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10.01.06  Wie die Evolutionstheorie vor Kritik geschützt wird

In der aktuellen Debatte um Schöpfung, „Intelligent Design“ und Evolution tauchen häufig bestimmte Argumentationsmuster und Strategien auf, mit denen die Evolutionsanschauung vor grundsätzlicher Kritik geschützt wird. Im folgenden ist mit „Evolution“ (auch in den Zitaten) die Gesamtevolution allen Lebens, also die Entstehung neuer Baupläne gemeint (Makroevolution, siehe Mikro- und Makroevolution). Dass es zahlreiche Variationsmechanismen bis hin zu Art- und Gattungsbildung gibt, ist unstrittig, kontrovers zu diskutieren ist aber die Frage nach der Makroevolution. Wie wird diese Diskussion zu verhindern versucht?

 

Makroevolution wird als Tatsache hingestellt und das wird durch irreführende Vergleiche zu untermauern versucht.

So sagt Ulrich Kutschera in „Frontal 21“ (ZDF, 15. 11. 2005): „Evolution ist eine dokumentierte Tatsache, so sicher wie zum Beispiel, dass die Erde keine Scheibe ist. Die Erde ist rund, Evolution hat stattgefunden, daran zweifelt kein kompetenter, sachkundiger Biologe mehr.“ Die Erforschung der evolutionär gedeuteten Geschichte des Lebens (Makroevolution) wird damit als wissenschaftstheoretisch gleichartig mit der Erforschung der Gestalt der Erde hingestellt. Andere haben die Evolutionstheorie mit der Atomtheorie verglichen. Diese Vergleiche sind wissenschaftstheoretisch unhaltbar. Hier liegt ein entscheidender Fehler in der Argumentation. Eine ausführliche Begründung bietet der Genesisnet-Artikel Methodik der historischen Forschung.

Aus diesen irreführenden Vergleichen werden zwei Dinge gefolgert, die folglich genauso falsch sind wie der Vergleich, auf dem sie beruhen:

• Eine kritische Auseinandersetzung darüber, ob Evolution wirklich abgelaufen ist oder nicht sei genauso unsinnig, wie darüber zu debattieren, ob die Erde eine Kugel ist. Damit erübrige sich, sich mit grundsätzlicher Evolutionskritik zu befassen, ja das sei sogar unsinnig.1 Folglich gebe in der Biologie keine Debatte über Evolution.

• Wer die „Tatsache Makroevolution“ bestreitet, ist wissenschaftsfeindlich, da er feststehende wissenschaftliche Tatsachen negiert. Das erklärt, weshalb beispielsweise der „Spiegel“ in seiner letzten Ausgabe von 2005 Evolutionskritiker als „Wissenschaftsfeinde“ bezeichnet (vgl. dazu Die Evolutionsbeweise des „Spiegel“).

Aus der vermeintlichen Wissenschaftsfeindlichkeit folgt die weitere, noch schwerer wiegende Schlussfolgerung, der aufgeklärten Gesellschaft solle die Grundlage entzogen werden („Der Spiegel“, 52/2005, S. 136). Die dahinterstehende Logik: Wissenschaft ist das Fundament von vielen Lebensbereichen (Medizin, Technik etc.), wer Evolution bestreitet, ist gegen Wissenschaft und damit gegen die Grundlagen unserer Gesellschaft. Daher sind Evolutionskritiker sogar gefährlich, ihre „Einmischung“ in die Wissenschaft ist intolerabel, und sie müssen bekämpft werden.

Der Schluss ist nun klar: Wer will schon, dass unsere Gesellschaft ihrer Grundlagen beraubt wird, zu denen (vermeintlich) auch die Evolutionstheorie gehört? In Wirklichkeit stellt sich diese Frage jedoch gar nicht. Diese vermeintliche Gefahr wird erst dadurch konstruiert, dass man durch irrige Assoziationen der Evolutionstheorie Qualitäten zuspricht, die sie nicht hat: wissenschaftlich bewiesen und Fundament der Gesellschaft zu sein.

Das Ergebnis: Die Evolutionsanschauung als Rahmenparadigma wird generell vor sachlicher Kritik geschützt.

 

Es wird zwar eingeräumt, dass die Evolutionstheorie „unvollständig“ und „lückenhaft“ sei; dies begründe aber ihre Ablehnung in keiner Weise und berechtige nicht zu fundamentaler Kritik.

Die Evolutionstheorie wird beispielsweise mit einem Mosaik mit Leerstellen verglichen. Das Motiv des Mosaiks sei jedoch klar. Ist aber dieser Vergleich treffend? Hier muss man differenzieren.

• In der Frage der Mechanismen für Makroevolution und in der Frage nach der Entstehung des Lebens ist dieser Vergleich unpassend. Oft wird der Eindruck erweckt, als sei die Mechanismenfrage seit Darwin durch dessen Selektionstheorie im Wesentlichen beantwortet und wer das Gegenteil behaupte, trage die Beweislast. Davon kann aber nicht die Rede sein. Wenn man hier mit dem Mosaikvergleich operiert, dann fällt er eher so aus, dass man nur ein paar unbedeutende Teile kennt, aus denen sich das Bild noch nicht einmal ansatzweise abzeichnet. Zur Begründung sei auf die Genesisnet-Artikel zur Präbiotischen Chemie und die Artikel zu den molekularen Mechanismen der Evolution verwiesen (Gene tinkering und Homeobox-Gene und Evolution). Ohne einen funktionierenden Mechanismus kann die Evolution der Lebewesen aber nicht als Tatsache gelten (vgl. Evolutionsparadigma und Naturwissenschaft, Abschnitt „Die Plausibilität der Abstammungslehre ist vom Stand der Ursachenforschung abhängig“).

• Die Ablehnung der „Tatsache der Evolution“ wird aber von den Kritikern nicht nur mit der fehlenden (bzw. vermeintlich nur lückenhaften) Kenntnis der Mechanismen für Makroevolution begründet, sondern auch mit der mangelnden Stichhaltigkeit der für sie vorgebrachten Belege. Dass viele Daten durch Makroevolution deutbar sind, wird nicht bestritten, wohl aber der Absolutheitsanspruch dieser Deutung. Dass und weshalb die Belege für Makroevolution in Frage gestellt werden können, wird in vielen Artikeln in Genesisnet sowie ausführlich in „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ begründet. Bedenklich ist hier die Aussage Martin Neukamms: „Ist das Fehlen stichhaltiger Beweise also ein wissenschaftlicher Grund, um die Deszendenztheorie abzulehnen? Selbstverständlich nicht!“ (http://www.evolutionsbiologen.de/philsemj.pdf) Abgelehnt wird nur ein Absolutheitsanspruch. Umgekehrt aber: Warum sollte man trotz Fehlens stichhaltiger Beweise Makroevolution als Tatsache betrachten? Doch nur dann, wenn die Evolutionsanschauung als Rahmenparadigma de facto als Glaubensgrundlage fungiert, die nicht angetastet und vor grundsätzlicher Kritik geschützt wird.

 

Berufung auf Mehrheiten und persönliche Diffamierungen

Ein weiteres beliebtes Mittel zum Schutz der Evolutionstheorie vor Kritik die Berufung auf die erdrückende Mehrheit der Wissenschaftler; dies kommt beispielsweise im eingangs genannten Zitat von Kutschera zum Ausdruck: „... daran zweifelt kein kompetenter, sachkundiger Biologe mehr.“ Stellt sich nur noch die Frage, woran man die Kompetenz von sachkundigen Biologen festmacht.

Schließlich genügt oft schon der Hinweis auf das konservative Bibelverständnis von Evolutionskritikern, um den Diskurs auf der Sachebene erst gar nicht zu eröffnen. Stattdessen wird mit Begriffen wie „sektiererisch“, „fundamentalistisch“, „religiös eifernd“, „wissenschaftsfeindlich“ etc. nicht gespart. Es genügt zu glauben, dass Adam und Eva als Stammelternpaar der Menschheit tatsächlich gelebt haben, um als nicht diskursfähig zu gelten.

 

Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen ist wissenschaftsfreundlich.

In dem von „Wort und Wissen" herausgegebenen Lehrbuch („Evolution – ein kritisches Lehrbuch“, http://www.wort-und-wissen.de/lehrbuch/main.html) werden die Evidenzen für Evolution ausführlich und respektvoll dargestellt. Ein besonderes Augenmerk wird aber darauf gelegt, wo die Grenzen naturwissenschaftlicher Aussagemöglichkeiten liegen und wo Behauptungen nicht mehr schlüssig durch Daten gedeckt sind. Das ist wissenschaftsfreundlich, weil der Vorläufigkeit und der Begrenztheit wissenschaftlicher Aussagen Rechnung getragen wird und der Wissenschaft nicht Fähigkeiten zugeschrieben werden, die sie nicht hat. Wissenschaft wird also nicht weltanschaulich überhöht. Auch der Ansatz des „Intelligent Design“ beinhaltet eine saubere Trennung von Wissenschaft und Weltanschauung. Die Vermischung von beidem wird von uninformierten Kritikern behauptet, um diesen Ansatz im Vorfeld einer Sachauseinandersetzung zu diskreditieren bzw. zu verhindern.

Die Studiengemeinschaft Wort und Wissen ist aber nicht wissenschaftsgläubig. Damit ist gemeint, dass Wissenschaft in Ursprungsfragen nicht als alleinige Erkenntnisquelle betrachtet wird. In Fragen zur Geschichte des Lebens, zu welchen sich die biblische Überlieferung klar äußert, räumt die Studiengemeinschaft der biblischen Offenbarung bei Widersprüchen mit (immer nur vorläufigen) wissenschaftlichen Theorien mehr Gewicht ein. Die sachlichen Probleme dieses Ansatzes (z. B. junge Erde) werden nicht verschwiegen. Auch darin zeigt sich die Wertschätzung (aber nicht Absolutsetzung) wissenschaftlicher Erkenntnis, da dem eigenen Weltbild widersprechende Befunde weder geleugnet noch verschwiegen werden. Wort und Wissen lehnt ein naturalistisches Weltbild ab, ist aber sicher kein Feind der Wissenschaft.

 

Anmerkung

1 Kutschera hält den Terminus „Evolutionskritik“ sogar für einen Unbegriff und
wird wie folgt zitiert: „Man stelle sich nur einmal vor, ein Chemie-Professor würde
öffentlich die inhaltlichen und methodischen Grundlagen der Chemie verteidigen,
nur weil ein ‘Atom-Kritiker’ aus religiösen Gründen glaubt, den Einfluß von Göttern,
Geistern oder Dämonen in der Chemie annehmen zu müssen
. Das wäre blanker Unsinn“ (http://www.evolutionsbiologen.de/althaus.html). Hier werden gleich zwei Fehler begangen: 1. Der unhaltbare Vergleich zwischen historischer und empirischer Wissenschaft liegt wiederum zugrunde (Vergleich Evolution – Inhalt der Chemie), 2. Ein Inhalt (historische Evolution) wird mit einer Methode („methodische Grundlagen der Chemie“) verglichen.

Autor dieser News: Reinhard Junker

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