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29.01.15  Chemie im Kosmos – Moleküle für das Leben?

Populäre Medien verbreiten nicht selten irreführende Meldungen über aktuelle Forschungsergebnisse. Ein aktuelles Beispiel ist die Behauptung, man habe Leben in den Tiefen des Weltalls gefunden. Tatsächlich wurden nur relativ kleine organische Moleküle nachgewiesen, die allenfalls indirekt in einem Zusammenhang mit Leben stehen könnten. Auch aus dem interstellaren Raum sind derzeit keine chemischen Prozesse bekannt, die die nötigen Bausteine lebender Zellen bereitstellen.

Über chemische Vorgänge im Kosmos haben wir vergleichsweise wenig empirische (=durch Erfahrung gewonnene) Erkenntnisse. Auf der Erde gefundene Überreste von Meteoriten können untersucht werden, außerdem sind durch menschliche Aktivitäten im Weltraum von dort Proben verfügbar und wir können elektromagnetische Strahlung, die die Erde aus dem Kosmos erreicht, spektroskopisch analysieren und die Spektren interpretieren.

Aus dem interstellaren (=zwischen den Sternen bzw. den Galaxien) Raum sind derzeit etwa 180 organische Moleküle aufgrund ihrer Spektren dokumentiert. Das Physikalische Institut der Universität Köln präsentiert auf einer Internetseite eine Zusammenstellung der Moleküle (http://www.astro.uni-koeln.de/cdms/molecules) sowie der Literaturzitate, in denen ihr Nachweis beschrieben wird. Mit dem derzeit weltgrößten Radioteleskop (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array, ALMA) haben Belloche et al. (2014) in einer Region mit der Bezeichnung Sagittarius B2(N) erfolgreich nach weiteren Molekülen gesucht. Diese Region befindet sich nahe des Zentrums unserer Galaxie und fällt durch massive Sternenproduktion auf.

Bereits zuvor hatten Belloche et al. (2009) in dieser Region den Nachweis für Propylcyanid erbracht. Dieses und weitere vergleichsweise kleine Moleküle werden häufig hinsichtlich ihres Potentials zur Synthese komplexerer Moleküle diskutiert, die dann in einen Zusammenhang mit biologischen Systemen (Astrobiologie) gestellt werden. Bislang sind das rein hypothetische Konzepte, es wurden bisher im interstellaren Raum noch keine biologischen Systeme gefunden.

In ihrer jüngsten Arbeit dokumentieren Belloche et al. (2014) den spektralen Nachweis von iso-Propylcyanid. Dies gelang durch Vergleich von Spektren aus dem oben genannten interstellaren Bereich und modellierten (berechneten) Spektren. Die Autoren diskutieren, dass i-Propylcyanid ein geeigneter Baustein zur Synthese von Aminosäuren mit verzweigter C-Kette wie z.B. Valin und Leucin sein könnte und damit eventuell einen bedeutsamen Beitrag zur Astrobiologie leisten könnte.

Mit großem Erstaunen kann man dann allerdings in populären Medien von „Biomoleküle in der Milchstraße“ (Der Tagesspiegel, 26. 9. 2014) lesen oder gar „Deutsche Forscher entdecken Leben in den Tiefen des Alls“ (BILD 26. 9. 2014). Titel dieser Art mögen zwar Leser animieren, haben aber mit wissenschaftlichen Befunden nichts zu tun.

Das im interstellaren Raum spektroskopisch identifizierte i-Propylcyanid ist kein biologisch relevantes Molekül. Der astrobiologische Aspekt kommt erst durch die entsprechende Diskussion ins Blickfeld und damit wird ein eigentlich wenig spektakulärer Befund popularisiert. Wenn das aber von der Tagespresse noch ins Extreme getrieben wird, ist das irreführend.

Literatur

Belloche A, Garrod RT, Müller HSP & Menten KM (2014) Detection of a branched alkyl molecule in the interstellar medium: iso-propyl cyanide. Science 345, 1584-1587.

Belloche A, Garrod RT, Müller HSP, Menten KM, Comito C & Schilke P (2009) Increased complexity in interstellar chemistry: detection and chemical modeling of ethyl formiate and n-Propyl cyanide in Sagittarius B2(N). Astron. Astrophys. 499, 215-232.

Autor dieser News: Harald Binder

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