Evolution: Entstehung des Lebens (Präbiotische Chemie) - Entstehung von Proteinen  

Evolution: Entstehung des Lebens (Präbiotische Chemie)

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Interessierte: Entstehung von Proteinen

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Inhalt

In diesem Artikel werden die wichtigsten Ergebnisse von Ursuppen-Simulationsergebnissen vorgestellt und bewertet. Zum einen werden die Reaktionsprodukte mit Inhaltsstoffen heutiger Zellen verglichen, zum anderen wird untersucht, ob sie als Ausgangsstoffe für weitere präbiotische Schritte geeignet sind.

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Hinführung

 

In den Zellen aller Organismen finden sich eine Vielzahl sog. Makromoleküle, die für die Lebensfunktionen unverzichtbar sind. Unter Makromolekülen versteht man chemische Verbindungen mit hohem Molekulargewicht, die aus vielen ähnlichen Einzelbausteinen bestehen. Wichtige Klassen von Makromolekülen in Lebewesen sind Eiweiße (Proteine) und Nukleinsäuren. Proteine (Modell in Abb. 116) sind unverzweigte Ketten aus Aminosäuren.

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Ähnlich sind Nukleinsäuren lineare Ketten aus sog. Nukleotiden, die wiederum aus drei verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzt sind, einem Zucker, einer sog. Purin- oder Pyrimidin-Base und einem Phophatrest (vgl. Abb. 117). Im folgenden werden Modelle zur präbiotischen (=vor der Existenz von Leben) Synthese von Proteinen aus Aminosäuren auf ihre Plausibilität untersucht.

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Bildung von Aminosäuren

 

In Ursuppen-Simulations-Experimenten (siehe „Ursuppen-Simulationsexperimente") bildet sich eine Vielzahl von Verbindungen. Abb. 118 gibt Informationen über die Zusammensetzung der Reaktionsprodukte wieder. Wie im Artikel „Ursuppen-Simulationsexperimente" erwähnt, können die Reaktionsprodukte erst nach chemischer Aufarbeitung analysiert werden. Es zeigt sich, dass zwar auch Aminosäuren gebildet werden, daneben aber in viel größerer Menge andere Reaktionsprodukte, darunter viele, die weitere nachfolgende Reaktionsschritte verhindern.

Der Kohlenstoff, als Methan eingesetzt, wird nur eine geringe Menge in identifizierte Produkte umgesetzt (geringe Ausbeute). Je komplexer die Moleküle werden, d.h. je höher die Zahl der C-Atome ist und je mehr Atome unterschiedlicher Elemente sie enthalten, desto geringer wird die Konzentration der jeweiligen Komponente im Produktgemisch. Ein solches Resultat deckt sich mit den theoretischen Erwartungen für Reaktionen unter unspezifischen Bedingungen. „Unspezifisch" heißt, dass keine speziellen, auf chemischer Erfahrung beruhende Bedingungen wie ein ausgeklügelter Versuchsaufbau angewendet werden. In präbiotischen Situationen können solche spezifischen Randbedingungen ja nicht vorausgesetzt werden.

Die Analyse der Reaktionsprodukte ergab, dass die Monokarbonsäuren (in Abb. 119A sind zwei abgebildet) überwiegen. Durch weitere Simulationsversuche konnten bis heute die meisten – aber nicht alle – am Aufbau von Proteinen beteiligten Aminosäuren hergestellt werden.

Darüber hinaus entstehen aber auch viele andere Aminosäuren, die in Lebewesen nicht vorkommen. So kommen unter den C3-Aminosäuren neben Alanin noch b-Alanin und Sarcosin (Abb. 119B), die nicht Bestandteil von Proteinen sind . Wie und weshalb in den lebenden Zellen eine Beschränkung auf 20 proteinogene (=am Aufbau der Proteine beteiligte) Aminosäuren trotz erheblich größerer Auswahl stattgefunden haben sollte, ist unbekannt. Die Vorstellung, dass zunächst alle Aminosäuren verwendet wurden, dann aber etliche „ausstarben", weil die entsprechenden Systeme weniger „lebenstüchtig" waren (vgl. natürliche Selektion), ist bisher ohne überzeugende empirische (=auf Erfahrung beruhend) Stütze.

Es zeigt sich zudem, dass bei den einzelnen Ansätzen je nach Versuchsbedingungen (Gaszusammensetzung, Reaktionszeit etc.) von den 20 proteinogenen Aminosäuren nur wenige synthetisiert werden. Bei optimistischer Interpretation der bisherigen Ergebnisse kann man in einem einzigen Experiment bis zu 13 am Aufbau von Proteinen beteiligte Aminosäuren synthetisieren. Aminosäuren mit basischen Eigenschaften (Lysin, Arginin und Histidin) wurden bisher in präbiotischen Simulationsexperimenten nicht nachgewiesen. Günstige äußere physikalische Bedingungen, wie passender Druck und Temperatur, denen enge Grenzen gesetzt sind, wenn die Reaktionsprodukte stabil bleiben sollen, werden bei solchen Versuchen als gegeben vorausgesetzt. Unter präbiotischen Ursuppenbedingungen ist dies jedoch sehr unwahrscheinlich. Im „Ursuppenmodell" muss daher postuliert (=gefordert) werden, dass die an verschiedenen Stellen gebildeten Bestandteile später zusammengeführt worden sind, um miteinander reagieren zu können. Damit wird dieses Szenario immer komplexer und damit sinkt die Erklärungskraft.

Besonders bedeutsam unter den Resultaten von Miller-Experimenten ist die mengenmäßig überwiegende Anwesenheit von mono- und polyfunktionellen Molekülen im Produktgemisch, d.h. Verbindungen, die sich mit nur einem bzw. vielen Reaktionspartnern verknüpfen können. Diese Stoffe haben für die nachfolgenden Schritte im Konzept der präbiotischen Chemie weitreichende Konsequenzen, wie im folgenden gezeigt werden soll.

Insgesamt zeigt sich, dass die bei Ursuppen-Simulations-Experimenten entstandenen Aminosäure-Zusammensetzungen sich wesentlich von der Zusammensetzung in den Zellen der Lebewesen unterscheiden.

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Zwischenergebnis

Vergleich: Aminosäuren in Miller-Versuchen und in Lebewesen

  • In Lebewesen kommen 20 Aminosäuren vor, in Miller-Versuchen sehr viel mehr
  • In Miller-Versuchen wurden die basischen proteinogenen Aminosäuren nicht gebildet.
  • Je Versuchsansatz wurden nur wenige, maximal 13 verschiedene proteinogene Aminosäuren gebildet.
  • Die Zusammensetzung der Verbindungen in Miller-Versuchen unterscheidet sich deutlich von der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe lebender Zellen.
  • Für die erforderliche Kettenbildung schädliche monofunktionelle Verbindungen sind im Überschuss vorhanden.
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Bildung von Aminosäureketten

 

Die aus dem Stoffwechsel von Zellen bekannten Eiweiße (Proteine) bestehen aus Aminosäuren, die zu langen, unverzweigten Ketten verknüpft sind, sie werden ihrer chemischen Struktur nach als Polypeptide bezeichnet. Sind die Ketten nur kurz, spricht man von Oligopeptiden. Eine Peptidbindung entsteht, wie in Abb. 120 dargestellt, in einer Gleichgewichtsreaktion durch Kopplung einer Amino- mit einer Carboxylgruppe, wobei ein Wassermolekül abgespalten wird (eine sog. Kondensationsreaktion).

 
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Ein schwerwiegendes Problem beim Aufbau von Aminosäureketten besteht darin, dass Ursuppen größtenteils aus Wasser bestehen. Ohne spezielle Maßnahmen können daher kaum Oligo- und sicher keine Polypeptide (längere Ketten) gebildet werden. Denn aufgrund des chemischen Gleichgewichts verläuft eine solche Reaktion wegen des großen Wasserüberschusses fast ausschließlich in die andere Richtung der Aufspaltung (Hydrolyse = Spaltung unter Verbrauch von Wasser). Somit wird eine eventuell entstandene Peptidbindung wieder in die entsprechenden Aminosäuren zerlegt und damit das chemische Gleichgewicht eingestellt. Die Anwesenheit von Wasser verhindert folglich die Kettenbildung. Dies bedeutet, dass in Ursuppen-Simulationsexperimenten nicht einmal Vorstufen von Proteinen entstehen.

Auch in nicht wässrigen Systemen muss das während der Reaktion gebildete Wasser ständig entfernt werden, wenn Makromoleküle vor dem Zerfall geschützt werden sollen (In lebenden Zellen werden die Peptidbindungen durch Überstrukturen der Proteine geschützt). Man entwickelt daher in der präbiotischen Chemie (=Forschungszweig, der sich mit der erstmaligen Entstehung des Lebens befasst) Modelle, in welchen Aminosäuren in periodisch trockenfallenden Lagunen angereichert werden und schließlich unter Einwirkung von trockener Hitze kondensieren (also eine Peptidbindung eingehen). Diese spekulativen Zusatzannahmen lassen aber immer noch viele Fragen offen. Beispielsweise ist ungeklärt, wie die zunächst nur in Spuren vorhandenen proteinogenen Aminosäuren (s. o.) vom Überschuss störender Komponenten getrennt werden.

 
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Kettenabbruch durch monofunktionelle Moleküle

 

Ein weiteres Problem auf dem hypothetischen Weg von Einzelbausteinen zu Kettenmolekülen wie den Proteinen ist die Anwesenheit monofunktioneller Komponenten (z.B. der Karbonsäuren, vgl. Abb. 118) in allen Versuchsansätzen.

Monofunktionelle Moleküle besitzen nur eine Bindungsstelle. Wenn sich solche Moleküle mit anderen verbinden, ist keine weitere Kettenverlängerung mehr möglich. Die überschüssigen monofunktionellen Moleküle blockieren die Enden der wenigen kurzen Kettenfragmente und machen sie für eine weitere Kettenverlängerung unzugänglich. Abb. 121 verdeutlicht dies an einem anschaulichen Druckknopfmodell. Daher verhindert die Anwesenheit monofunktioneller Moleküle grundsätzlich die Ausbildung längerer Ketten und folglich die Bildung von Proteinen.

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Bewertung der Miller-Versuche

Die Miller-Versuche könnten als erster Schritt in Richtung lebenswichtiger Moleküle gewertet werden, doch führt dieser Schritt offenkundig in eine Sackgasse. Denn in allen Versuchsansätzen entsteht zugleich mit den erwünschten Aminosäuren eine Vielzahl weiterer Stoffe, welche die nächsten erforderlichen Schritte verhindern. Alle Untersuchungen zu diesen weiteren Schritten gehen daher von vorgegebenen, nicht abiotisch gewonnenen, reinen Aminosäuregemischen aus, d.h. die Probleme der Isolierung und Reinigung werden ohne weitere Diskussion als gelöst vorausgesetzt.

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Proteinoide

 

In einer früheren Phase der Untersuchungen zur präbiotischen Chemie wurde den Proteinen im Vergleich zu den Nukleinsäuren (DNS und RNS) – anders als in heutigen Theorien (vgl. Entstehung von Nukleinsäuren – vergleichsweise große Bedeutung zugemessen. S. Fox hat umfangreiche Untersuchungen mit Polymerisaten (=Verbindungen aus vielen gleichartigen Einzelbausteinen) aus reinen Aminosäuregemischen vorgenommen und deren physikalische Eigenschaften in wässrigen Systemen studiert. Er geht also bei seinen Experimenten nicht von den Ergebnissen der Simulationsexperimente von Miller aus (s.o.). Denn er verwendet nicht solche Produktgemische, die bei Simulationsexperimenten entstehen, sondern beginnt mit reinen Aminosäuren, ohne zu zeigen, woher diese auf einer frühen Erde kommen. Aber selbst bei der unrealistisch optimistischen Verwendung reiner Aminosäuremischungen für Simulationsexperimente treten Schwierigkeiten auf: Verbindungen mit mehr als zwei Verknüpfungsmöglichkeiten (darunter mehr als die Hälfte der proteinogenen Aminosäuren) ergeben unter unspezifischen Reaktionsbedingungen keine linearen Ketten, sondern dreidimensional vernetzte sog. Proteinoide (Abb. 122). Diese aber sind für den Stoffwechsel der Zellen ungeeignet, da sie nicht durch einen linearen genetischen Code erzeugt werden können. Damit wird erneut die für das Leben unabdingbar erforderliche Bildung von kettenförmigen Makromolekülen verhindert.

Fox und seine Mitarbeiter haben die katalytische Aktivität von Proteinoiden untersucht, d. h. ihre Fähigkeit, Stoffwechselvorgänge zu ermöglichen oder zu beschleunigen. Es zeigt sich jedoch, dass die Umsatzraten im Vergleich zu technischen oder gar biologischen Katalysatoren äußerst bescheiden sind und keine Spezifität für bestimmte Moleküle oder Reaktionen zeigen, wie dies für Enzyme (=Proteine in Zellen, welche katalytisch wirken) typisch ist. Viele der beschriebenen Effekte kann man z.B. auch durch Verunreinigung mit Metallionen erzielen.

Den Proteinoiden kommt in der aktuellen Diskussion um die Bedingungen für die Entstehung des Lebens kaum noch Bedeutung zu.

Seit der Entdeckung enzymatischer Aktivität von RNS-Molekülen Anfang der 80er Jahre durch Cech und Altman (Nobelpreis 1989) wird den Nukleinsäuren ein großes Gewicht in der Frage der Lebensentstehung zugemessen. Den Untersuchungen über diese Molekülgruppe widmet sich Artikel Entstehung von Nukleinsäuren

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Zusammenfassung

Von der Ursuppe zu Makromolekülen

Sollen aus dem heterogenen Produktgemisch eines Simulationsexperiments (z.B. nach Miller) Ketten aus Aminosäuren synthetisiert werden, dann müssten u.a. folgende Schwierigkeiten überwunden werden:

  • selektive Entfernung aller monofunktionellen Verbindungen (bzw. selektive Isolierung der Kettenbausteine)
  • Die Anwesenheit multifunktioneller Bausteine erfordert Eingriffe zur Vermeidung vernetzter Makromoleküle.
  • Die Gleichgewichtslage der Kondensationsreaktion (Kettenbildung) muss günstig beeinflusst werden.
  • Der Einfluss der Entropie, welche der Bildung von Makromolekülen aus vielen kleinen Bausteinen entgegenwirkt, muss überwunden werden.

Literaturhinweis: R. Junker & S. Scherer: Evolution – ein kritisches Lehrbuch. Giessen, 2001, Kapitel IV.8

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Autor: Harald Binder, 13.04.2004

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