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08.08.08  Das Genom der Hundeartigen

Hunde sind nicht nur seit vielen Generationen treue Begleiter des Menschen, sie wurden auch in gut dokumentierten Züchtungen hinsichtlich unterschiedlichster Erscheinungsbilder, Verhaltensweisen und Charaktere selektiert.

Das Genom (=Erbgut) von Hunden ist auf 78 Chromosomen verteilt (2 Geschlechtschromosomen – X und Y – und 38 autosomale Chromosomenpaare) und enthält nach derzeitigem Kenntnisstand ca. 19 000 proteincodierende Gene und insgesamt ca. 2,4 Milliarden Basenpaare (bp). E. Kirkness und Kollegen (2003) hatten anhand von Proben eines Pudelrüden eine Übersichtssequenz des Hundegenoms vorgestellt. Eine besser abgesicherte Version wurde zwei Jahre später präsentiert; dazu hatten K. Lindblad-Toh et al. (2005) das Genom einer Boxerhündin ca. 7,5-mal gelesen1; für den ersten Entwurf war die DNA-Sequenz ca. 1,5-mal1 analysiert worden.

Aufgrund der vielfältigen Erscheinungsformen der verschiedenen Rassen von Haushunden vermutete Charles Darwin (und mit ihm viele andere bekannte Biologen wie z.B. der Verhaltensbiologe Konrad Lorenz), dass die Haushunde auf eine Vielzahl unterschiedlichster Wildtiere zurückgehen, wie z.B. verschiedene Wölfe, Kojoten und Schakale. Aber schon erste genetische Studien anhand von mitochondrialer DNA (mtDNA) seit Ende der 1980er Jahre bestätigten, dass die verschiedenen Rassen der Haushunde (Canis lupus familiaris) vom Wolf (Canis lupus) abstammen.

Vor dem Hintergrund von Studien der mtDNA von Hunden und Wölfen setzen Wissenschaftler die Entstehung der Haushunde vor 40 000–135 000 Jahren an.  Archäologische Hinweise auf Hunde als Begleiter des Menschen reichen dagegen nur ca. 15 000 Jahre zurück (Ostrander & Wayne 2005)2. Erweiterte genetische Untersuchungen deuten darauf hin, dass verschiedene Populationen und mehrere hundert Individuen am Ursprung der Hunde anzunehmen sind. Dieser ist geographisch wohl in Ostasien anzusiedeln.

Basierend auf den bekannten Genomdaten, begünstigt durch weit zurückreichende gute Dokumentationen durch verschiedenste Zuchtinstitutionen und motiviert durch das Interesse vieler Hundezüchter weltweit wurde in jüngster Zeit eine Vielzahl von Studien über Zusammenhänge zwischen Genotyp (=Erbgut) und Phänotyp (=Erscheinungsbild) bei Hunden veröffentlicht. Hinzu kommt, dass bei manchen Hunderassen charakteristische Krankheitsbilder beschrieben wurden, die ähnlich auch in der Humanmedizin bekannt sind. Für die Grundlagenforschung erhofft man sich durch die Kenntnisse bei Hunden eine effektivere Suche nach den (mit-)ursächlichen genetischen Grundlagen für die Krankheiten.

Vergleicht man die molekularbiologischen Daten zwischen Hund und Mensch, so ergibt sich für beide Genome eine Variabilität von 8 x 10-4 Nukleotid-Austauschen pro bp. Der genetische Unterschied zwischen Hunderassen ist mit 27,5 % deutlich größer als derjenige zwischen  verschiedenen Menschengruppen, der bei 5,4 % liegt.3 Allerdings ist die genetische Homogenität innerhalb einer Zuchtlinie bei Hunden deutlich größer (94,6 %) als bei bestimmten Gruppen von Menschen (72,5%).

Die Unterschiede in Größe des Skeletts und dem Verhältnis dessen Teile zueinander ist bei Hunden größer als bei allen anderen Säugetieren und übertrifft sogar diejenigen der gesamten Familie der Hundeartigen, zu der auch Cojoten, Schakale und Füchse gehören. Auf der Basis von Studien über Portugiesische Wasserhunde – einer sehr alten Hunderasse – untersuchten Sutter et al. (2007) Zusammenhänge zwischen genetischen Merkmalen und dem Skelettbau der Hunde. Die Autoren konzentrierten sich dabei auf einen Bereich auf Chromosom 15, der eine starke Korrelation mit der Körpergröße (und -masse) aufwies. Sie identifizierten einen Bereich in der Nähe des IGF1-Gens (IGF1: insulin-like growth factor 1, Insulin-ähnlicher Wachstumsfaktor 1). Von diesem ist bekannt, dass er auch bei Mäusen und Menschen die Körpergröße beeinflusst. IGF1 tritt bei 96 % der Portugiesischen Wasserhunde in zwei Varianten (Haplotypen) auf: Haplotyp B und I. Hunde, die homozygot B (2 B-Varianten im diploiden Chromosomensatz) sind, gehören zu den kleinsten; diejenigen, die homozygot I aufweisen, die größten; heterozygote (je einmal B und I) liegen dazwischen. Sutter et al. untersuchten mit diesen Kenntnissen 353 Tiere aus 14 kleinen und 9 sehr großen Hunderassen. Die Ergebnisse bestätigen, dass IGF1 für den Kleinwuchs einer Rasse (mit-) verantwortlich ist. Darüber hinaus zeigt diese Studie einmal mehr den starken Einfluss der Züchter: in kleinen Rassen tritt der entsprechende Haplotyp homozygot auf. Auch für den Geschlechtsdimorphismus – das Phänomen, dass bei Säugertieren männliche Organismen typischerweise größer sind als die weiblichen – konnten genetische Faktoren identifiziert werden.

An Whippets (eine kleine englische Windhundrasse) konnte gezeigt werden, dass das Myostatin-Gen für das gelegentliche Auftreten von bulligen, sehr muskulösen Tieren bei dieser eigentlich zierlichen und langgliedrigen Rasse verantwortlich ist. Myostatin ist ein Protein, das als Wachstumsfaktor den Aufbau von Muskelgewebe begrenzt. In den auffallend bulligen Whippets lagen beide Myostatingene mit einer bestimmten Mutation vor, was zur Folge hat, dass die entsprechenden  Proteine nur eine stark eingeschränkte Funktion aufweisen. In Hunden, die erfolgreich bei Rennen eingesetzt werden, lag typischerweise eine normale und eine mutierte Variante des Myostatingens vor.

Parker et al. (2004; Wayne & Ostrander 2007) untersuchten anhand von Mikrosatellitenmarkern4 414 reinrassige Hunde aus 85 Zuchtlinien. Unter Anwendung statistischer Verfahren (Bayesian) konnten bis auf eine Ausnahme Hunde in Cluster (Gruppen) zusammengefasst werden, die auch ihren Züchtungen entsprach. Umgekehrt konnten die einzelnen Hunde allein aufgrund ihres Genotyps mit 99 %-iger Sicherheit (die Zuordnung von 4 aus 414 war nicht eindeutig) der entsprechenden Züchtung zugeordnet werden. Dies bedeutet, dass die modernen Hunderassen unterscheidbare genetische Einheiten darstellen.

Klassische phylogenetische Analysen der Daten separieren zwar einige der gezüchteten Hunderassen (9), aber für die große Mehrheit konnte keine aussagekräftige Auflösung gefunden werden. Die Autoren führen das vor allem auf zwei Ursachen zurück: zum einem ist die Geschichte der Züchtungen komplex (dramatische Reduktion der Individuenzahl z.B. in Not- und Kriegszeiten und der Aufbau neuer Züchtungen aus Restbeständen von alten Züchtungen), zum andern gehen beim Erstellen von genetischen Distanz-Matrizen Informationen verloren, da alle genetischen Daten in eine Zahl gepresst werden, mit der der Unterschied zweier zu vergleichender Züchtungen dargestellt wird. Beide Argumente sind prinzipiell bei phylogenetischen Untersuchungen zu berücksichtigen und sind hier nur aufgrund der Datenlage so offensichtlich.

Unter weiterer Anwendung der Bayesischen Verfahren konnten vier große Gruppen unter den Züchtungen etabliert werden, wobei Wölfe eindeutig einer dieser vier Gruppen zugeordnet werden können. Diese Resultate stützen damit ein Modell der Geschichte von Haushunden, nach dem die alten Rassen zuerst in Asien und Afrika aufgetreten sind. Des Weiteren zeigen die Ergebnisse dieser Studie, dass in erstaunlich kurzer Zeit genetisch klar unterscheidbare Rassen entstehen können, wenn hoher Selektionsdruck herrscht. Für manche Zuchtlinien, deren Vertreter unter Züchtern als sehr alte Hunde gelten, wie z.B. der Pharaonenhund, zeigen die genetischen Daten kein hohes Alter, so dass man davon ausgehen muss, dass diese Hunde zwar den alten ägyptischen Hunden im Erscheinungsbild sehr ähnlich sind, aber die Zucht erst in jüngerer Vergangenheit erfolgt ist.     

Crompton (1993) hatte aufgrund ausgewählter Merkmale grundsätzliche taxonomische Zusammenhänge unter den Hundeartigen (Canidae) vorgestellt und diskutiert. Die Befunde wurden von ihm auch im Rahmen des Grundtypmodells (vgl. Heutige Grundtypen interpretiert. Demnach kann die Familie der Canidae als Grundtyp gegen andere Säugergruppen abgegrenzt werden. Die bisher bekannten Erkenntnisse über das Genom von Hunden und dessen Auswirkungen auf deren Erscheinungsbild bestätigen die dort aufgezeigten Linien und verfeinern das Bild. Von großem Interesse ist in diesem Zusammenhang, dass am Beispiel der Hunderassen aufgrund der umfangreichen Erfahrungen und Daten sehr gut dargelegt werden kann, wie aufgrund vergleichsweise geringer genetischer Unterschiede das Erscheinungsbild der verschiedenen Hunderassen in erstaunlichem Umfang variieren kann. Am Beispiel der Hunde können auch die gravierenden und umfangreichen Konsequenzen starker Selektionsdrücke innerhalb kurzer Zeit eingehend studiert werden.  Daher sollte dem Grundtyp der Canidae für die weiteren Untersuchungen von Grundtypen besondere Bedeutung zugemessen werden.

Literatur

Crompton NEA (1993) A review of selected features of the family Canidae with reference to its fundamental taxonomic status. In: Scherer S (Hg, 1993) Typen des Lebens. Pascal-Verlag, Berlin.

Kirkness EF, Bafna V, Halpern AL, Levy S, Remington K, Rusch DB, Delcher AL, Pop M, Wang W, Fraser CM & Venter JC (2003) The dog genome: survey sequencing and comparative analysis. Science 301, 1898-1903.

Mosher DS, Quignon P, Bustamante CD, Sutter NB, Mellersh CS et al. (2007) A mutation in the myostatin gene increases muscle mass and enhances racing performance in heterozygote dogs. PLoS Genet 3(5): e79. doi:10.1371/journal.pgen.0030079

Lindblad-Toh K et al. (2005) Genome sequence, comparative analysis and haplotype structure of the domestic dog. Nature 438, 803-819.

Ostrander EA & Wayne RK (2005) The canine genome. Genome Res. 15, 1706-1716.

Ostrander EA (2008) Warum Hunde so verschieden sind. Spektrum der Wissenschaft (7) 48-55.

Parker HG, Kim LV, Sutter NB, Carlson S, Lorentzen TD, Malek TB, Johnson GS; De France HB, Ostrander EA & Kruglyak L (2004) Genetic structure of the purebred domestic dog. Science 304, 1160-1164.

Wayne RK & Ostrander EA (2007) Lessons learned from the dog genome. Trends Genetics 23, 557-567.

Sutter NB et al. (2007) A single IGF1 allele is a major determinant of small size in dogs. Science 316, 112-115.

Anmerkungen

1 Diese Angaben sind statistische Größen: bei der Sequenzierung wird die gesamte DNA (in vielen Kopien) in kleine Stücke zerteilt, die dann jeweils sequenziert werden. Um anschließend das ursprüngliche Genom rekonstruieren zu können, muss man aus den unzähligen Schnipseln die sich jeweils überlappenden suchen. Dies ist ungeheuer zeitaufwändig und wird mit Einsatz großer Rechnerkapazitäten erreicht. Man geht davon aus, dass man statistisch jede Base 7-8 mal analysieren muss, um einigermaßen sicher zu sein, dass die ermittelte Sequenz vertrauenswürdig ist.

2 Die Altersangaben der DNA-Analyse beruhen auf phylogenetischen Untersuchungen in Kombination mit molekularen Uhren. Dabei werden bestimmte Mutationsraten zugrundegelegt, die dann entsprechend hohe Alter ergeben. Für die archäologischen Befunde wurden übliche Methoden zur Altersbestimmung herangezogen (Radiocarbon, 14C-Methode und andere indirekte Methoden).   

3 Diese Daten gewinnt man dadurch, dass von Individuen verschiedener Gruppen (z.B. Rassen) ausgewählte Abschnitte von deren Genom analysiert und miteinander verglichen werden.  

Mikrosatellitenmarker: kurze DNA-Sequenzen wiederholen sich im Markerbereich unterschiedlich oft, wodurch sie verhältnismäßig einfach und spezifisch aufzufinden sind. Diese und andere Marker (wie z.B. SNPs) können zur Orientierung in Genomen genutzt werden. Gene in der Nähe von Merkern werden anhand derselben beispielsweise in einem Erbgang verfolgt.

Autor dieser News: Harald Binder

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