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24.10.23  Beobachtungen in der freien Wildbahn stellen die Rolle der Selektion in Frage

Seit Charles Darwin wird der natürlichen Selektion meist eine Hauptrolle beim evolutionären Wandel zugebilligt.  Eine aktuelle Langzeitstudie an Eidechsen der Gattung Anolis brachte diesbezüglich eine Überraschung: Die Daten zeigen, dass in diesem Fall nicht die natürliche Auslese das Vorhandensein von Merkmalen steuert, und dass sie bei den untersuchten Eidechsen in der freien Wildbahn längerfristig kaum eine Rolle spielt.

Die Idee der Evolution ist sehr alt und kein neuzeitlicher Gedanke. Bereits Anaximander, ein griechischer Philosoph des 7. Jahrhunderts v. Chr., vertrat die Ansicht, dass der Mensch von Tieren abstammt, wahrscheinlich von Fischen (Encyclopedia Britannica 2023). Dies ist insofern dem heutigen Evolutionsverständnis nicht unähnlich, als hier ebenfalls die Menschen einen gemeinsamen Vorfahren mit den Fischen hatten, wenn wir weit genug in der Zeit zurückgehen. Heute versteht man unter Evolution „in erster Linie die biologische Evolution. Darunter wird die von Generation zu Generation stattfindende allmähliche Veränderung der vererbbaren Merkmale einer Population von Lebewesen und von anderen organischen Strukturen (z. B. Viren) verstanden“ (Wikipedia 2023).

Die Evolution, so glaubt man, ist ein realer biologischer Prozess, der alle Organismen hervorgebracht hat, die jemals auf der Erde gelebt haben. Allerdings ist bis heute umstritten, ob ein Mechanismus bekannt ist, mit dem man Höherentwicklung (Innovationen) erklären kann. Wenn alle höheren komplexen Lebensformen aus einfacheren entstanden sind, muss es eine treibende Kraft geben, die diesen Prozess vorantreibt. Eine Kraft, die Gottes schöpferisches Wirken ersetzen könnte. Im Jahr 1859 wurde dieses Problem angeblich von dem britischen Theologen und Naturforscher Charles Darwin gelöst, der argumentierte, dass die Evolution durch einen Prozess angetrieben wurde, den er natürliche Selektion nannte. Die natürliche Auslese als treibende Kraft der Evolution ist der Kernpunkt von Darwins Evolutionsverständnis. Und er glaubte, sie sei gleichsam so kreativ wie Gott, denn er schrieb:

„Man kann sagen, dass die natürliche Auslese täglich und stündlich in der ganzen Welt jede noch so kleine Veränderung prüft, das Schlechte verwirft, das Gute bewahrt und addiert, still und unmerklich, wann und wo immer sich die Gelegenheit bietet, an der Verbesserung jedes organischen Wesens in Bezug auf seine organischen und anorganischen Lebensbedingungen arbeitet. Wir sehen nichts von diesen langsamen, fortschreitenden Veränderungen, bis der Zeiger der Zeit den langen Ablauf der Zeitalter markiert hat, und dann ist unser Blick in längst vergangene geologische Zeitalter so unvollkommen, dass wir nur sehen, dass die Lebensformen jetzt anders sind als sie früher waren“ (Darwin 1859).

Es ist klar, dass Darwin die Evolution für einen realen Prozess hielt. Allerdings entzieht er sich weitgehend der Beobachtung, weil er so unvorstellbar langsam abläuft. Bis Wissenschaftler begannen, die Veränderungen und Adaptionen von Organismen in Langzeitstudien genauer zu untersuchen, war dies der Standard der Evolutionsbiologie. Das änderte sich in den letzten 40 Jahren, als eine explosionsartige Zunahme von Studien bewies, dass Veränderungen sehr schnell ablaufen können – sogar von einer Generation zur nächsten. Besonders gut untersucht ist dies bei Anolis-Eidechsen, die vor allem in der Karibik und angrenzenden Gebieten vorkommen. Diese können sich sehr schnell an neue Biotope anpassen, beispielsweise auf neu besiedelten Inseln. Eine neue Studie, die in der Zeitschrift PNAS vorgestellt wurde, unterstreicht diese Fähigkeit erneut.

James Stroud, Assistenzprofessor an der School of Biological Sciences des Georgia Institute of Technology (USA), hat mit einem Team in einer Langzeitstudie an einer Population von Eidechsen gemessen, wie ihre Evolution in freier Wildbahn verläuft (Stroud et al. 2023). Was er herausfand, stellt eine lang gehegte evolutionäre Überzeugung in Frage, nämlich die Rolle der natürlichen Selektion.

Stroud und sein Team führten eine Feldstudie durch, bei der vier verschiedene Arten von Anolis-Eidechsen auf einer kleinen Insel in den Fairchild Tropical Botanic Gardens in Coral Gables, Florida, beobachtet wurden. Er bestimmte das Überleben dieser vier Eidechsenarten in fünf aufeinanderfolgenden Zeiträumen. Bei den eingefangenen Exemplaren führte er weitere morphologische Analysen im Labor durch, wo er Schädel, Beine, Füße, das Gewicht und sogar die Haftfähigkeit der Zehen der Eidechsen verglich. Nachdem die Echsen mit einer Identifikationsnummer versehen und mit einem winzigen Etikett unter der Haut markiert worden waren, entließ das Team die Eidechsen auf die gleichen Äste, in denen sie sie gefunden hatten. Drei Jahre lang wurden Eidechsen gefangen, Messungen durchgeführt, die Eidechsen wieder freigelassen und untersucht, welche Eidechsen überlebten.

Nach drei Jahren konnte das Team die Überlebensdaten mit der Variation von Körpermerkmalen in Beziehung setzen und auf diese Weise analysieren, welche Körpermerkmale wichtige Voraussetzungen für das Überleben sind. Theoretisch könnten die Analysen zu einem besseren Verständnis dazu führen, wie die natürliche Auslese auf Merkmale der gesamten Gruppe der Eidechsen wirken würde. Barzler kommentiert (in Übersetzung):  „Zu seiner Überraschung stellte Stroud fest, dass die stabilisierende Form der natürlichen Selektion – diejenige, die die gleichen, durchschnittlich ausgeprägten Merkmale einer Art beibehält – äußerst selten war. Tatsächlich variierte die natürliche Selektion im Laufe der Zeit massiv. In manchen Jahren überlebten Eidechsen mit längeren Beinen besser, in anderen Jahren Eidechsen mit kürzeren Beinen. Zu anderen Zeiten gab es überhaupt kein klares Muster.“

„Das faszinierendste Ergebnis ist, dass die natürliche Selektion im Laufe der Zeit extrem variabel war“, so Stroud et al. (2023). „Wir haben oft gesehen, dass die Selektion von einem Jahr zum nächsten eine völlig andere Richtung einschlug. Wenn man sie jedoch zu einem langfristigen Muster zusammenfasst, heben sich all diese Schwankungen praktisch von selbst auf: Die Arten blieben über den gesamten Zeitraum hinweg bemerkenswert ähnlich“ (nach Barzler 2023).

Die in PNAS dokumentierten Ergebnisse werden als „überraschend“ und „noch nie dagewesen“ bezeichnet.  Langzeitstudien wie die von Stroud et al. wurden bisher aufgrund des hohen Arbeits- und Zeitaufwands kaum durchgeführt (Barzler 2023).

Die Daten zeigen also, dass in diesem Fall nicht die natürliche Auslese das Vorhandensein von Merkmalen steuert, und dass sie bei den untersuchten Eidechsen in der freien Wildbahn längerfristig kaum eine Rolle spielt. Man kann gespannt sein, ob weitere Langzeitstudien dieser Art zu ähnlichen Ergebnissen führen.

Die Rolle der natürlichen Selektion, die für Darwins Theorie und Nachfolgetheorien zentral war und ist, wurde von vielen Biologen zu Lebezeiten Darwins und auch danach kritisch gesehen, was wenig bekannt ist (Thomas 2021). Das betrifft vor allem das vermeintliche kreative Potenzial der Selektion. Schon vor Darwin schätzte Edward Blyth, ein britischer Biologe, bereits im Jahr 1835 die Wirkung der Selektion, die er wie Darwin „Zuchtwahl“ nannte, wie folgt ein: „Dasselbe Gesetz [der Zuchtwahl], das von der göttlichen Vorsehung festgesetzt wurde, um die typischen Merkmale einer Art zu erhalten, kann vom Menschen einfach umgedreht werden in einen Mechanismus, um verschiedene Abarten [d. h. Varianten] zu züchten. Aber es ist auch deutlich, dass, wenn der Mensch den sexuellen Verkehr bei diesen Rassen nicht regulieren würde, sie alle bald zum ursprünglichen Typ zurückkehren würden“ (Blyth 1835).

Dennoch hat sich die Sicht durchgesetzt, dass Selektion eine formende, gleichsam schöpferische Kraft sei – und das, obwohl eine Auswahl („Selektion“) zuerst das Vorhandensein von Varianten erfordert, aus denen „gewählt“ werden kann. Die neue Langzeitstudie an den Anolis-Eidechsen hat diese Sicht einmal mehr nicht bestätigt. In diesem Fall war zudem überraschend, dass nicht einmal eine bestimmte Richtung über mehrere Generationen hinweg erkennbar ist. Auch eine so umfassende, arbeitsintensive Studie über den Einfluss der Selektion bei Anolis-Echsen konnte also nicht zeigen, dass Selektion Innovationen erzeugt hätte.

Quellen

Blyth E (1835) And attempt to classify the Varieties of Animals, with observations on the marked seasonal and other changes which naturally take place in various British species, and which do not constitute varieties. Magazine of natural History, 8(1), 40-53.

Darwin C (1859) On the Origin of Species. Kapitel 4. Natural Selection. Zitat aus: https://www.theguardian.com/science/2008/feb/09/natural.selection

Encycopedia Brittanica “Anaximander” (2023) https://www.britannica.com/biography/Anaximander

Barzler C (2023) Long-term lizard study challenges the rules of evolutionary biology. October 9, 2023. https://phys.org/news/2023-10-long-term-lizard-evolutionary-biology.html

Stroud JT, Moore MP, Langerhans B & Losos JB (2023) Fluctuating selection maintains distinct species phenotypes in an ecological community in the wild. Proc. Natl. Acad. Sci. 20 (42), e2222071120 https://www.pnas.org/doi/10.1073/pnas.2222071120

Thomas N (2021) Taking leave of Darwin. A Longtime Agnostic Discovers the Case for Design. Seattle: Discovery Institute Press.

Wikipedia: „Evolution“.  https://de.wikipedia.org/wiki/Evolution

Autor dieser News: Peter Borger

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