem um Größenordnungen geringeren Zeitrahmen deuten. Diese Aufgabe kann kaum unterschätzt werden, und viele wissenschaftliche Befunde scheinen deutlich gegen eine Deutung im Rahmen einer jungen Erde oder auch nur einer kurzen Geschichte des Lebens entgegenzustehen. Doch wenn der biblischen Überlieferung Priorität eingeräumt wird, gibt es zu dieser Aufgabe keine Alternative.
Eine allgemeine Evolution hat auch in theistischer Interpretation Folgen für grundlegende Aussagen der Bibel, insbesondere des Neuen Testaments. Das Schöpfungshandeln Gottes ist der Ausgangspunkt für alles Weitere. Was wäre, wenn das Fundament der Schöpfung durch (theistische) Evolution ersetzt werden würde? Was wäre, wenn Gott durch Evolution geschaffen hätte?
1. Es gäbe kein erstes Menschenpaar (Mt 19,3-8; Röm 5,12ff.). Damit bräche die Gegenüberstellung Adam – Christus zusammen (vgl. Abb. 141).
2. Gott hätte den Menschen als Sünder erschaffen. Die Rechfertigung des Sünders durch den stellvertretenden Sühnetod Jesu würde keinen Sinn mehr machen.
3. Gott hätte den Tod als schöpferisches Mittel eingesetzt. In biblischer Sicht ist der Tod jedoch ein Feind (1 Kor 15,26) und er ist durch Jesus entmachtet worden (2 Tim 1,10).
Die Schöpfungsfrage ist also nicht weniger wichtig als das, was Jesus für die Menschen getan hat. Beides hängt untrennbar miteinander zusammen (vgl. Abb. 143). Wenn einem Jesus und sein Erlösungswerk wichtig ist, muss das auch für die Frage der Entstehung und die Geschichte des Menschen gelten, da Jesu Wirken ohne diesen Hintergrund nicht verstanden werden kann und da Jesu Kommen keinen Sinn mehr machen würde, wenn der Mensch einen Tier-Mensch-Übergangsfeld entstammen würde.
Literaturhinweise: Eine kompakte Zusammenfassung der Thematik bietet: Reinhard Junker: Jesus, Darwin und die Schöpfung. Warum die Ursprungsfrage für die Christen wichtig ist. Holzgerlingen, 2. Auflage 2004.
Ausführlich wird diese Thematik behandelt in: Reinhard Junker (1994) Leben durch Sterben? Schöpfung Heilsgeschichte und Evolution. Studium Integrale. Neuhausen.
Mit der theologischen Problematik einer theistischen Evolution beschäftigt sich auch Werner Gitt in Teilen des Buches „Schuf Gott durch Evolution?" Neuhausen.
C. Bresch: Zwischenstufe Leben. Evolution ohne Ziel? München, 1977; vgl. auch Bresch (Anm. 1).
K. Lorenz, zit. nach: Riedl, Rupert: Diskussionsbeiträge. In: R. Riedl & F. Kreuzer (Hg.) Evolution und Menschenbild. Hamburg, 1983, S. 121–136. (Zitat: S. 133)
H. v. Ditfurth: Wir sind nicht nur von dieser Welt. Hamburg, 1981, S. 21.
Welches Gottesbild verträgt sich mit einer naturalistischen Evolution?
Widersprechen sich Schöpfung und Evolution?
Autor: Reinhard Junker, 14.06.2004
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