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21.04.05  Konvergenz der Gehörknöchelchen der Säugetiere

Ein neuer Fossilfund eines Kloakentiers (Untergruppe der Säugetiere) zeigt deutliche Hinweise darauf, dass die säugertypischen Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel bei diesem Säuger nicht ausgebildet waren. Daraus muss gefolgert werden, dass diese Konfiguration, die als eines der wichtigsten Schlüsselmerkmale der Säugetiere betrachtet wird, mindestens zweimal unabhängig (konvergent) entstanden ist. Befunde wie diese bleiben nicht ohne Folgen für Phylogenetik (=Stammbaumforschung), wie weiter unten kurz erläutert werden soll.

Die drei Gehörknöchelchen leiten im Mittelohr der Säugetiere die Schwingungen des Trommelfells zum ovalen Fenster des Innenohrs. Nach evolutionstheoretischen Vorstellungen leiten sie sich von Knochen her, die bei Echsen das Kiefergelenk bilden. Der Bau des Säuger-Mittelohrs ist so komplex und einzigartig, dass einige Forscher die Ablösung der Mittelohrknochen vom Kiefer sogar als wichtigste Synapomorphie (abgeleitetes Merkmal) der heutigen Säugetiere betrachten (Martin & Luo 2005, 861).

Das neuerdings von Rich und Mitarbeitern (2005) beschriebene Fossil erzwingt nun aber eine neue Sicht. Die Konfiguration des Unterkieferknochens des jüngst entdeckten, bisher ältesten bekannten Kloakentiers Teinolophus trusleri (auf 115 Millionen Jahre datiert) zeigt klare Hinweise auf das Vorhandensein eines Angulare, Artikulare und Quadratum und ihre Verbindung mit dem Unterkiefer. Da gleichzeitig lebende Säugetiere den typischen Bau des Kiefergelenks und des Mittelohrs aufweisen und die heutigen Kloakentiere (mit drei Gehörknöchelchen) aus dem beschriebenen Fossil hervorgegangen sein sollen, muss aufgrund dieses Fundes geschlossen werden, dass die Mittelohrknochen zweimal unabhängig voneinander bei den Säugetieren entstanden sind – in der Gruppe der Theria (Beuteltiere und Plazentatiere) vor ca. 215-225 Millionen Jahren und etwa 100 Millionen Jahre später in der Gruppe der Kloakentiere. Bisher war man der Auffassung, dass die Auswanderung der Gehörknöchelchen aus dem Kiefergelenk vor der Aufspaltung der Kloaken-, Beutel- und Säugetiere erfolgte. Die Mittelohrknochen Hammer, Amboss und Steigbügel verlieren damit nach Rich et al. (2005) ihre Bedeutung als charakteristisches Kennzeichen der Säugetiere. Konvergenz eines Schlüsselmerkmals: das ist ein Vorgang, den Biologen bisher höchstwahrscheinlich ausgeschlossen hätten. Ist eine solche Situation evolutionstheoretisch noch plausibel deutbar?

Die Konvergenz der Gehörknöchelchen demonstriert beispielhaft die Problematik des evolutionären Homologie-Arguments. Wenn selbst einzigartige Schlüsselmerkmale mehrfach unabhängig entstehen können, ist das Homologie-Argument am Ende. Denn offenbar kann aufgrund von Bauplanähnlichkeiten nicht auf gemeinsame Abstammung geschlossen werden. Daher gibt es auch keinen Homologiebeweis der Evolution (vgl.Ähnlichkeiten in der Morphologie und Anatomie; für eine ausführliche Diskussion dieses Sachverhalts siehe Junker 2002, 28-45). Ein verschachteltes, hierachisches System von Schlüsselmerkmalen (das enkaptische System) wurde häufig als einer der stärksten Belege für Makroevolution genannt. Dieser Beleg wird mit zunehmender Kenntnis der Formenvielfalt in Frage gestellt.

Literatur

Junker R (2002) Ähnlichkeiten, Rudimente, Atavismen. Holzgerlingen.

Martin T & Luo ZX (2005) Homoplasy in the Mammalian Ear. Science 307, 861-862.

Rich TH, Hopson JA, Musser AM, Flannery TF & Vickers-Rich P (2005) Independent Origins of Middle Ear Bones in Monotremes and Therians. Science 307, 910-914.


Autor dieser News: Reinhard Junker, 21.04.05

 
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