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06.11.13  Gliederfüßergehirn: Von Beginn an „modern“

Einmal mehr zeigt sich, dass Organe von Tieren, die während der „kambrischen Explosion“ fossil auftauchen, in ihrer Komplexität heutigen Formen gleichen, diesmal beim Gehirn eines Gliederfüßers aus Chengjiang (Südwestchina) mit spinnentypischer Struktur.

Vergleichende Studien und Fossilfunde haben in der jüngeren Vergangenheit wiederholt nahegelegt, dass unter evolutionstheoretischen Voraussetzungen eine früh etablierte große Komplexität von Organen angenommen werden muss und dass sich deren Bau bis heute nicht mehr wesentlich verändert hat. Beispiele aus jüngerer Zeit sind das Gehirn von Fliegen (Strausfeld & Hirth 2012), das Nervensystem von Gliederfüßern (Ma et al. 2012) oder Komplexaugen (Lee et al. 2011). Erst kürzlich stellte sich heraus, dass das Gehirn des kambrischen Krebses Fuxianhuia in Proto-, Deutero- und Tritocerebrum gegliedert ist – genauso wie bei vielen heute lebenden Höheren Krebsen und Insekten. Nun bestätigt ein weiterer Gliederfüßer aus der Zeit der „Kambrischen Explosion“ (Kambrische Explosion) die frühe Etablierung eines modernen Gliederfüßer-Gehirns von Beginn der Fossilüberlieferung der betreffenden Tiergruppe an. Es handelt sich dabei um Alalcomenaeus sp. aus der berühmten unterkambrischen der Chengjiang-Lagerstätte in Südwestchina (Alter: ca. 520 Millionen radiometrische Jahre). Gengo Tanaka  (Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology, Yokosuka) und Mitarbeiter beschrieben dieses Fossil kürzlich in einem Nature-Artikel.

Der fossile ca. 3 cm lange Gliederfüßer gleicht einigen typischen Vertretern der damaligen Fauna. Sein Körper ist segmentiert (=in gleichartige Teile gegliedert) und das Tier besitzt ein Dutzend Beinpaare mit leicht verbreiterten Anhängen, die sowohl ein Krabbeln auf dem Meeresgrund als auch das Schwimmen ermöglichten. Erhalten sind auch paarige Augen mit einem Durchmesser von je 0,75 mm und zusammengesetzt aus 15 Mikrometer großen Facetten. Am Kopf trug das Tier zwei mit großen Klauen ausgestattete Anhänge, aufgrund derer es zu den Megacheira („große Hände“) gestellt wird.

Bei Fossilien ist es allerdings schwer zu entscheiden, ob die Scheren vom Krebstyp oder vom Spinnentyp sind. Die Scheren beider Gruppen sind zwar ähnlich, entstehen ontogenetisch aber auf verschiedene Weisen und entsprechen verschiedenen Körperteilen. Bei Alalcomenaeus half jedoch die spinnentypische Struktur des Gehirns, eine Entscheidung bezüglich der Zugehörigkeit zu treffen. Es konnte nachgewiesen werden, dass die großen, paarigen Scheren vom gleichen Hirnteil kontrolliert wurden wie bei den heutigen Spinnentieren (Webspinnen, Weberknechte, Skorpione und Milben) und Pfeilschwanzkrebsen, die als Kieferklauen- oder auch Scherenträger (Chelicerata) zusammengefasst werden. Somit ist klar, dass die Megacheira als die bislang ältesten bekannten Vorfahren der heutigen Spinnentiere angesehen werden können.

Mittels Computertomografie und einer Laser-Scanning Technik konnten Tanaka et al. (2013) die Anatomie des Nervensystems von Alalcomenaeus genau untersuchen – dank der sehr guten Erhaltung des Fossils. Der Urzeit-Gliederfüßer aus dem Kambrium ist so gut erhalten, dass sein Gehirn und Nervensystem weitgehend intakt konserviert sind. Dabei zeigten sich große Ähnlichkeit mit Gehirn und Nervensystem der heutigen Cheliceraten („Scherenträger“). Die Ähnlichkeiten betreffen die Anordnung der paarigen optischen Neuropile (Sehzentrum), das Gehirn (eine Art Vorhirn sowie ein aus vier Nervenknoten verschmolzenes Gehirn) und die Ganglien (Tanaka et al. 2013, 364).

Einmal mehr zeigt sich, dass Organe von Tieren, die während der „kambrischen Explosion“ fossil auftauchen, in ihrer Komplexität heutigen Formen gleichen. Mit Alalcomenaeus und Fuxianhuia sind nun aus Chengjiang Fossilien überliefert, deren Gehirn modernen Vertretern der beiden Hauptgruppen der Gliederfüßer ähnelt. Die Autoren stellen fest: Alalcomenaeus und Fuxianhuia protensa zeigen, dass die beiden Hauptkonfigurationen des Gehirns, wie wir sie bei modernen Gliederfüßern kennen, nämlich der Chelicerata und Mandibulata, im frühen Kambrium evolviert waren.“1 Damit ist auch klar, dass diese beiden Gruppen bereits im Unterkambrium getrennt waren, denn Alalcomenaeus und Fuxianhuia lebten gleichzeitig, sind aber den beiden verschiedenen Gruppen zuzuordnen.

Anmerkung

1 „Alalcomenaeus and Fuxianhuia protensa demonstrate that the two main configurations of the brain observed in modern arthropods, those of Chelicerata and Mandibulata, respectively, had evolved by the early Cambrian“ (p 364). Zu den Mandibulata gehören Krebse, Insekten und Tausendfüßer; sie gehören zusammen mit den Chelicerata zu den Gliederfüßern.

Literatur

Lee MSY, Jago JB, García-Bellido DC, Edgecombe GD, Gehling JG & Paterson JR (2011) Modern optics in exceptionally preserved eyes of Early Cambrian arthropods from Australia. Nature 474, 631-634.

Ma X, Hou X, Edgecombe GD & Strausfeld NJ (2012) Complex brain and optic lobes in an early Cambrian arthropod. Nature 490, 258-261.

Strausfeld NJ & Hirth F (2012) Deep Homology of Arthropod Central Complex and Vertebrate Basal Ganglia. Science 340, 157-161.

Tanaka G, Hou K, Ma X, Edgecombe GD & Strausfeld NJ (2013) Chelicerate neural ground pattern in a Cambrian great appendage arthropod. Nature 502, 364-367.

Autor dieser News: Reinhard Junker

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