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27.03.20  Molekularbiologie des Coronavirus und die Coronakrise

Das derzeit zirkulierende und die Krankheit COVID-19 auslösende Coronavirus wurde von einem internationalen Konsortium von Virusexperten auf den Namen SARS-CoV2 getauft. Es wird so genannt, weil es dem Corona-Virus ähnelt, das im Jahr 2003 SARS verbreitete und als SARS-CoV bekannt ist. Die Genetik des COVID-19-Virus zeigt, dass es  sich sehr wahrscheinlich um eine Variante des alten SARS-CoV1-Virus aus dem Jahr 2003 handelt. COVID-19 ist also eigentlich SARS.

Coronaviren sind bekannte Atemweg-Viren. Der Name Corona (lat.: Kranz, Krone) leitet sich von den Proteinen ab, die auf der Virushülle herausragen und dem Virus, durch das Elektronenmikroskop gesehen, eine Art Krone verleihen. Coronaviren sind so genannte „positive sense, single stranded RNA-Viren“. Das bedeutet, dass sie anstelle von DNA ein einsträngiges RNA-Molekül als genetisches Material besitzen. Wo Coronaviren ihren Ursprung haben, ist derzeit nicht geklärt, allerdings weist ihre genetische Ausstattung darauf hin, dass sie aus dem Genom (=Erbgut) von Wirbeltieren stammen. Durch Rekombination im Wirtsgenom wird manchmal genetisches Material in ihr Genom eingefügt oder geht verloren. So enstehen neue Varianten. Gegenwärtig kennen wir sieben Typen von Coronaviren, die den Menschen infizieren können. Nach einer Infektion entwickelt der Mensch krankhafte Atemwegssymptome unterschiedlichen Schweregrades. Zwei der Coronaviren, HCoV-229E und HCoV-OC43, verursachen Erkältungen. Andere Coronaviren können zu schwereren Infektionen der Atemwege führen und potenziell tödlich sein.

SARS-CoV war das erste Coronavirus, das im Jahr 2003 zu einer Bedrohung wurde. Der Kongress der Lungenspezialisten, den ich damals in Australien besuchte, widmete dem Coronavirus SARS-CoV, das damals das schwere respiratorische Syndrom (SARS) verursachte, besondere Aufmerksamkeit. Dies lag daran, dass SARS eine Sterblichkeitsrate von 9 % hatte und als ernsthafte Gefahr für die westliche Gesellschaft angesehen wurde. Glücklicherweise war SARS-CoV nicht so ansteckend wie befürchtet. Innerhalb weniger Monate war das Virus verschwunden. Doch die Virologen wussten, dass dies nicht das letzte tödliche Coronavirus sein würde. Im Jahr 2012 tauchte der nächste Coronavirus, MERS-CoV, auf. Mit einer Sterblichkeitsrate von über 30% der Infizierten ist es das bisher aggressivste Coronavirus. Auch dieses Virus verschwand vom Radar, ohne eine Pandemie auszulösen. Dennoch rechneten Virologen mit einen weiteren Coronavirus. Jetzt ist es leider da: SARS-CoV2. Dieses Virus verursacht COVID-19. Und es hat bereits eine weltweite Epidemie (Pandemie) ausgelöst. Mit einer Sterblichkeitsrate von wahrscheinlich unter 1% ist SARS-CoV2 nicht so gefährlich wie  frühere Corona-Viren, aber es ist weitaus ansteckender (höhere Infektiosität).[1]

Alle aggresiven Coronaviren haben sehr ähnliche molekularbiologische Strukturen. Das virale Genom kodiert mehrere Proteine mit einzigartigen Funktionen, darunter ein S- und ein N-Protein. Das N-Protein wird derzeit als diagnostischer Marker verwendet. Das heißt, wenn dieses Protein in Patienten nachgewiesen wird, handelt es sich um eine aggressive, d.h. hochinfektiöse Form der Corona. Das S-Protein bildet die Krone des Virus. Es hat eine Domäne (=Bereich eines Proteins), die sich an ein Rezeptorprotein auf der menschlichen Zelle (ACE2-Rezeptor) anlagert. ACE2-Rezeptoren befinden sich auf den Lungenzellen und regulieren den Blutdruck. Experimente mit Labortieren bestätigten, dass das Virus den ACE2-Rezeptor nutzt, um in die Zellen einzudringen. Mäuse, denen dieser Rezeptor fehlt, sind gegen das SARS-CoV-Virus resistent und entwickeln keine SARS-Symptome.[2] Das S-Protein stellt das attraktivste Ziel für die Entwicklung von Impfstoffen und Antikörpern dar, da die Protease-Aktivität des S-Proteins es ermöglicht, in die Zellen des menschlichen Körpers einzudringen. (Proteasen sind Enzyme, die Peptidbindungen von Proteinen spalten.) SARS-CoV2 unterscheidet sich genetisch von SARS-CoV durch vier kleine Insertionen (Einfügungen) im S-Protein.

Das jetzt zirkulierende Coronavirus ist sehr eng mit dem SARS-CoV-Virus von 2003 verwandt. Eine Studie von März 2020 belegt, dass das genetische Material des SARS-CoV2 Virus zu 96,11% dem SARS-Virusstamm RaTG13 entspricht.[3] Würde man jedoch die gleiche Methode anwenden, wie sie Evolutionsbiologen beim Vergleich der Gene von Mensch und Schimpanse anwenden (d.h. die Insertionen werden nicht als Unterschiede gezählt) wären die Genome beider Viren zu mehr als 99 Prozent gleich.

Die Gruppe um den Virologen Markus Hoffman, der am Leibniz-Institut für Primatenforschung in Göttingen forscht, hat jüngst gezeigt, dass SARS-CoV2 denselben ACE2-Rezeptor zur Infektion menschlicher Zellen verwendet wie SARS-CoV.[4] Diese Studien legen ebenfalls nahe, dass das Coronavirus, das COVID-19 verursacht, sehr eng mit dem SARS-CoV-Virus von 2003 verwandt ist. Das COVID19-Virus hat die gleichen Gene wie das SARS-Virus von 2003 und es gelangt auf die gleiche Weise in die menschliche Zelle, d.h. über den ACE2-Rezeptor.

Im Laufe der Zeit werden Viren durch Mutationen in ihrer Wirkung typischerweise immer schwächer, nicht aggressiver, wie man meinen könnte. RNA-Viren mutieren sehr schnell und die beständige Anhäufung von Mutationen macht RNA-Viren immer weniger gefährlich, gleichzeitig können sie aber infektiöser werden. Die Virusvarianten, die die für Menschen hochpathogen und tödlich sind, werden weniger. Am Ende ist ein Arrangement, eine Art „friedliches Zusammenleben“ mit ihren Wirten zu erwarten. So war beispielsweise die H1N1-Schweinegrippe 2009 am stärksten in der ersten Pandemie im Sommer 2009. Im Winter 2010/2011 hatte sie sich beruhigt und verhielt sich eher wie eine typische saisonale Grippe. Durch die Insertionen im S-Protein ist das jetzt sich ausbreitende SARS-CoV2 Virus zwar infektiöser als SARS-CoV aus 2003, glücklicherweise auch weniger gefährlich – genau so, wie man es von einem alternden mutierten Virus erwarten würde.

Zwischen dem Ausbruch von SARS im Jahr 2003 und dem Ausbruch von COVID-19 im Jahr 2019 liegen 16 Jahre. Wurde in diesen 16 Jahren eine Behandlung für SARS entwickelt? Wurde ein Impfstoff entwickelt? Wurde ein blockierender Antikörper entwickelt? Alles Wissen dazu war vorhanden. Und man wusste, dass mit einem weiteren Ausbruch von Coronaviren zu rechnen war, höchstwahrscheinlich in China. Die schockierende Tatsache ist, dass die entscheidenden Anstrengungen zur Bekämpfung des nächsten Ausbruchs eines tödlichen Coronavirus unterlassen wurden.

Es gab reichlich Gelegenheit, Heilmittel und Impfstoffe zu entwickeln, um die Corona-Krise zu verhindern, die de facto vor 16 Jahren begann. Hätte man auf die Corona-Experten gehört, könnten wir möglicherweise über eine entsprechende Therapie verfügen und die aktuelle Coronakrise wäre weniger gravierend. Mit konsequenteren Entscheidungen im vergangenen Jahrzehnt hätte SARS-CoV2 vermutlich bereits in Asien gestoppt werden können. Mit einem aus verschiedenen Gründen veranlassten Stopp der Impfstoffentwicklung wurde die aktuelle Corona-Krise begünstigt. Hier wird besonders deutlich erkennbar, wie weitreichend wirtschaftspolitische Entscheidungen sein können.

Quellen

[1] Zur Sterblichkeitsrate bei Ansteckungen mit SARS-CoV2 scheint es noch keine gesicherten Erkenntnisse zu geben. Es werden Angaben von 0,37% bis 3-4% gemacht. Der Virologe Hendrik Streeck ermittelte auf der Basis einer repräsentativen Stichprobe eine Sterblichkeitsrate von 0,37% (https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/gesundheit/coronavirus/corona-in-heinsberg-virologe-streeck-sieht-moegliche-lockerung-16718884.html). Dieser Wert könnte immer noch zu hoch sein, da nur durch Obduktion die genaue Todesursache festgestellt werden kann; das wird aber in der Regel nicht gemacht.

[2] Kuba K et al. (2005) A crucial role of angiotensin converting enzyme 2 (ACE2) in SARS coronavirus–induced lung injury. Nature Medicine 11, 875-879. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/16007097

[3] Yu H et al. (2020) Genomic analysis of a 2019-nCoV strain in the first COVID-19 patient found in Hangzhou, Zhejiang, China. Zhonghua Yu Fang Yi Xue Za Zhi. 2020 Mar 15;54(0):E026. doi: 10.3760/cma.j.cn112150-20200217-00128. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/32171191

[4] Hoffmann M et al. (2020) SARS-CoV-2 Cell Entry Depends on ACE2 and TMPRSS2 and Is Blocked by a Clinically Proven Protease Inhibitor. Cell, 2020 Mar 4. pii: S0092-8674(20)30229-4. doi: 10.1016/j.cell.2020.02.052. [Epub ahead of print] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/32142651 

Autor dieser News: Peter Borger

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