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Schöpfung - Fragen und Antworten: Theologie...

Ist der Hase ein Wiederkäuer?

Ein Beitrag zum naturkundlichen Bezug biblischer Offenbarung

„Die Bibel ist kein naturwissenschaftliches Lehrbuch“ – das ist ein Satz, mit dem viele konfrontiert werden, die an der Relevanz der biblischen Überlieferung auch für naturkundliche und geschichtliche Fragen festhalten. Und dieser Satz stimmt auch. Wäre die Bibel tatsächlich ein Lehrbuch, dann würde sie zum Beispiel definieren, was eine „geschaffene Art“ sei. Oder sie würde Naturdinge systematisch beschreiben und nicht nur beiläufig erwähnen.

Doch soll mit dem Satz, die Bibel sei kein naturkundliches Lehrbuch eigentlich etwas ganz anderes gesagt werden als die banale Tatsache, dass die Bibel nicht lehrbuchhaft die Natur beschreibt. Oft dient er als entschuldigende Begründung dafür, dass die Bibel in naturkundlichen Aussagen öfter irre und dass daher die Bibel in naturkundlichen Fragen irrelevant sei. Viele gehen noch weiter, indem sie auch den Schöpfungsbericht (1. Mose 1) oder die biblische Sintflutüberlieferung als nicht realistisch gemeinte Schilderungen ansehen und auf „die Wissenschaft“ (hier auf die Evolutionslehre) verweisen, die ja gezeigt habe, dass biblische Wahrheiten naturkundliche Aspekte nicht betreffen würden.

Als beliebte Begründung für diese Auffassung wird darauf verwiesen, dass nach der Bibel der Hase ein Wiederkäuer sei (nachzulesen in 3. Mose 11,6 und 5. Mose 14,7). Und das sei ja nun offenkundig falsch. So berichtet z. B. Dr. Gerhard Maier in einem Aufsatz über Hermeneutik (Verstehenslehre), wie sein theologischer Lehrer, Professor Käsemann, dieses Argument seinen erstaunten Studenten entgegen hielt. Mir wurde selber in meiner Doktorprüfung die Frage gestellt, was ich denn antworten würde, wenn jemand mit dem Hinweis auf den „wiederkäuenden Hasen“ die Irrtumslosigkeit der Bibel bestreitet.

Von Theologen kann man freilich nicht erwarten, dass sie sich in der Biologie der Hasenartigen auskennen. Doch sie hätten sich bei den Biologen erkundigen können. Es ist nämlich schon seit über 100 Jahren in der neuzeitlichen Biologie bekannt und veröffentlicht, dass Hasen tatsächlich Wiederkäuer sind, wenn auch in einer anderen Weise als die Rinderartigen. Diese Verhaltens- und Verdauungsweise der Hasenartigen habe ich im ersten Semester meines Biologiestudiums in der Tierphysiologievorlesung kennengelernt. Ich kann mich noch daran erinnern, dass Prof. Hassenstein darauf aufmerksam machte, dass die biblische Beschreibung korrekt sei.

Mose wusste es offenbar schon viel früher, denn er bzw. seine Zeitgenossen hatten das göttliche Gebot verstanden, und dessen naturkundlichen Bezug durch genaue Naturbeobachtung nachvollzogen. Selbstverständlich haben sie ihre Beobachtungen nicht in der modernen wissenschaftlichen Fachsprache festgehalten, sondern in der Sprache der Anschauung. Tatsächlich: Die Bibel ist kein Naturkundelehrbuch, in dem systematisch wie etwa in Grzimeks Tierleben die verschiedenen Tiergruppen abgehandelt werden. Der wiederkäuende Hase wird in einem anderen Zusammenhang erwähnt, nämlich in den Verordnungen über reine und unreine Tiere. Inwiefern ist nun aber der Hase ein Wiederkäuer? Lassen wir das eben erwähnte Tierlexikon Grzimeks Tierleben zu Wort kommen. Im 12. Band wird auf S. 421f. folgendes geschildert:

„Im Jahre 1882 veröffentlichte Morot in einer französischen tierärztlichen Zeitschrift seine Beobachtungen über die schleimüberzogenen «Magenpillen» der Kaninchen. Außer der normalen festen Losung erzeugen diese Tiere nämlich eine zweite Kotform – weiche, schwachgeformte Kügelchen, die sie nach Ablage sofort aufnehmen und unzerkaut schlucken. Sie sammeln sich an einer bestimmten Stelle des Magens (in der Cardiaregion) und werden nochmals verdaut. Auf solche Weise geht ein Teil der Nahrung zweimal durch den Darm und wird dadurch besser aufgeschlossen. Diese Doppelverdauung ähnelt in gewisser Weise dem Wiederkäuen der meisten Paarhuferfamilien. Der weiche Kot (Caecotrophe) wird im Blinddarm gebildet und dort stark mit Vitamin B1 angereichert; nach den Untersuchungen von Scheunert und Zimmermann enthält er gegenüber dem normalen Kot die vier bis fünffache Menge an Vitaminen. Für die Hasentiere ist der «Blinddarm-» oder «Vitaminkot» lebenswichtig; er erleichtert ihnen vermutlich auch das Überstehen längerer Fastenzeiten bei ungünstiger Witterung“ (Hervorhebung nicht im Original).

Übrigens berichtete mir ein Freund, dass seine Kinder das Kotfressen des Hasen selber beobachteten, ohne dass sie zuvor von dieser Eigenart gewusst hatten. Es war ihnen beim Beobachten von Hasen aufgefallen. (Es braucht kaum hervorgehoben zu werden, dass sie es nicht besonders appetitlich fanden, aber Menschen sind nun mal keine Hasen.) Was Kinder beobachten können, konnten auch die Menschen vor über 3.000 Jahren feststellen. Das Wiederkäuen des Hasen haben sie nicht „erfunden“. Sie konnten es genauso beobachten wie Zoologen der Neuzeit.

Welche Schlussfolgerungen können wir ziehen? An diesem Beispiel wird exemplarisch deutlich, dass die Bibel naturkundlich sehr wohl relevant ist, auch wenn sie die naturkundlichen Bemerkungen nicht lehrbuchhaft schildert, sondern im Rahmen eines anderen Zwecks. Der Hase ist kein Mitglied der rinderartigen Wiederkäuer; er gehört zoologisch in eine andere Säugetierordnung als die anderen Wiederkäuer. Doch in 3. Mose 11 geht es nicht um eine zoologische Systematik. Das, was die Bibel aber schildert, ist korrekt in einer anschaulichen, allgemeinverständlichen Art dargestellt. Der blinddarmkotfressende Hase ist ein gutes Beispiel dafür.


Autor: Reinhard Junker, 27.09.2008

 
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