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09.06.09  Das „abscheuliche Geheimnis“ im Darwinjahr

Aktuell im Darwinjahr: Die Frage nach der Abstammung der Blütenpflanzen ist nach wie vor ungeklärt

Gastbeitrag von Herfried Kutzelnigg

Eines der großen Probleme der Darwinschen Abstammungslehre ist die Herkunft der Bedecktsamigen Blütenpflanzen (Angiospermen), die heute mit ihren fast 300.000 Arten den weitaus größten Teil der grünen Pflanzen ausmachen. Sie treten schlagartig und ohne erkennbare Zwischenstufen zu Beginn der Kreideformation vor ca. 100 Millionen Jahren herkömmlicher Zeitrechnung auf und haben in vergleichsweise kurzer Zeit die bekannte Formenfülle erreicht. Darwin erkannte in selbstkritischer Weise, dass dieses Problem seine Theorie erheblich in Frage stellen würde und bezeichnete daher einem Kollegen gegenüber in einem Brief aus dem Jahre 1879 die Situation als „abominable mistery“, also als abscheuliches Geheimnis. Vor allem störte ihn das sprunghafte Auftreten dieser Pflanzen, das so gar nicht in das Konzept einer Evolution passte, die lange Zeiträume zu ihrer Realisierung erfordert.

Nach nunmehr 130 Jahren intensiver Forschung ist das Geheimnis nach wie vor ungelüftet. Umso erstaunlicher ist es, dass der Ausdruck „abominable mistery“ auch von Evolutionsbefürwortern gerne benutzt wird. Offenbar ist man so unerschütterlich fest von der Theorie überzeugt, dass man es nur für eine Frage der Zeit hält, wann das Geheimnis gelüftet sein wird.

Entsprechend ist auch im Darwinjahr mehrfach über das Thema geschrieben worden, z.B. in einem Artikel von Elizabeth Pennisi in der führenden Wissenschaftszeitschrift Science in der Ausgabe vom 3. April 2009 mit dem Titel „On the Origin of Flowering Plants“. Es ist in solchen Artikeln immer wieder eindrucksvoll, wie ausführlich darüber berichtet wird, dass man trotz moderner Forschung in all den verschiedenen Teildisziplinen noch nicht weiter ist, aber gleichzeitig mit beachtlichem Selbstbewusstsein darauf hingewiesen wird, dass man kurz vor dem Ziel sei.

Nun kurz zu einigen Teilaspekten der Problematik: Woher die Bedecktsamer kommen, ist weiterhin völlig offen. Hoffnungen, die Vorfahren bei irgendwelchen Gruppen der Nacktsamer (Gymnospermen) zu finden, wurden sämtlich zerschlagen. Dies gilt sowohl für die Suche nach Fossilfunden, die man als Zwischenstufen interpretieren könnte, als auch für theoretische Ableitungen der Blütenherkunft und auch für Überlegungen aufgrund des Vergleichs von molekularen Daten. Als unbefriedigende Lösung blieb nur übrig, das Problem zeitlich zurück zu verschieben und jetzt von einem gemeinsamen Ahnen der Angiospermen und Gymnospermen auszugehen.

Wie die ursprüngliche Angiospermenblüte ausgesehen haben könnte, ist wegen der explosionsartigen Ausbreitung dieser Pflanzengruppe nach wie vor unklar. Es scheint jetzt nur klar zu sein, dass die jahrzehntelang gelehrte Lehrbuchmeinung, wonach die primitiven Blüten in der Verwandtschaft der Magnolien zu suchen sind, aufgegeben werden muss.

Neuere Arbeiten über die Abstammung der Angiospermen nennen regelmäßig als großen Wissenschaftsfortschritt die in den letzten Jahren aufgestellten „Stammbäume“, die aufgrund morphologischer und vor allem molekularer Analysen konstruiert wurden. Dabei wird oft übersehen, dass es sich lediglich um die graphische Darstellung von Merkmalsvergleichen handelt und nicht um den Nachweis von Abstammung. Ohne Zweifel ist die gebotene Datenfülle eindrucksvoll, und es gibt beachtliche Erkenntnisse über abweichende Pflanzengruppen, die in solchen „Stammbäumen“ an die Basis gestellt werden. Hierzu zählen z.B. die Seerosen und ihre Verwandten und der viel zitierte, nur in Neukaledonien vorkommende Strauch Amborella. Was aber diese Abweichungen wirklich bedeuten, ist eine offene Frage.

Eine Zeitlang galt eine fossile Pflanze mit Namen Archaefructus als möglicher Kandidat einer frühen Angiosperme. Dann aber stellte sich heraus, dass nicht nur das angenommene Alter von ca. 144 Millionen Jahren zu hoch gegriffen war, sondern auch die Blütenreste falsch interpretiert worden waren, so dass jetzt auch dieser Hoffnungsträger ausscheidet.

So bleibt die Hoffnung, dass entwicklungsbiologische Untersuchungen aus der neuen Forschungsrichtung „Evo-Devo“ die Wissenschaft vielleicht der Problemlösung näher bringen. Allerdings ergaben erste molekulargenetische Untersuchungen zur Frage der Blütenentwicklung das interessante Ergebnis, dass die wesentlichen Aspekte der Blütenentwicklung seit den frühesten Linien konserviert sind. Daher führt auch dieser Befund bei der Suche nach ursprünglichen Formen nicht weiter.

Somit ist also Darwins „abscheuliches Geheimnis“ einer Lösung immer noch nicht näher gekommen, und es ist daher umso erstaunlicher, dass namhafte Wissenschaftler davon sprechen, dass sie eine Lösung des „abominable mistery“ in Reichweite sehen.

Literaturhinweise

Wer sich für nähere Einzelheiten interessiert, sei auf folgende Publikationen hingewiesen:

Kutzelnigg H (2000, 2001): Das „abscheuliche Geheimnis“. Woher kommen die Angiospermen? Stud. Int. J. 7, 51-58; 8, 10-15.

Kutzelnigg H (2008) Neues zum explosionsartigen Auftreten der Bedecktsamer. Stud. Int. J. 15, 88-92.

Pennisi E (2009) On the origin of flowering plants. Science 324, 28-31.

Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen

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