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07.02.24  Spuren von Vögeln oder vogelartige Spuren?

In Sedimenten der oberen Trias im südlichen Afrika sind zwei Typen von schon länger bekannten fossilen Fußspuren neu untersucht worden; einer der beiden Typen erwies sich als ausgeprägt vogeltypisch. Normalerweise würde man den Schluss ziehen, dass die Spuren von Vögeln stammen, doch dafür sind sie nach herkömmlicher zeitlicher Einordnung mindestens 60 Millionen Jahre zu alt. Wie gehen die Forscher mit diesen Befunden um?

Fußspuren spiegeln den Bau des Fußes wider und ermöglichen Rückschlüsse auf das Verhalten des Fährtenlegers. Gegenüber Körperfossilien haben Fußspuren den großen Vorteil, dass ein Tier eine große Anzahl davon hinterlassen kann, die potenziell erhalten bleiben können, jedoch nur einen einzigen Körper. Daher besteht die gute Chance, dass fossile Tierspuren interessante Informationen liefern. Viele Tiere sind nur durch ihre Spuren bekannt. Dies gilt auch für dreizehige Spuren des Ichnogenus („Spurengattung“) Trisauropodiscus aus der Obertrias und dem Unterjura des südlichen Afrika, die bereits Mitte des 20. Jahrhunderts gefunden wurden.

Miengah Abrahams und Emese M. Bordy, Paläontologinnen von der University of Cape Town in Südafrika, untersuchten erneut Feldmaterial, Originalabgüsse, historische Fotografien und früher veröffentlichte interpretierende Skizzen von Trisauropodiscus-Spuren von vier Orten im südlichen Afrika, um diese Spurengattung neu zu bewerten. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass es zwei verschiedene Morphotypen von Trisauropodiscus gibt (Abb. 444), von denen einer Fußabdrücken von Vögeln stark ähnelt. In ihrer Zusammenfassung schreiben die Forscherinnen, dass die untersuchten Spuren nachweislich vogelähnliche Gebilde sind und den ältesten Vogelkörperfossilien um etwa 60 Millionen radiometrische Jahre (MrJ) vorausgehen. Die ältesten Spuren des Typs II entstammen Schichten, die auf 215,4 MrJ datiert werden (Abrahams & Bordy 2023, 12). An der Fundstelle in Maphutseng erstrecken sich die Spuren über 80 m Länge und 5 m Breite.

Der zweite Morphotyp (die beiden rechten Spuren in Abb. 444) hat nach Einschätzung der Forscher eine „überzeugende“ Nähe zu Vögeln, sei jedoch „nicht eindeutig“ vogelartig, da ihm ein gut entwickelter Mittelfußknochen des dritten Fingers fehlt und keine direkten Belege für zugehörige Hallux-Abdrücke (abstehender großer Zeh) erhalten sind. Über eindeutige Kriterien zur Unterscheidung von Vogelspuren und vogelähnlichen Dinosaurier-Spuren gibt es laut Abrahams & Bordy (2023, 12) keinen Konsens.

Morphotyp II weist jedoch eine ganze Reihe vogelähnlicher Merkmale auf: Gesamtähnlichkeit mit Spuren heutiger Vögel, geringe Größe (Länge < 7,5 cm), Spuren sind breiter als lang, Zehen sind schlank und zeigen undeutliche Ballenabdrücke, der Gesamtwinkel der Zehenspitzen ist groß und die Spuren sind relativ zu den Mittellinien der Fährten einwärts gedreht (Abrahams & Bordy 2023, 12). Dazu kommen eine hohe Fährtendichte, das Fehlen einer bevorzugten Fährtenausrichtung und eine Assoziation mit Spuren von Wirbellosen. Diese letzteren Merkmale sind jedoch nicht nur bei Vögeln zu finden, sondern auch bei Dinosaurierspuren.

Die Forscherinnen sind trotz dieser Indizien der Meinung, dass ein „unbekannter fakultativ dreizehiger Archosaurier“ die Spuren erzeugt haben könnte (Abrahams & Bordy 2023, 12) und halten dies sogar für wahrscheinlich. Die auffällige Ähnlichkeit mit Vogelspuren interpretieren sie als Konvergenz (mehrfach unabhängige Entstehung): „Die Tatsache, dass diese Fährten aus dem südlichen Afrika, die auf die späte Trias datiert werden, so stark känozoischen [erdneuzeitlichen] und modernen Vogelspuren ähneln, untermauert die konvergierende Fußmorphologie der spätmesozoischen Archosaurier …“ (Abrahams & Bordy 2023, 12).

Kommentar

Aufgrund der präsentierten Daten sollte man eigentlich die naheliegende Deutung erwarten, dass die Verursacher der Spuren des Morphotyps II Vögel sind; es spricht vieles dafür und nichts eindeutig dagegen, auch wenn wie erwähnt zwei vogeltypische Merkmale von Fußspuren nicht nachgewiesen sind. Warum also geben die Forscherinnen einem unbekannten (!) Archosaurier den Vorzug und erwägen die Vogel-Deutung nicht ernsthaft? Der Grund dürfte darin liegen, dass die Spuren – gemessen an etablierten Vorstellungen zur Evolution der Vögel – einfach zu alt sind. Nebenbei bemerkt gehen Evolutionsbiologen normalerweise davon aus, dass in der oberen bzw. mittleren Trias (vor ca. 230–240 MrJ) gerade erst die Dinosaurier entstanden seien (vgl. Nesbitt et al. 2013, 1; Brusatte 2018, 30; Schweitzer et al. 2021, Kap. 18.5.1) – und die mutmaßlichen Theropoden-Vorfahren der Vögel deutlich später. Nesbitt et al. (2013, 1) schreiben zum Ursprung der Dinosaurier (Hervorhebungen hinzugefügt): „Der genaue Zeitpunkt der Entstehung der Dinosaurier und das Tempo der frühen Diversifizierung der Dinosaurier sind nach wie vor unklar, aber ein wachsender Konsens deutet darauf hin, dass die Dinosaurier ursprünglich seltene Bestandteile der terrestrischen Ökosysteme der frühen bis späten Trias waren […].“

Die Rekonstruktion des mutmaßlichen evolutionären Übergangs von Dinosauriern zu Vögeln hat auch ohne die neuen Spurenfunde mit einem gravierenden Zeitparadox zu kämpfen: Diejenigen Dinosaurier-Funde, die am ehesten in einen Übergangsbereich von Dinosauriern zu Vögeln gestellt werden können, werden in deutlich jüngeren Schichten gefunden als die stratigraphisch ältesten Vögel (Feduccia 1996). Seither hat sich an dieser Situation trotz vieler neuer Funde nichts geändert (vgl. Junker 2019). „Skelettreste der stratigraphisch ältesten Vögel Aurornis, Anchiornis, Archaeopteryx und Xiaotingia stammen aus dem mittleren bis späten Jura“, schreiben Abrahams & Bordy (2023, 2) – während Funde, die als deren mutmaßliche Vorläufer interpretiert werden könnten, durchweg erst ab der Unterkreide dokumentiert sind. Würde man akzeptieren, dass die Spuren das Morphotyps II von Vögeln stammen, wäre dieses Zeitparadox erheblich größer. Man müsste in einem erheblichen Umfang sogenannte Geisterlinien annehmen. Das sind evolutionäre Linien, deren Existenz aufgrund stammesgeschichtlicher Rekonstruktionen angenommen werden muss, für die aber fossile Belege fehlen. Im Falle der neu entdeckten Fußspuren müsste man – wenn sie von Vögeln stammen – Geisterlinien von evolutionstheoretisch zu postulierenden Vorfahren zu den ersten Vögeln über einen Zeitraum von bis zu mehr als 100 Millionen Jahren annehmen.

Es gäbe durchaus eine Möglichkeit, das Zeitparadox aufzulösen. Dazu muss man den gesamten zeitlichen Rahmen stark verkürzen. Denn es ist aufgrund der potenziell viel größeren Anzahl von Spurenfossilien im Vergleich zu Körperfossilien durchaus zu erwarten, dass fossile Fußspuren früher auftauchen als Körperfossilien – aber nicht mit einem zeitlichen Abstand von 60 Millionen Jahren. Eine ähnliche Situation liegt auch bei den ältesten fossil dokumentierten Vierbeinern (Tetrapoden) vor: Auch dort erscheinen fossile Fußspuren deutlich früher als Körperfossilien (Niedzwiedzki et al. 2010).

Bereits vor einigen Jahren waren vogelartige Fußspuren der Spurengattung Gruipeda aus der Santa Domingo-Formation in Argentinien beschrieben worden, die mit etwa 200 MrJ (Übergangsbereich Trias/Jura) ebenfalls als „zu alt“ angesehen wurden, um von Vögeln stammen zu können (Genise et al. 2009). Als sich später herausstellte, dass die komplexen stratigraphischen und tektonischen Gegebenheiten zu einer Fehleinschätzung des Alters der Fundschichten geführt haben und dieses auf nur 37 MrJ (oberes Eozän) zurückgestuft worden war, wurden die vogelartigen Fußspuren tatsächlich als Fußspuren von Vögeln interpretiert (Melchor et al. 2013). Die Beeinflussung der Deutung durch eine vorgegebene Theorie ist offenkundig.

Literatur

Abrahams M & Bordy EM (2023) The oldest fossil bird-like footprints from the upper Triassic of southern Africa. PLoS ONE 18(11): e0293021, https://doi.org/10.1371/journal.pone.0293021.

Brusatte S (2018) The Rise and Fall of the Dinosaurs (ePUB). Pan Macmillan. ISBN-13: 9781509830084.

Feduccia A (1996) The Origin and Evolution of Birds. Yale University Press, New Haven.

Genise JF, Melchor RN, Archangelsky M, Bala LO, Straneck R & de Valais S (2009) Application of neoichnological studies to behavioural and taphonomic interpretation of fossil bird-like tracks from lacustrine settings: the Late Triassic–Early Jurassic? Santo Domingo Formation, Argentina. Palaeogeogr. Palaeoclimatol. Palaeoecol. 272, 143–161.

Junker R (2019) Sind Vögel Dinosaurier? Eine kritische Analyse fossiler Befunde. W+W Special Paper B-19-4, https://www.wort-und-wissen.org/artikel/sind-voegel-dinosaurier-eine-kritische-analyse-fossiler-befunde/.

Melchor RN, Buchwaldt R & Bowring SA (2013) A Late Eocene date for Late Triassic bird tracks. Nature 495, E1-E2, doi:10.1038/nature11931.

Nesbitt SJ et al. (2013) The oldest dinosaur? A Middle Triassic dinosauriform from Tanzania. Biol Lett 9:20120949, http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2012.0949.

Niedzwiedzki G, Szrek P, Narkiewicz K, Narkiewicz M & Ahlberg PE (2010) Tetrapod trackways from the early Middle Devonian period of Poland. Nature 463, 43–48.

Schweitzer MH, Schroeter ER & Czajka CD (2021) Dinosaurs. How We Know What We Know. CRC Press. Boca Raton & Oxon.

Autor dieser News: Reinhard Junker

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