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25.11.13  Sind Blütenpflanzen 100 Millionen Jahre älter als bisher angenommen?

Gastbeitrag von Herfried Kutzelnigg

„Blütenpflanzen sind 100 Millionen Jahre älter als bisher angenommen“ – so oder ähnlich lauten verschiedene Pressemitteilungen über Funde von 240 Millionen Jahre altem Pollen, den Peter A. Hochuli (Universität Zürich) und Susanne Feist-Burkhardt (Ober-Ramstadt) in Bohrkernen der Nordschweiz gefunden haben. Die sehr bemerkenswerten Ergebnisse wurden vor kurzem in der Zeitschrift „Frontiers in Plant Science“ vorgestellt (Hochuli & Feist-Burkhardt 2013). Sie sind gut dokumentiert, und ihre mögliche Bedeutung für die Abstammung der Bedecktsamigen Blütenpflanzen wird sorgfältig diskutiert. Der immense zeitliche Unterschied zwischen der fossilen Überlieferung von Pollen und dazu gehörenden Makrofossilien legt nahe, dass es in erheblichem Umfang geologisch nicht überlieferte Lebensräume gibt.

Hintergrund: Bedecktsamige Blütenpflanzen (Angiospermen) sind im Fossilbericht erst seit der unteren Kreide nachgewiesen, also seit ca. 140 Millionen rJ (= Jahren gemäß radiometrischer Datierung). Dabei stellen Pollenkörner die ältesten fossilen Angiospermen-Reste dar. Das lässt sich leicht dadurch erklären, dass Pollen sehr umweltbeständig ist, in großer Menge produziert wird, und leicht an Standorte gelangen kann, wo die Pflanzen selber nicht wachsen. Die bislang ältesten Angiospermen-Pollenkörner sind aber nur ca. 5 Mio. rJ älter als die ältesten Angiospermen-Makrofossilien. (Makrofossilien sind Überreste kompletter Pflanzen bzw. Pflanzenteile wie Blätter, Stängel oder Wurzeln.) Der zeitliche Versatz ist also relativ gering, ganz anders als bei den jüngst beschriebenen Funden (s. u.).

Während verschiedene Gruppen von Nacktsamigen Blütenpflanzen (Gymnospermen) schon viel länger fossil bekannt sind (z. T. schon seit dem Karbon), tauchen die Bedecktsamer – wie gesagt – fossil erstmals in der Unterkreide auf. Dort aber treten sie ziemlich von Beginn ihrer Überlieferung in großer Formenfülle auf. Gleichzeitig fehlt ein überzeugender morphologischer Anschluss an irgendeine andere Pflanzengruppe. Schon Darwin hatte erkannt, dass dieses unvermittelte Auftreten der Angiospermen, immerhin die artenreichste Pflanzengruppe überhaupt, ein großes Problem für seine Abstammungslehre bedeuten würde. Er nannte das ein „abomenable mistery“, also ein „abscheuliches Geheimnis“. Bis heute ist man trotz intensiven Bemühens der Lösung des Problems nicht wirklich nähergekommen. Man vergleiche dazu etwa den Übersichtsartikel in Studium Integrale Journal (Kutzelnigg 2000, 2001), den Kurzbeitrag in genesisnet.info im Darwinjahr 2009  (Das „abscheuliche Geheimnis" im Darwinjahr) oder Abschnitt VI.14.10 der soeben erschienenen Neuauflage von „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ (http://www.wort-und-wissen.de/lehrbuch.html). Interessanterweise wird der Begriff „abomenable mistery“ noch heute gerne von Evolutionsvertretern benutzt.

Natürlich hat man intensiv nach Angiospermen-Resten in älteren geologischen Systemen als der Kreide gesucht, vor allem im Jura als dem nächst älteren. Es gab auch entsprechenden Meldungen, aber sie konnten allesamt nicht bestätigt werden.

Da man keine Fossilien fand, bekam eine auf Axelrod (1952) zurückgehende, nicht gerade alltägliche Hypothese Auftrieb. Danach sollen die Angiospermen wesentlich älter sein, als sie fossil belegt sind, weil sie zunächst an Standorten lebten, die fossil nicht erhalten wurden (vgl. Stephan 2002).

Solche Überlegungen bekamen Unterstützung durch molekulare Untersuchungen. Hier wurde versucht, nach dem Prinzip der molekularen Uhren das „tatsächliche“ Alter der frühesten Angiospermen zu berechnen. Hochuli & Feist-Burkhardt referieren den neuesten Stand entsprechender Bemühungen. Die Ergebnisse sind je nach Methode und verwendetem Datensatz sehr verschieden. So reicht der Beginn der Angiospermen entweder zurück bis in Jura (193.8 Mio. rJ), Trias (221.5 Mio. rJ) oder Perm (275 Mio rJ), um nur einige Beispiele zu nennen. – Am Rande sei bemerkt, dass solche gewaltigen Diskrepanzen Fragen über die Aussagekraft molekularer Datierungen aufwerfen.

Die aktuellen Funde: Die Pollenfunde von Hochuli & Feist-Burkhardt sind insofern sehr bemerkenswert, als sie aus der Trias (247-242 Mio. rJ) stammen und somit – wie gesagt – die ersten fossilen Reste unterhalb der Kreide darstellen, die wahrscheinlich Angiospermen zuzuordnen sind. Die sehr gut erhaltenen und mit modernsten Methoden optisch gut erfassten Pollenkörner zeigen im Feinbau der Pollenwand (Exine) sehr große Übereinstimmungen mit Angiospermen. Wie die ersten sonst nachgewiesenen Angiospermen-Pollenkörner besitzen sie nur eine Falte (Einfurchen-Pollen). Allerdings ist ein deutlicher Unterschied zu diesen durch die extrem dünne innerste Schicht gegeben. Sechs verschiedene Typen wurden festgestellt. Sie alle konnten keinem bisher bekannten Pollentyp zugeordnet werden. Außerdem wurde in den Trias-Schichten Pollen des Afropollis-Typs gefunden. Dieser konnte verschiedentlich auch in der Kreide nachgewiesen werden. Aber auch hierbei ist unklar, ob es sich um Gymnospermen oder Angiospermen handelt.

Die große Ähnlichkeit in der äußeren Pollenwand spricht bei den Neufunden sehr für die Zugehörigkeit zu den Angiospermen. Als Alternative bliebe eine bisher nicht bekannte Gruppe von Gymnospermen; aber das ist eher unwahrscheinlich. Entscheidend aber ist, dass die neu gefundenen Pollenkörner nicht als Vorläufer der Angiospermen betrachtet werden können, da sie vom Feinbau der Pollenwand her keinen Anschluss an frühe Angiospermen-Pollen darstellen. Im Übrigen sprechen auch einige andere Befunde gegen diese Denkmöglichkeit. Dazu gehört die beobachtete große Bandbreite der verschiedenen Typen und die aus den Begleitfunden von Gymnospermen-Pollen in den betreffenden Schichten zu schließende große Unterschiedlichkeit der zugehörigen Standorte. Außerdem hatten die Autoren schon früher in ähnlichen Trias-Abfolgen der Barentssee (Norwegen) vergleichbare Pollenkörner gefunden (Hochuli & Feist-Burkhardt 2004). Dabei ist bemerkenswert, dass die dort als Begleitelemente gefundenen Sporen ein feuchtes Klima dokumentieren, während für die Schweizer Funde ein eher trockenes Klima anzunehmen ist.

Fazit: Die neuen mit ca. 240 Mio. rJ datierten Pollenfunde aus der Mittleren Trias der Nordschweiz und der Barentssee sind sehr bemerkenswert, da sie höchstwahrscheinlich Angiospermen zuzuordnen sind. Im Vergleich dazu stammen die ältesten bis dahin bekannten Pollenfunde und Makrofossilien von Angiospermen aus der Unterkreide (ca. 140-135 Mio. rJ). Es klafft also eine enorme Überlieferungslücke von ca. 100 Mio. rJ. Wie die zugehörigen Pflanzen ausgesehen haben, ist völlig unklar. Sicher ist aber von der Feinstruktur der Pollenwand her, dass es sich nicht um Vorläufer jener Pollentypen handelt, die man bei den für ursprünglich gehaltenen Angiospermen findet. Auch bleibt die Frage offen, wieso es über einen Zeitraum, der den gesamten Jura und die Untertrias umfasst, keine fossilen Nachweise gibt. Der Gedanke an geologisch nicht überlieferte Lebensräume liegt hier nahe (vgl. Stephan 2002). Außerdem passt die ökologische Bandbreite nicht ohne weiteres zu dem oben genannten Konzept von Axelrod, wonach Angiospermen-Fossilien in älteren Systemen als Kreide nur deshalb fehlen, weil sie zu der Zeit an sehr speziellen Standorten wuchsen.

Insofern sind die Neufunde sehr bemerkenswert, weil sie darauf hinweisen, dass ganze Organismengruppen über große Zeiträume bzw. über viele geologische Schichtglieder hinweg ohne fossile Dokumentation existieren können. Zur Frage der Abstammung der Angiospermen bringen sie aber keine entscheidende Klärung.

Literatur

Axelrod DI (1952) A theory of angiosperm evolution. Evolution 6, 29-60.

Hochuli PA & Feist-Burkhardt S (2004) A boreal early cradle of Angiosperms. Angiosperm-like pollen from the Middle Triassic of the Barents Sea (Norway). J. Micropalaeontol. 23, 97-104.

Hochuli PA & Feist-Burkhardt S (2013) Angiosperm-like pollen and Afropollis from the middle triassic of the Germanic basin (Northern Switzerland). Frontiers in Plant Science. doi: 10.3389/fpls.2013.00344.

Kutzelnigg H (2000, 2001): Das „abscheuliche Geheimnis“. Woher kommen die Angiospermen? Stud. Int. J. 7, 51-58; 8, 10-15. (http://www.wort-und-wissen.de/sij/sij72/sij72-1m.html)

Stephan M (2002) Der Mensch und die geologische Zeittafel. Holzgerlingen.

Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen

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