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26.06.08  „Gott als Designer?“

Bericht und Kommentare zu einer Tagung der Evangelischen Akademie Badens

Unter dem Thema „Gott als Designer? Theologie und Naturwissenschaft im Gespräch“ fand vom 6.-8. Juni 2008 an der Evangelischen Akademie Baden in Bad Herrenalb (Nordschwarzwald) eine Tagung über Schöpfung und Evolution statt. Das Thema wurde von sechs Referenten aus biologischer, wissenschaftstheoretischer, theologischer und religionspädagogischer Sicht beleuchtet. Als einziger Evolutionskritiker war auch Reinhard Junker von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen mit von der Partie. Folgende Vorträge wurden in dieser Reihenfolge gehalten (mit anschließender meist halbstündiger Diskussion):

Prof. Dr. Thomas Junker: Was ist Evolution? Die Darwinsche Revolution und die moderne Biologie

Dr. Reinhard Junker: Evolution und Schöpfung. Theologische Motive und naturwissenschaftliche Aspekte des Kreationismus

Dr. Hansjörg Hemminger: Mit der Bibel gegen die Evolution? Evolution, Intelligent Design und Kreationismus

Prof. Dr. Jürgen Audretsch: Reichweite und Grenzen naturwissenschaftlicher Aussagen

Prof. Dr. Manfred Oeming: Ist die Bibel ein Tatsachenbericht? Lesehilfen zur Lektüre der Schöpfungsgeschichte

Prof. Dr. Astrid Dinter: Evolutionstheorie gegen Schöpfungstheologie? Eine Auseinandersetzung mit dem Buch „Gotteswahn“ von Richard Dawkins

Es waren gut 100 Teilnehmer anwesend, viele davon gehörten zum Stammpublikum der Evangelischen Akademie, aber es waren auch andere Gäste dabei; die Tagung war besser besucht als vom Veranstalter erwartet.

Nachfolgender Bericht des Mitreferenten Reinhard Junker soll keinen vollständigen Überblick über alle Themen und Thesen geben, sondern greift einige Punkte heraus, die aus der Sicht von Wort und Wissen von besonderer Relevanz oder von besonderem Interesse sind.

 

Der Biologe Thomas Junker präsentierte einige Inhalte der Evolutionstheorie, vor allem zu den Evolutionsmechanismen: Variation, Selektion und Zeit reichen aus, um die Vielfalt des Lebens hervorzubringen. Er baute darauf einen rigorosen Biologismus auf, so dass es nur folgerichtig war, dass er keinerlei Vereinbarungsmöglichkeiten von Evolution und einem wie auch immer gearteten Schöpfungsglauben sah. Die Evolution könne alles erklären, auch den Sinn des Lebens, der darin bestehe, dass die biologischen Maschinen (auch wir Menschen) ihre Gene verbreiten. Dazu gab es in einem solchen Rahmen verständlicherweise viel Kontra. Ein Teilnehmer meinte, er hätte zwar vier Kinder, aber keine Enkel; ob er nun den Lebenssinn verfehlt habe. – Nein, so die Antwort, denn die Evolution habe dafür gesorgt, dass es einem gut gehen solle, denn das sei eine grundsätzliche Voraussetzung dafür, dass man seine Gene gut weitergeben könne. Damit sei auch ein „hedonistischer Sinn des Lebens biologisch begründet“. Vom Publikum wurde auch kritisch bemerkt, dass Thomas Junker dauernd teleologische (=zielgerichtete) Begriffe für Evolutionsvorgänge verwendet – schließlich kennt Evolution kein Ziel. Antwort: Das sei abkürzende Redeweise. Es waren z. B. folgende Begriffe im Zusammenhang mit Evolution verwendet worden: „Programmierung“, „Zwecke“, „um … zu“-Formulierungen, „egoistische Gene“, „erfinden“, „Experiment“ der Evolution, „Architekt“, „Konstrukteur“. Ich konnte in meinem darauf folgenden Vortrag darauf hinweisen, dass Formulierungen, die ohne teleologische Elemente in den Begriffen auskommen, in vielen Fällen in der Biologie noch gar nicht gefunden worden seien.

Bemerkenswert war noch der Versuch des Referenten, „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ zu diskreditieren; und zwar wie folgt: In dessen Vorwort steht: „Deutungsprobleme und offene Fragen von Evolutionstheorien … haben nach unserer Auffassung ein so großes Gewicht, dass Makroevolution als nicht mehr hinterfragbare Leitvorstellung ernsthaft geprüft und nicht als Tatsache vorausgesetzt werden sollte.“ Thomas Junker nannte es „bodenlosen Unsinn“ zu behaupten, dass Evolution als Tatsache vorausgesetzt werde; das stimme nicht. Man würde ständig Überprüfungen vornehmen. Einige Minuten später betonte er dann sehr stark, dass Evolution eine Tatsache sei – so sicher wie Tatsachen nur sein könnten. Damit hatte er sich selbst widersprochen. Ich konnte das in meinem Vortrag klären und wies auf die Wendung „als nicht mehr hinterfragbare Leitvorstellung“ hin. Außerdem warf er Evolutionskritikern vor, mit den Begriffen „Mikroevolution“ und „Makroevolution“ Verwirrung stiften zu wollen. Tatsächlich trifft aber das Gegenteil zu. Wir bemühen uns um saubere Begriffsklärungen als Basis für eine fruchtbare Diskussion. Die Grundtypenbiologie bezeichnete Thomas Junker als „unkritischen naivsten Wunderglaube“, das sei „Kindergarten“.

Der Hauptteil des Vortrags des Weltanschauungsbeauftragten und Biologen Hansjörg Hemminger bestand aus einem durchaus interessanten und kurzweilig vorgetragenen  historischen Rückblick zur Geschichte des Kreationismus und der Intelligent Design-Bewegung. Dessen Ausführlichkeit ließ dann aber kaum Zeit für eine nennenswerte substantielle Auseinandersetzung, weder bezüglich naturwissenschaftlicher noch theologischer Argumente. Die Kritik am Kreationismus erschöpfte sich im Wesentlichen in der Aussage, dass der Kreationismus als Naturwissenschaft in einem Vergleich mit der Evolutionstheorie überall schlechter abschneide; der Kreationismus stelle sich einer Hypothesenkonkurrenz nicht, in den meisten Feldern sei er nicht einmal als Konkurrent angetreten. Hemminger ging kurz auf den „Intelligent Design“-Ansatz (ID) ein, der meines Erachtens unausgewogen dargestellt wurde. Man konnte seinem Vortrag manches darüber entnehmen, was er nicht vertritt, weniger aber, wofür er theologisch steht. Als Motive des Kreationismus, die in dessen Geschichte vorherrschend waren, nannte er die Geltung der Heiligen Schrift (was er als „Bibelfundamentalismus“ bezeichnete), die Rettung des christlichen Menschenbildes (was Folgen für Ethik und Menschenwürde habe) sowie neuerdings vor allem in der ID-Bewegung einen Gottesbeweis auf dem Wege naturwissenschaftlicher Argumentation. Hier überraschte mich sein Optimismus bezüglich der Leistungskraft der Evolutionsmechanismen: Die Entstehung sog. „komplexer spezifizierter Information“ (dazu gehören z. B. biochemische Maschinen wie der Bakterien-Rotationsmotor) sei durch Selbstorganisation problemlos möglich.

Der Physiker Jürgen Audretsch unterschied zwischen starken und schwachen ID-Versionen. Das erscheint mir als eine sehr wichtige Unterscheidung. Nach der starken Fassung könne man – vereinfacht gesagt – einen Designer aus der Natur beweisen, die schwache Fassung dagegen versteht Design-Indizien nur als Veranschaulichung bei Vorgabe eines Designers (gedrehtes Design-Argument). Naturwissenschaft sei Laborwissenschaft (plus Freilandbeobachtungen) und könne ihre Aussagen nur unter Vorgabe von Voraussetzungen machen (was Thomas Junker in der Diskussion zu seinem Vortrag implizit bestritt, denn er meinte, man ginge streng induktiv vor, „da kann Popper sagen was er will“). Begründungsketten müssten in der Naturwissenschaft lückenlos sein, es gebe Gültigkeitsbereiche, aber auch Grenzen der Naturwissenschaft. Dagegen sei Rekonstruktion der Naturgeschichte nicht Teil der Naturwissenschaft, sondern nur Anwendungsgebiet der Naturwissenschaft. Geschichte ist Rekonstruktion bzw. Konstruktion der Vergangenheit, ein Blick zurück auf der Grundlage der vorliegenden Beobachtungsdaten mit Hilfe der naturwissenschaftlichen Methoden und dem naturwissenschaftlichen Wissen der Zeit. Dazu seien die Kriterien der Geschichtswissenschaft anzuwenden. Er stimmte einem Diskussionsbeitrag aus dem Publikum zu, dass es verschiedene Rekonstruktionen geben könne, die miteinander konkurrieren.

Begründungslücken könne es durchaus geben. Audretsch brachte aus der Kosmologie das Beispiel der Standardtheorie, die solche Lücken gehabt habe, die durch die Inflationstheorie zwar gefüllt worden seien, wodurch sich die Lücken aber nur verschoben hätten.

„No-go-Aussagen“ (Unmöglichkeitssätze) (was ja ID auch macht) gebe in großer Zahl in der Wissenschaft, sie seien aber nur unter der Angabe von Voraussetzungen möglich.

Der Alttestamentler Manfred Oeming legte einige Schöpfungstexte aus, sehr ausführlich Gen 1 und Gen 2, sowie Texte aus Jesaja, Hiob und den Psalmen. Seiner textgetreuen Auslegung von Gen 1 konnte ich praktisch uneingeschränkt zustimmen; dagegen fast überhaupt nicht seinen Ausführungen zu Genesis 2. Gott werde dort als Experimentator gesehen, dem auch mal etwas missglücke, so beim Versuch, unter den Tieren einen Partner für den Menschen zu finden. Eine solche Auslegung halte ich für verfehlt. Denn abgesehen davon, dass das so nicht im Text steht, waren die Menschen, selbst wenn man historisch-kritisch und evolutionär denkt, nie so naiv, auf  eine derartige Idee zu kommen.
Dass Genesis 1 in der Zeit der babylonischen Gefangenschaft als „Antwort auf den Kulturdruck der Babylonier“ entstanden sei, gilt bekanntlich als Standard unter den Theologen, aber die Begründung dafür war sehr kurz. Es stellt sich hier die Frage, wie unter solchen Umständen den zuvor exegetisch begründeten Aussagen ein Realitätsgehalt zukommen kann. Woher hatten die Autoren ihr Wissen? Hatten sie es schon mitgebracht und wollten sie es nun aufschreiben? Oder ist es ihnen erst in Babylon in den Sinn gekommen? Wie kamen sie dann überhaupt darauf? Und mit welcher Begründung kann es als realistisch und glaubwürdig angesehen werden? Konkret: Was kann z. B. der ursprüngliche Tierfrieden überhaupt bedeuten, wenn es diesen in Wirklichkeit nie gab? Oder: Was soll es bedeuten, dass der Mensch – zum Bilde Gottes geschaffen – Gottes „Standbild“ (Stellvertreter) auf der Erde ist, wenn der Mensch in Wirklichkeit evolutionär bedingt ein höchst unvollkommenes Wesen ist, das einer solchen Aufgabe niemals gewachsen sein kann? Die zuvor vorgetragene Auslegung von Gen 1 ist damit unglaubwürdig. Wenn diese Texte also gar keinen (oder nur einen unbedeutenden) historischen Realitätsgehalt haben, verlieren sie auch ihren tieferen und existentiellen Sinn. Hier liegt das Hauptproblem neuzeitlicher Hermeneutik: Was das Alte und Neue Testament als wirkliches Handeln und Reden Gottes bezeugt (beginnend mit der Schöpfung), was in der Kirche so geglaubt wurde, sieht man heute lediglich als subjektive Vorstellung früherer Theologen bzw. religiöser Gruppen. Der hermeneutische Versuch, man solle die Schöpfungstexte als Zukunftstexte lesen, erscheint mir sehr merkwürdig, nicht textgemäß und ohne exegetische Begründung.

Schließlich muss man fragen: Wenn man schon argumentiert, Gen 1 sei (auch) Abgrenzung gegen babylonische Vorstellungen, warum gehört dann das astral gesteuerte Weltzeitalter-Schema mit seinen zyklischen Feuer- und Wasserkatastrophen nicht zu den Abgrenzungen? Denn gerade hier liegt doch ein markanter Unterschied der Zeitvorstellungen in Gen 1 zu damals zeitgenössischen Vorstellungen der israelitischen Umwelt im Exil vor. Was ist also der Auslegungsschlüssel? Ist es nicht doch das moderne Weltbild?

Oemings Bemerkung, die „fundamentalistische“ Bibelauslegung sei aus Ängsten gespeist, könnte man insbesondere allen Entflechtungslösungen vorhalten, die sich – etwas provozierend gesagt – vor lauter Angst auf sicheres, unangreifbares Terrain zurückgezogen haben, indem sie die Beziehung zur biblisch bezeugten Historie und damit zur Wirklichkeit des Handelns und Redens Gottes faktisch gekappt haben. Wenn aber, wie Oeming feststellte, das von ihm vorgetragene Schöpfungsverständnis unabhängig von den Ergebnissen der Naturwissenschaft sei, dann stellt sich die Frage, was überhaupt der Inhalt der Schöpfungslehre ist und ob sie einen Bezug zur Realität hat. Die Umweltproblematik kann ja trotz ihrer Wichtigkeit nicht der einzige Bezug sein. Es drängt sich der Eindruck auf, als würden die exegetisch ermittelten Inhalte aufrechterhalten, aber die sie begründenden faktischen Grundlagen bestritten. Im Bild gesprochen: Man behauptet, ein Mittagessen zu genießen, bestreitet aber gleichzeitig dessen Existenz.
Die Schlussfolgerungen gingen nach langer Rede in wenigen Minuten am Ende von Oemings Vortrag fast unter. Kreationisten nähmen biblische Texte selektiv wahr, so Oeming, die Begründung war für mich nicht mehr erkennbar  Dagegen stellte sich bei Oemings Auslegung von Gen 2 umgekehrt die Frage, ob er Dinge in die Texte hineinliest. Leider blieb fast keine Zeit mehr für kritische Rückfragen.

Die Religionspädagogin Astrid Dinter analysierte im ersten Teil Ihres Vortrags die Argumentation in Dawkins’ Buch „Der Gotteswahn“ und diagnostizierte ein monistisches, einliniges naturwissenschaftliches Denken, das alles erklären wolle (die Tagungsteilnehmer hatten das zuvor live im Eingangsreferat von Thomas Junker erleben können). Wie einige andere Redner ging auch sie auf ID ein und kritisierte an diesen Ansatz ähnlich wie an Dawkins’ Buch eine „einlinige Argumentation“ und eine monistische Weltsicht. Leider gab es in keinem der Beiträge eine zusammenhängende Erklärung des ID-Ansatzes (ich hatte auch kaum Zeit dazu in meinem Vortrag). Wenn das Tagungsthema „Gott als Designer?“ heißt, wäre es sinnvoll gewesen, einen eigenen Grundsatzvortrag eines ID-Sympathisanten einzuplanen, in dem die Argumentationsweise im Zusammenhang dargestellt wird. Wichtig war hier die oben erwähnte Unterscheidung einer schwachen und schwachen Form von ID. Auf die schwache Form (die der Position der SG Wort und Wissen nahe kommt), trifft die o. g. Kritik von Frau Dinter nicht zu, da in dieser Version die Grenzen der Naturwissenschaft berücksichtigt werden. Hier wurde wie so oft bei „ID“ das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Im zweiten Teil thematisierte Frau Dinter religionspädagogische Aspekte des Themenfelds Glaube und Naturwissenschaft. Sie betonte die Wichtigkeit einer Verhältnisbestimmung von Theologie und Naturwissenschaft in der Pädagogik, wobei altersgemäß unterschiedlich vorgegangen werden muss. Gelinge hier nicht frühzeitig eine Synthese, drohe später ein Abbrechen der religiösen Weltsicht oder eine Ablehnung der Naturwissenschaft. Die SG Wort und Wissen teilt dieses Grundanliegen und möchte ebenfalls gerade diesen Abbruch sowohl zu Glaubensinhalten als auch zur Naturwissenschaft verhindern, doch die Vorstellungen zur konkreten Umsetzung dieses Anliegens gehen freilich in eine deutlich andere Richtung. Die historisch-kritische Ausdünnung der historischen und naturkundlichen Bezüge der Glaubensinhalte und des biblischen Zeugnisses (vgl. Oemings Vortrag) halten wir für eine schlechte Basis einer In-Bezug-Setzung von Glaube und Naturwissenschaft. Dass viele Jugendliche sich vom christlichen Glauben abwenden, könnte auch einer gefühlten Belanglosigkeit geschuldet sein, wenn die Bezüge zur realen Welt weitgehend gekappt worden sind.

Autor dieser News: Studiengemeinschaft Wort und Wissen

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