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20.01.20  Asfaltovenator vialidadi – ein Dinosaurier so seltsam wie sein Name

Erneut weist eine Fossilform einen unerwarteten Merkmalsmix auf. Asfaltovenator vialidadi wird an die Basis der Dinosaurier-Gruppe der Tetanurae gestellt, besitzt aber auch eine Reihe bunt gemischter abgeleiteter Merkmale, die sonst typisch für verschiedene Gruppen sind. Die Merkmale dieser und anderer Gattungen sind so unsystematisch verteilt, dass extrem viele Konvergenzen bei einer evolutionären Deutung angenommen werden müssen. Als Folge davon können Abstammungsverhältnisse nicht sicher ermittelt werden.

Erst kürzlich berichteten wir an dieser Stelle über einen Fossilfund, der zeitlich, d. h. in der geologischen Schichtenabfolge, im Bereich der Basis einer größeren Gruppe steht, dessen Merkmale aber insgesamt für diese Position nicht passen (Parmastega – neuer erster Vierbeiner?).

Solche Funde sind nicht selten. Immer wieder stellt sich heraus, dass basale evolutionäre Formen einerseits zwar sogenannte „primitive“ Merkmale besitzen, andere Merkmale jedoch nicht zu dieser Stellung passen. Von einem weiteren solchen Fund – Asfaltovenator vialidadi – berichten der Münchner Paläontologe Oliver Rauhut und der argentinische Paläontologie Diego Pol. Es handelt sich um einen gut erhaltenen Dinosaurier aus mitteljurassischen Schichten, der zur Gruppe der Tetanurae gestellt wird und zu deren geologisch ältesten Fossilfunden gehört. „Tetanurae“ bedeutet „starre Schwänze“, eine größere Gruppe zweibeiniger Dinosaurier, zu denen bekanntere Formen wir Tyrannosaurus rex, Allosaurus oder Velociraptor gehören; aus dieser Gruppe sollen auch die Vögel entstanden sein. Asfaltovenator war etwa 8 m lang; erhalten sind außer dem 80 cm langen Schädel die gesamte Wirbelsäule, vollständige Arme und Teile der Beine.

Ungewöhnlich und für die Wissenschaftler überraschend ist die Kombination von Merkmalen, die bisher als apomorph (evolutionär abgeleitet, spezialisiert) für verschiedene Gruppen gehalten wurden. So vereinigt Asfaltovenator Merkmale der Megalosauroidea, der Allosauroidea und verschiedener einzelner Gattungen (Rauhut & Pol 2019, 6). Eine Gattung, die an die Basis einer Gruppe gestellt wird, sollte aus evolutionstheoretischer Sicht jedoch idealerweise nur primitive (ursprüngliche) Merkmale besitzen. Und von diesen beginnend sollten sich in verschiedenen Linien allmählich unterschiedliche abgeleitete Merkmale entwickeln, aus denen die Abstammungsverhältnisse erschlossen werden. Stattdessen findet sich bei Asfaltovenator eine zusammengewürfelte Mischung von abgeleiteten Merkmalen. In Beziehung zur Verteilung der Merkmale bei anderen Gattungen erfordert der Befund die Annahme extrem häufiger Konvergenzen und Parallelismen bei den verschiedenen Dinosauriergruppen (Rauhut & Pol 2019, 7). Das heißt: Viele Merkmale müssten sich mehrfach unabhängig in verschiedenen Linien entwickelt haben. Ihre Verteilung  stellt sich ziemlich unsystematisch dar. Folge ist, dass Ähnlichkeiten keine sicheren Indizien hinsichtlich eines gemeinsamen Vorfahren sind. Das liegt daran, dass manche Ähnlichkeiten, die bisher als homolog (abstammungsbedingt) gehalten wurden, nun als konvergent (unabhängig entstanden) eingestuft werden müssen. Die Autoren stellen selber fest, dass diese Situation es schwierig mache, Abstammungszusammenhänge an der Basis größerer Linien zu ermitteln. Verlässliche Rückschlüsse auf die stammesgeschichtlichen Beziehungen der Hauptgruppen und ihrer Untergruppen seien derzeit nicht möglich. Und dies sei auch bei anderen Hauptgruppen der Wirbeltiere verbreitet der Fall.

Rauhut & Pol (2019) vermuten schnelle, fast explosive Evolutionsprozesse infolge eines vorangegangenen Aussterbeereignisses (des sog. „Toarcian Anoxic Event“) als Ursache dieser eigenartigen Merkmalsverteilung. Aufgrund der freigewordenen Lebensräume und damit einhergehender geringerer Selektionsdrücke habe es als Resultat eine experimentelle Phase der Evolution gegeben. Bemerkenswert ist auch, dass die in Abb. 4A ihrer Arbeit gezeigte chronostratigraphische Tabelle nicht nur das explosive Auftreten zeigt, sondern auch, dass Phylogenie (vermutete Abstammungsbeziehungen) und Stratigraphie (fossiles Auftreten in der Schichtenfolge) weithin nicht zusammenpassen.

Kommentar. Weder verursachen unbesetzte Nischen oder geringe Selektionsdrücke evolutive Neuheiten noch gibt es im Rahmen von Evolution „Experimente“. Solche Begriffe und Mutmaßungen kaschieren ein grundsätzliches evolutionstheoretisches Problem: Warum sollten auf der Basis ungerichteter Prozesse vielfach ähnliche Bauplanmodule entstehen, die unsystematisch auf verschiedene Linien verteilt sind? Genau solche Befunde werden evolutionstheoretisch nicht erwartet (deshalb sind sie für die Wissenschaftler überraschend). Es ist keine neue kausale Theorie der Evolution als Lösung in Sicht, die eine solche durch vielfache Konvergenzen geprägte Merkmalsverteilung erklären könnte.

Dagegen könnten solche Befundkonstellationen recht gut zum Konzept polyvalenter Grundtypen im Rahmen eines Schöpfungsmodells passen. Ausgehend von Tiergruppen mit einem großen Potenzial bereits angelegter Merkmalsausprägungen könnten schnelle Radiationen im Rahmen einer Neubesiedlung katastrophisch zerstörter Ökosysteme verständlich gemacht werden. Das wäre dann aber kein evolutiver Prozess im klassischen Sinne, sondern ein Ausschöpfen bereits vorhandener Anlagen, ausgelöst möglicherweise durch Umweltreize. Dafür gib es aus der heutigen Biologie empirisch nachvollziehbare Beispiele (vgl. Crompton 2019).

Literatur

Crompton N (2019)  Mendel‘sche Artbildung und die Entstehung der Arten. Internetartikel, http://www.wort-und-wissen.de/artikel/sp/b-19-3_mendel.pdf

Rauhut OWM & Pol D (2019) Probable basal allosauroid from the early Middle Jurassic Cañadón Asfalto Formation of Argentina highlights phylogenetic uncertainty in tetanuran theropod dinosaurs. Sci. Rep. 9:18826; doi:10.1038/s41598-019-53672-7

Zitate aus Rauhut & Pol (2019); Hervorhebungen hinzugefügt.

„These results highlight the complex morphological evolution in the early radiation of tetanuran theropods, in which convergences and parallelisms were extremely common. This pattern seems to be a common feature in rapid radiation events of major clades of vertebrates and might explain the common difficulties to unravel phylogenetic relationships of important lineages at the base of major clades.“

Asfaltovenator furthermore shows characters previously regarded as autapomorphies of different taxa …“

„The abundance and concentration of parallelisms and convergences during the early radiation of the clade explains the difficulties in the establishment of interrelationships of major clades of Tetanurae.“

Autor dieser News: Reinhard Junker

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